Planwirtschaft à la Draghi

Mario Draghi, EZB-Präsident
Woher das Unbehagen an der EZB-Politik rührt – und was die Folgen der Geldflut sind.

Würde ein Zeitreisender aus dem Jahr 2007 ins Heute katapultiert, er käme aus dem Staunen nicht heraus.

Börsen

Warum erzielen die Aktienindizes Höchststände, obwohl Italien in eine Regierungskrise geschlittert ist?

Negativzinsen

Warum verborgen Investoren nicht nur Geld, sondern legen sogar eine Prämie obendrauf?

Immobilienboom

Warum steigen die Wohnungspreise weiter, obwohl sich die Mieten kaum jemand leisten kann? Und ist nicht erst vor wenigen Jahren eine riesige Immobilienblase geplatzt?

Schuldenkrise

Warum ist eine Griechenland-Pleite kein Thema mehr, obwohl die Reformen in Athen stocken?

Zombie-Banken

Warum verdienen etliche marode Banken zum Leben zu wenig, aber zum Sterben zu viel?

Sparguthaben

Warum legen die Sparer ihr Geld auf die hohe Kante, obwohl dieses dort immer weniger wert ist?

Die Antworten könnte der Zeitenwanderer in einem schrägen Glas-Büroturm in Frankfurt am Main finden. Dort ist im 41. Stock der Sitzungssaal, in dem die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Entscheidungen trifft.

"Überall Unsicherheit"

So wie am vergangenen Donnerstag: Die EZB verlängert ihre umstrittenen Wertpapierkäufe, kauft aber ab April 2017 "nur" um 60 Milliarden Euro pro Monat ein (statt bisher 80). Ist das der Einstieg in den Ausstieg? Nein, denn falls nötig könne jederzeit aufgestockt werden. "Überall herrscht Unsicherheit", betonte EZB-Chef Mario Draghi.

Brexit, Trump, Italien – die Märkte hätten darauf zwar ruhig reagiert. Aber wer weiß, was kommt? 2017 wird in Frankreich und Deutschland gewählt. Die EZB macht also bis mindestens Ende 2017 weiter. Und ziemlich sicher darüber hinaus.

Für Sparer sind das schlechte Nachrichten: Erst wenn die Käufe beendet sind, besteht die Aussicht auf höhere EZB-Zinsen. Was wohl nicht vor Ende 2018 sein dürfte. Das heißt: Die Zinsen bleiben mickrig, während die Inflation steigt. Somit verlieren die Sparguthaben immer rasanter an Kaufkraft.

Euro-Kollaps verhindert

Die Finanzmärkte mögen sich rasch eingelebt haben, normal ist diese EZB-Geldschwemme aber nicht. Sie ist der Preis dafür, dass die Notenbanker eine noch tiefere Krise verhindert – Pessimisten würden sagen: hinausgeschoben – haben. Und dafür, dass der Euro-Kollaps verhindert wurde. Hätte Draghi auf die Einflüsterer aus Deutschland gehört, gäbe es die Währungsunion nicht mehr.

Planwirtschaft à la Draghi
Was tut die EZB? Sie pumpt Geld in den Finanzkreislauf und senkt damit die Zinsen (was verschuldete Staaten freut). Seit März 2015 hat sie Papiere um fast 1500 Milliarden Euro angehäuft. Bis Ende 2017 werden es 2280 Milliarden sein. Ein unvorstellbarer Betrag. Das ist, als hätte jeder Bürger im Euroraum Wertpapiere um 6700 Euro ins Depot gelegt.

Drittel-Planwirtschaft

Ein normaler Käufer würde freilich nur jenen Preis zahlen, der ihm für das Risiko angemessen scheint. Die Notenbanker kaufen aber auf jeden Fall und nehmen sogar Verluste in Kauf. Das wirkt wie eine Garantie und ermutigt andere Investoren, zu riskanteren Papieren zu greifen. Oder lässt diese in "Betongold" (Immobilien) flüchten – das erklärt die eigentümlichen Marktreaktionen.

Bis zu einem Drittel jedes Wertpapiers und der Staatsschulden eines Landes darf die EZB kaufen: Planwirtschaft à la Draghi. Die üblichen Marktmechanismen, die sonst Preise festsetzen, sind längst außer Kraft.

"Die EZB wird weiter Druck auf die Marktpreise ausüben. Aber wir wollen diese natürlich nicht verzerren", beteuerte Draghi. Wo genau ist da der Unterschied? Um das zu erkennen, muss man wohl EZB-Präsident sein.

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