Pharmig-Chef warnt: Preisdruck gefährdet Arzneimittel-Versorgung
Der Pharmaverband Pharmig bringt sich rechtzeitig vor der Wahl in Stellung. Generalsekretär Alexander Herzog warnt im KURIER-Interview vor weiteren Preisregulierungen bei Medikamenten und neuen Zugangshürden.
KURIER: Die Corona-Infektionen steigen wieder an. Werden Sie sich eine Booster-Impfung holen?
Alexander Herzog: Ich bin fünfmal geimpft und werde mir im Herbst auf alle Fälle eine Booster-Impfung holen, weil ich viel unterwegs bin.
Sollte es im Herbst zu einer neuen Welle kommen. Ist ausreichend Impfstoff vorhanden?
Ja. Wir haben eher zu viel als zu wenig Impfstoff.
Hat Corona die Impfbereitschaft steigen lassen?
Sie hat sich leicht erhöht, weil die Menschen seit Corona eine andere Sensibilität haben, aber wir hätten uns mehr erwünscht. Die Durchimpfungsrate bei Influenza ist mit 13 Prozent weit unter den Empfehlungen der WHO.
In den vergangenen Grippe-Saisonen gab es Engpässe bei wichtigen Medikamenten wie Antibiotika oder Hustensäften für Kinder. Wird das heuer auch so sein?
Wir sind gut vorbereitet und produzieren auf Anschlag, alle Werke in Europa sind voll ausgelastet. Gewisse Engpässe bei einzelnen Medikamenten oder Packungsgrößen lassen sich aber nie restlos ausschließen. Wir haben 16.000 Heilmittel am Markt, da kann immer wieder etwas passieren.
Wichtige Arzneimittel sollen auf politischem Wunsch jetzt in einem eigenen Lager bevorratet werden. Sie sind skeptisch, warum?
Der politische Wunsch der zusätzlichen Bevorratung wird sich legistisch erst im Winter 2026 ausgehen. Wir halten wenig davon, weil wenn alle Staaten Vorräte anlegen, kommt es erst recht zu Engpässen. Das sollte wenn, dann auf EU-Ebene erfolgen. Wir sehen aber generell mit Sorge, dass die Versorgung mit innovativen Arzneimitteln und Generika in Österreich stark unter Druck ist.
Weil die Hersteller nicht die Preise bekommen, die sie haben möchten?
Es gibt mehrere Gründe. Zum einen ja, im Generika-Bereich ist das Preisniveau abstrus niedrig. Die Pharmahersteller dürfen die Medikamente ja nicht automatisch an die Inflation anpassen, sondern müssen immer um Preisanpassung ansuchen. Dann gibt es Regularien, die eine künstliche Preisbeschränkung auf zwei Jahre vorsehen, was keine Planungssicherheit erlaubt. Und es wird für Pharmafirmen immer schwieriger, neue Produkte und Therapien zum Patienten zu bringen.
In den Spitälern sorgt derzeit das neue Bewertungsboard für Aufregung. Neue, bereits in der EU zugelassene Therapien müssen jetzt von einem Gremium im Gesundheitsministerium zusätzlich freigegeben werden. Sie kritisieren das heftig, warum?
Es besteht die Gefahr, dass neue Therapien, etwa für Krebs, später oder erst gar nicht zum Patienten kommen und dadurch die Versorgung deutlich eingeschränkt wird. Österreich droht damit, seinen Top-Ruf, was die Verfügbarkeit neuer Medikamente anbelangt, zu verlieren. Die Letztentscheidung über Therapien sollte immer ein Arzt treffen und nicht eine Bürokratenstube im Ministerium, die lange dafür braucht. Auch die Stimme des Patienten wird da nicht gehört. Wir haben den Sinn dieser Einrichtung noch nicht erkannt.
Der Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig) vertritt rund 120 Mitgliedsunternehmen mit ca. 18.000 Beschäftigten, darunter Konzerne wie Pfizer, Boehringer Ingelheim oder Novartis. Gemeinsam decken sie rund 95 Prozent des heimischen Arzneimittelmarktes ab. Alexander Herzog ist seit 2018 Generalsekretär der Pharmig. Zuvor war er in der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft tätig.
Neue Therapien, vor allem bei seltenen Erkrankungen, sind oft sehr hochpreisig. Dass hier auf die Kosten geachtet werden muss, leuchtet doch ein, oder?
Es wird zwischen 8 und 14 Jahren an solchen Therapien gearbeitet. Wird sie zugelassen, ist die Patientengruppe oft klein. Daher ergibt sich ein relativ hoher Preis.
Teilweise auf Unverständnis stieß kürzlich die Nicht-Zulassung einer Alzheimer-Therapie durch die Europäische Zulassungsbehörde EMA. War sie hier zu streng?
Die EMA gilt als die weltweit strengste Zulassungsbehörde. Man sieht, was für ein enormes finanzielles Risikogeschäft die Arzneimittelentwicklung ist. Hier werden Milliarden investiert ohne Garantie auf Zulassung. Das muss ein Unternehmen erst einmal wegstecken. Alzheimer ist ein sehr dickes Brett, aber viele Pharmafirmen forschen hier an Medikamenten.
Lukrativer ist da schon Diabetes, wie man am Hype um die Abnehmspritzen sieht Wegovy von Novo Nordisk ist in Österreich aber noch immer nicht am Markt. Warum?
Das Produkt wurde eigentlich gar nicht dafür entwickelt, es handelt sich um einen Nebeneffekt. Es ist ein grundsätzliches Problem, dass Arzneien nicht für den vollen Indikationsbereich zugelassen werden. Viele Produkte sind daher nur für eine bestimmte Indikation zugelassen.
Es sind bald Wahlen. Welche Wünsche haben Sie an die nächste Regierung?
Grundsätzlich: Dass man angesichts der demografischen Entwicklung im Gesundheitssystem sparen will, ist der völlig falsche Zugang. Das muss eine Investition für die Bevölkerung sein. Und hochwertige Medizin sollte weiterhin jedem zur Verfügung stehen und nicht nur jenen, die es sich leisten können. Wir wünschen uns auch eine eigene Lifescience- und Pharma-Strategie, wie sie Deutschland hat. Da geht es um Versorgung ebenso wie um Forschung-, Gesundheitsdaten und Standortfragen.
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