Post-Chef Pölzl: "Österreich ist ein Flugblattland"

Dr.Georg Pölzl, Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor der Österreichischen Post AG
Der Briefmarkt schrumpft. Wie die Post dennoch ihr Geschäft stabil hält.

Bei Paketen soll die Wertschöpfung nicht aus Österreich abfließen, wünscht sich der Post-Chef.

KURIER: Sie gehören sicher zu jenen, die über den heurigen Dauerwahlkampf gejubelt haben. Das hat der Post ein saftiges Briefe-Plus beschert, oder?

Georg Pölzl: Wahlen gibt es Gott sei Dank jedes Jahr. In Summe ist das Briefaufkommen jedoch jährlich um circa fünf Prozent rückläufig. Ein Wahldurchgang beschert uns drei bis fünf Millionen Euro.

Und das Weihnachtsgeschäft?

Das Hauptthema zu Weihnachten sind Pakete. Dafür haben wir mehr Personal, aber auch ein flexibles Arbeitszeitmodell. Weihnachten legen wir Sonderschichten ein. Beamte dürfen übrigens mehr Stunden arbeiten als normale Angestellte.

Wann wurde der letzte Postler pragmatisiert?

1996. Seit 2009 haben wir einen Kollektivvertrag, der sich an anderen Logistik-Unternehmen orientiert, sonst wäre unser Geschäft in der heutigen Form nicht leistbar. Das hat auch die Gewerkschaft eingesehen.

Derzeit gibt es eh erstaunlich wenig Konflikte zwischen Management und Betriebsrat.

Das würde ich so nicht sagen. Es wird nur nicht mehr in der Öffentlichkeit breitgetreten, weil das nur dem Ansehen der Post schadet. Wir finden unsere Lösungen hausintern.

Die Post zahlt eine ordentliche Dividende. Aber lässt sich ewig der schrumpfende Briefmarkt mit dem steigenden Pakethandel wettmachen? Noch dazu, wo sich auf diesem Markt so viele Teilnehmer tummeln?Insgesamt schrumpft unser Geschäft in Österreich, wir schaffen es aber, das Ergebnis stabil zu halten. Der Paketmarkt macht vom Umsatz her nur 15 Prozent des gesamten Geschäftes aus. Wir haben voriges Jahr 80 Millionen Pakete gehabt, aber mehr als fünf Milliarden andere Postsendungen: Werbesendungen, Zeitungen und Zeitschriften.

Die Werbewirtschaft hat sich nicht ins Internet verabschiedet.

Österreich ist ein Flugblattland. Und das zwei Mal die Woche kommende Post-Kuvert wirkt da kräftig positiv.

Wieso lieben die Österreicher das Flugblatt?

Das ist traditionell so und hat auch mit der Qualität der Zustellung zu tun. In Spanien oder England versteht man die Liebe zum Flugblatt nicht.

Aber auch viele Österreicher haben ein "Keine Werbung"-Pickerl auf ihrer Tür kleben.

Wir haben aber auch Sticker produziert, die man über das Werbeverzicht-Pickerl kleben kann, mit dem Satz: "Nachher ist man immer schlauer" (lacht). Man lernt ja etwas aus den Flugblättern.

Gibt es viele Werbeverzichter?

Ein bisschen mehr in der Stadt – weniger am Land.

Warum reduzieren Sie ab 2017 die Poststücke auf drei Größen? Brief, Päckchen, Paket.

Wir wollen die Produktpalette vereinfachen. Das Päckchen ist neu und wurde extra für den eCommerce (elektronischer Handel) geschaffen. Es ist nachverfolgbar, aber man muss den Empfang nicht bestätigen.

Und die Flexibox?

Unser gemeinsamer "Feind", also auch der unserer Kunden, ist der gelbe Zettel. Die Menschen wollen ihre Sendungen nicht abholen, obwohl es bei uns eh noch am komfortabelsten geht.

Versuchen Sie mit der Plattform "shöpping" ein österreichisches Amazon zu schaffen?

Nein. Das soll ein Marktplatz aus Österreich für Österreicher werden. Wir wollen österreichische Händler und Produzenten stärker ins Internet bringen, weil wir sehen, dass 60 Prozent aller online bestellten Pakete aus dem Ausland, insbesondere aus Deutschland kommen – Tendenz steigend. Bedenken Sie, was da an Wertschöpfung und Steueraufkommen für Österreich abfließt! Das unterminiert den stationären Handel. Es ist fünf vor zwölf.

Warum funktioniert die Einführung von "shöpping" so schleppend?

Wir sind noch in der Entwicklungsphase. Das ist ein sehr komplexes IT-System. Groß publik machen wir es im Frühjahr 2017. Aber der Erfolg wird auch sehr von unseren Partnern – dem heimischen Handel – abhängen.

Und wann kommt eine Lösung für elektronische Briefe – dass man RSb- und RSa-Briefe nicht mehr unterschreiben muss?

Das kommt nächstes Jahr – auch mit Unterstützung von Behörden. Schon vor einigen Jahren gab es das Produkt Postmanager, aber die Zeit war noch nicht reif dafür. Wir werben aber dafür, dass die Kunden auch die physische Information kriegen, wenn sie sie wollen.

Die Kreditkartenfirmen zum Beispiel heben aber prohibitiv hohe Gebühren für die Postsendung des Auszugs ein.

Als Kunde verliert man die Aufmerksamkeit dafür, wenn die Rechnung nur noch per Mail kommt. Manche vermuten sogar, dass das ein erwünschter Effekt ist. Meiner Meinung nach müsste es dafür eine gesetzliche Regelung geben. 65 Prozent der Kunden wollen eine physische Rechnung, aber nur 25 Prozent kriegen eine. Da werden die Kunden überrollt – von den Telekom-, aber auch von den Kreditkartenfirmen.

Wie geht’s Ihnen mit Ihrer türkischen Paketfirma? Nächste Woche wollen Sie ja das Schiedsgerichtsverfahren einleiten.

Wir halten 25 Prozent und haben 2013 eine Option für den Kauf von weiteren 50 Prozent abgeschlossen. Dagegen sperrt sich der Partner. Wir führen mit der Eigentümerfamilie Gespräche. Auch das politische Umfeld in der Türkei verändert sich nicht positiv, unser Geschäft leidet darunter aber nicht.

Von Ihrem türkischen Partner gibt’s heftige Vorwürfe – bis zur Kritik, das Unternehmen zerstören zu wollen.

Das sind unqualifizierte Vorwürfe, da geht’s nur um Preistreiberei. Das versteht auch in der Türkei niemand.

Haben Sie den Kauf bereut?

Nein. Wir suchen ja ganz aktiv nach Möglichkeiten zum Wachstum. Das Österreich-Geschäft ist profitabel und gut, aber insgesamt geht es zurück, während die Personalkosten steigen. Und wir bezahlen in Summe – Steuern, Sozialabgaben und Dividende – mehr als 650 Millionen Euro an den Staat und haben den Anspruch, unser Geschäft ohne staatliche Subventionen zu machen.

Gibt’s weitere Länder, in die die Post expandieren könnte?

Wir sind schon jetzt mit Paketbeteiligungen in Südosteuropa erfolgreich und wollen dort weiter wachsen.

Kommt noch ein Post-Börsegang, damit man Kapital für solche Erweiterungen hat?

Da müssen Sie den Herrn Finanzminister fragen. Die geplante Expansion schaffen wir aber aus eigener Kraft.

BÖRSENOTIERTE FIRMA

Die Post hat 17.562 Mitarbeiter in Österreich und ist in Wien börsenotiert, aber noch zu mehr als der Hälfte im Staatsbesitz. In den ersten neun Monaten dieses Jahres wurde ein Umsatz von 1,51 Milliarden Euro erwirtschaftet. Der 59-jährige Steirer Georg Pölzl ist seit 2009 Vorstandsvorsitzender der Post. Davor war er für max.mobil und die deutsche Telekom tätig.

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