Pleitebanken und Amtshaftungsklagen
Der Topf der Einlagensicherung hat sich ziemlich geleert. Einerseits die Großpleite der burgenländischen Commerzialbank. Andererseits könnte der erbitterte Streit zwischen der insolventen Anglo Austrian Bank, der ehemaligen Meinl Bank, und der Finanzmarktaufsicht den Schaden noch vergrößern.
Die Mattersburger Skandalbank wird die Einlagensicherung (ESA) nach heutigem Stand 480 bis 490 Millionen Euro kosten. Wie viel der von den heimischen Banken (ausgenommen Sparkassen) finanzierte Sicherungsfonds aus der Konkursmasse zurückbekommen wird, ist derzeit nicht abschätzbar, noch gibt es keinen Überblick über das Vermögen der Bank. Die ESA ist ein bevorrechtigter Gläubiger. Erst wenn ihre Ansprüche aus der Konkursmasse abgedeckt sind, sind die restlichen Gläubiger dran. Sofern noch Vermögen vorhanden ist.
Leerer Topf
11.500 Kunden, 94 Prozent aller Anspruchsberechtigten, wurden bereits mit bis zu maximal 100.000 Euro für ihre Guthaben entschädigt. Für die vormalige Meinl Bank hat die Einlagensicherung bis dato 52 Millionen Euro ausbezahlt, rund sieben Millionen Euro sind noch offen.
„Der Topf ist bis auf 130 Millionen Euro geleert“, rechnet Stefan Tacke vor, Geschäftsführer der Einlagensicherung. Rund 550 der insgesamt 680 Millionen Euro wurden ausbezahlt.
Die Banken werden also kräftig nachschießen müssen. Bis 2024 müssen die Mittel in fünf Tranchen wieder aufgestockt werden. Auf ein Mindesterfordernis laut EU-Richtlinie von 1,5 Milliarden Euro. Weshalb in der Bankenszene bereits laut darüber nachgedacht wird, das System zu ändern. Von der Idee eines Selbstbehaltes für die Kunden bis zu einem risikobasierten Beitragssystem. Institute, die ihren Kunden höhere Zinsen als die Mitbewerber anbieten, sollen auch höhere Beiträge in das ESA-System einzahlen.
Die Einlagensicherung will sich in Sachen Commerzialbank auch über Amtshaftungsklagen Geld zurückholen. „Wir prüfen und evaluieren derzeit noch und werden zeitnah entscheiden“, erklärt Tacke. Konkret ist die Republik Österreich wegen der Bankenprüfer im Visier der Finanzmarktaufsicht (FMA) und der Nationalbank. Sowie das Land Burgenland als Genossenschaftsrevisor, die Abschlussprüfer TPA, die ebenso versagt haben, und der Vorstand und die Aufsichtsräte der Bank.
Offen ist noch, ob die Einlagensicherung direkt klagt oder mit dem Masseverwalter. „Wir prüfen diese Frage derzeit sehr intensiv in alle Richtungen“, sagt Masseverwalter Michael Lentsch gegenüber dem KURIER. Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, sieht dagegen keine Rechtsgrundlage für Klagen gegen die Republik. Wird alles lange dauern und sehr spannend.
Krieg mit der FMA
Seit 2014 liefern sich die Ex-Meinl-Bank und die Finanzmarktaufsicht einen schonungslosen Schlagabtausch. Die Europäische Zentralbank entzog der kleinen Privatbank in der Wiener City im November 2019 die Konzession. Die als Abwickler der Bank eingesetzten Anwälte beantragten beim Handelsgericht die Insolvenz des Instituts, das sich in Anglo Austrian Bank (AAB) umbenannte.
Nur die FMA könne den Konkurs einer Bank beantragen, argumentierten daraufhin fünf Kunden. Ukrainische Firmen mit Adressen auf den Jungferninseln, in Belize und Zypern.
Es begann ein wilder Rechtsstreit um die Gültigkeit des Konkursverfahrens durch alle Instanzen. Der Oberste Gerichtshof entschied, die FMA habe auch nach dem Entzug der Bankkonzession das „Konkursantragsmonopol“. Die Aufseher hatten wiederholt argumentiert, die AAB sei seit dem Konzessionsentzug keine Bank mehr.
Das Verfahren ging wieder zurück zum Handelsgericht und die FMA lieferte einen Konkursantrag nach. Inzwischen obsiegten die fünf Kläger vor kurzem wieder vor dem Oberlandesgericht.
Wird die Insolvenz rechtsgültig aufgehoben, könnte die Einlagensicherung ihren Status als erstrangiger Gläubiger verlieren, meint Peter Weinzierl, ehemaliger Chef der Bank. Dann hätte die Einlagensicherung ausbezahlt, obwohl keine Insolvenz vorlag. Nach dem aktuellen Vermögensstand würde die ESA in diesem Fall nur 25 Millionen Euro zurückbekommen und für die anderen Gläubiger bliebe mehr übrig.
Tacke will dazu nichts sagen, „das sind derzeit alles Spekulationen“.
Die Abwicklung war mühsam genug. Die Kundenstruktur ist mit der Commerzialbank nicht vergleichbar. Kaum Sparbücher und Girokonten für Normalverdiener, sondern großteils Klientel mit Verrechnungskonten für Wertpapierdepots. Die als Guthaben ebenfalls der Einlagensicherung unterliegen.
Geldwäsche-Checks
Viele Kunden sitzen im Ausland, 470 Konten wurden von der ESA sicherheitshalber der Geldwäschebehörde gemeldet. Zehn Kunden wurden auch noch von der Staatsanwaltschaft abgeklärt.
Das Ergebnis: Kein einziger Verdacht bestätigte sich.
Die Staatsanwaltschaft stellte im Frühjahr bis auf ein Verfahren alle Geldwäsche-Ermittlungen gegen die Bank, Julius Meinl V. und einige Manager ein, der KURIER berichtete. Die FMA hatte 30 Verdachtsfälle angezeigt.
Weinzierl ist überzeugt, dass alle Kunden der Bank ihr Geld ohne Verlust zurückbekommen hätten, wäre die Insolvenz nicht eingeleitet worden. „Die Bank wurde in den letzten Jahren ohnehin immer weiter reduziert. Der Restbestand hätte ohne Verluste innerhalb von 18 bis 24 Monaten abgewickelt werden können“. Corona-bedingt hätte es vermutlich noch etwas länger gedauert.
Die Streitparteien bewegen sich auf juristischem Neuland. Die Frage lautet: Wann ist eine Bank insolvent – beim Beschluss des Konkurses oder bei dessen Rechtskräftigkeit? Auch Amtshaftungsklagen werden überlegt.
Gut möglich, dass die Eigentümerfamilie der Bank bei einer ordentlichen Abwicklung aus Imagegründen am Ende den möglichen Fehlbetrag abgedeckt hätte, damit kein Kunde geschädigt würde. Inzwischen dürften den Meinls diese Ambitionen endgültig vergangen sein.
Weinzierl spart nicht mit Kritik an der FMA. „Die Aufsicht hat derart viel Leidenschaft in die Meinl Bank gesteckt und sie regelrecht zu Tode geprüft, sodass sie sich offenbar nicht mehr um Dinge gekümmert hat, die dringender gewesen wären“. Sowohl Meinl Bank als auch Commerzialbank ressortieren in der FMA zum selben Prüfer.
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