Plachutta im Datenschutz-Clinch mit der Arbeiterkammer
Die Arbeiterkammer erhebt schwere Vorwürfe gegen die Wiener Gastronomie-Familie Plachutta. Konkret sollen Mitarbeiter ihre Arbeitszeitaufzeichnungen regelmäßig per Handflächenscan unterzeichnen müssen, ohne diese vorher einsehen und kontrollieren zu können. Weil sie die Erfassung biometrischer Daten zum Zwecke der Lohnverrechnung für „völlig überschießend“ hält und offenbar keine vorherige Aufklärung und ausdrückliche Zustimmung der Arbeitnehmer für die Maßnahme vorliegt, brachte die AK eine Beschwerde bei der Datenschutzkommission ein.
Kurzer Blick aufs Tablet
Laut Beschwerde müssen die Arbeitnehmer ins Büro kommen, wo ihnen kurz am Tablet eine Auflistung ihrer Arbeitsstunden zur Einsicht vorgelegt wird. Die Aufstellung muss dann mittels Handflächenabdruck unterzeichnet werden und ist damit automatisch mit der Unterschrift des Arbeitnehmers versehen.
„Handflächenscans sind für die Lohnverrechnung nicht erforderlich. Was kommt als nächstes? Muss man seinen Arbeitsvertrag bald mit Blut unterzeichnen?“, fragt sich AK-Präsidentin Renate Anderl. Die Aufzeichnungen müssten in schriftlicher Form ausgehändigt werden, damit genug Zeit bleibt, diese zu kontrollieren. Weiters fehle die Freiwilligkeit bei der erforderlichen Einverständniserklärung, weil das Kräfteverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht ausgewogen sei. Auch wurden die Betroffenen nicht über ihr Auskunftsrecht aufgeklärt. Nach Ende des Arbeitsverhältnisses müsste der Scan sofort gelöscht werden, Plachutta behalte die Daten aber noch 14 Tage länger.
„Alles rechtens“
Gastronom Mario Plachutta lässt seinen Firmenanwalt Georg Röhsner zu den Vorwürfen Stellung nehmen. „Der Handflächenscanner ist keine Angelegenheit Plachutta, sondern wird zig-fach von Gastronomiebetrieben eingesetzt“, so Röhsner zum KURIER. Die Anbieter des Systems würden versichern, dass betreffend Datenschutz alles rechtens sei und könnten entsprechende Rechtsgutachten vorweisen. Gespeichert werde ja nicht das Handflächenmuster als solches, sondern ein so genannter Hash-Wert, der bei jeder Neueingabe abgeglichen werde. „Im Prinzip wie ein elektronischer Chip am Schlüsselband, der an ein Lesegerät gehalten wird“, erläutert Röhsner.
Damit könne gar kein Missbrauch betrieben werden. Vielmehr würde dadurch verhindert, dass jemand anderer die Arbeitszeitaufzeichnung unterschreibe. Die eingeschränkte Kontrollmöglichkeit durch den raschen Blick auf den Bildschirm hält er nicht für problematisch. „In Wahrheit sind die Leute froh über die rasche Abwicklung. Wenn jemand die Arbeitszeitaufzeichnung in ausgedruckter Form haben will, bekommt er das natürlich“, versichert der Anwalt. Dass die Daten länger aufbehalten werden, sei gesetzlichen Fristen geschuldet.
Hohe Strafen möglich
Laut Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist die Causa durchaus brisant, wie ein ähnlicher Fall in den Niederlanden zeigt. Dort wurde gegen ein Unternehmen, das Fingerabdruck-Technologie für Anwesenheits- und Zeiterfassung einsetzte, ein Bußgeld von 750.000 Euro verhängt. Grund: Die Mitarbeiter wurden nicht ausreichend aufgeklärt.
„Die Sanktionen bei datenschutzrechtlichen Vergehen sind hart, können sofort in den fünfstelligen Bereich gehen“, weiß Michael Pilz, Spezialist für Datenschutz in der Anwaltskanzlei Freimüller/Obereder/Pilz. Es gebe hier eine große Uninformiertheit vieler Arbeitgeber bezüglich der Datenschutzrichtlinie.
Schutzwürdige Daten
Mittels Iris-, Gesichts- oder Handscan erhobene Daten sind besonders schutzwürdig, weil sie Personen eindeutig identifizieren. Sie dürfen laut DSGVO daher nur dann erhoben und gespeichert werden, wenn zuvor eine „informierte Zustimmung“ des Arbeitnehmers eingeholt wird. Eine Betriebsvereinbarung allein reiche hier nicht aus, so Pilz. Die Einverständniserklärung müsse freiwillig sein, was im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedoch nicht der Fall sein kann.
Die AK ist alarmiert: „Diese Vorgangsweise darf nicht Schule machen. Die AK wird alle arbeits- und datenschutzrechtlichen Instrumente nutzen, um die Rechte der Arbeitnehmer zu wahren", sagt Anderl. Die AK liegt schon länger im Clinch mit dem Wiener Gastro-Traditionsbetrieb wegen unterschiedlicher arbeitsrechtlicher Vergehen wie falscher Überstundenabrechnungen oder nicht eingehaltener Kündigungsfristen.
Kommentare