Pferdefleisch-Skandal: Erster Fall in Österreich

ILLUSTRATION - Eine Gabel steckt am 14.02.2013 in München (Bayern) in einer Lasagne Bolognese. In den vergangenen Wochen waren in mehreren Ländern der EU Fertiggerichte entdeckt worden, in denen statt des angegebenen Rindfleischs auch Pferdefleisch verarbeitet worden war. Foto: Victoria Bonn-Meuser/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Nicht deklariertes Pferdefleisch in Tortelloni gefunden, Lidl startete eine Rückholaktion. Die EU wird europaweite Tests einführen.

Im Produkt "Compino Tortelloni Rindfleisch" eines Herstellers aus Liechtenstein ist ein nicht deklarierter Anteil an Pferdefleisch gefunden worden. Das gab die AGES, die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit am Freitag bekannt. Die Tortelloni waren beim Diskonter Lidl erhältlich und stammen entgegen ersten Angaben der Behörden doch nicht aus Stuttgart, sondern werden von der Hilcona AG in Liechtenstein produziert . Von einer Gesundheitsgefährdung kann nicht gesprochen werden, viel mehr von Täuschung des Konsumenten, sagte Carolin Krejci vom Gesundheitsministerium in der ZIB2. Selbst wenn Rückstände von Medikamenten im Fleisch gefunden würde, sei davon auszugehen, dass die Dosierung sehr gering und für Menschen harmlos sei.

Die Tortelloni wurden im Rahmen der seit mehreren Tagen laufenden verstärkten Kontrollen untersucht, bei denen es um nicht deklariertes Pferdefleisch in Fertiggerichte mit Rindfleisch geht. Bisher liegen laut AGES qualitative Analysen von zwei Proben vor, in der zweiten Probe sei keine Pferde-DNA nachweisbar gewesen. Krejci rechnet aber mit weiteren Funden von nicht deklariertem Pferdefleisch in österreichischen Nahrungsmitteln.

"Produkt wird aus dem Verkehr gezogen"

Pferdefleisch-Skandal: Erster Fall in Österreich
APA11476620 - 15022013 - LINZ - ÖSTERREICH: Combino "Tortelloni - Rindfleisch" produziert vom deutschen Hersteller Gusto GmbH und vertrieben durch die Supermarkt-Kette Lidl, aufgenommen am Freitag, 15. Februar 2013. Der Diskonter hat eine Rückholaktion gestartet nach dem das AGES-Institut für Lebensmittelsicherheit in Wien bei einer Stichprobe Pferdefleisch in dem mit Rindfleisch gekennzeichneten Produkt gefunden hat. APA-FOTO: RUBRA
Die Supermarkt-Kette hat umgehend eine Rückholaktion gestartet. Lidl ist nach Angaben des Gesundheitsministeriums dazu verpflichtet. "Ein falsch gekennzeichnetes Produkt muss aus den Regalen genommen werden", sagte Ministeriumssprecher Fabian Fußeis. Wie hoch der Pferdefleisch-Anteil in der als Rindfleisch gekennzeichneten Tortelloni-Füllung ist, wird von der AGES noch untersucht. Mit dem diesbezüglichen Ergebnis ist bis Montag zu rechnen.

Gentests

Pferdefleisch-Skandal: Erster Fall in Österreich
Die EU-Staaten haben sich am Freitag auf flächendeckende DNA-Tests geeinigt. Innerhalb eines Monats sollen in allen EU-Ländern stichprobenweise Rinderprodukte auf den Gehalt von Pferdefleisch getestet werden, erklärte EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg am Freitag in Brüssel. Er rufe die Staaten auf, unter Hochdruck an der Aufklärung der Vorfälle zu arbeiten, ergänzte er.

Insgesamt sollen innerhalb eines Monats 2.250 Proben in allen 27 Mitgliedstaaten genommen werden. Falls notwendig, wird die Untersuchung noch länger fortgesetzt. Außerdem soll bei Pferdefleisch geprüft werden, ob es Rückstände des bei Pferden eingesetzten Medikaments Phenylbutazon gibt. Je 50 Tonnen Pferdefleisch werde eine Probe gezogen, hieß es weiter.

Rückrufe in Deutschland, auch Norwegen betroffen

Auch Norwegen hat am Freitag erstmals den Fund von nicht deklariertem Pferdefleisch gemeldet, in Deutschland werden immer weitere Produkte gefunden, in denen Pferdefleisch ohne entsprechende Kennzeichnung enthalten ist. Die Länder Baden-Württemberg und Brandenburg meldeten am Donnerstag die Entdeckung verdächtiger Tiefkühl-Lasagne. Ein nordrhein-westfälischer Großhändler habe die aus Frankreich stammende Ware geliefert. Proben sollen klären, ob die Lasagne tatsächlich Pferdefleisch enthält. Zuvor hatte bereits die Supermarktkette Real Tiefkühl-Lasagne mit Anteilen von Pferdefleisch zurückgerufen. Auch bei Pferdemetzgereien und anderen Betrieben, die Pferdefleisch verarbeiten, sollen Proben genommen werden.

Das Pferd ist in Verruf. Seit das Tier als Pferdefleischskandal durch die Medien galoppiert, den eine deutsche Ministerin zoologisch wenig sattelfest eine „Riesensauerei“ nennt, gilt: Pferdefleisch ist pfui.

Diese Debatte gilt es, ehe sie durchgeht, zu zügeln: Das Pferd wird seit je gespeist, mal als Arme-Leute-Essen, mal als Delikatesse. Ein Verbot durch Papst Gregor III. lahmte schon im Mittelalter. Bis heute sind Rheinischer Sauerbraten (Deutschland), Mostbröckli (Schweiz), Dürre und Pferdeleberkäs’ vom Pepi-Hacker (bei uns) ein feiner Schmaus. Manche mögen Pferde ja überhaupt nur in der Semmel.

Jetzt ist Pferdefleisch in Tiefkühllasagne aufgetaucht, in der nur – ja, was eigentlich – sein sollte? Wurscht. Die falsche Etikettierung ist unerhört, fürwahr. Dass nicht nachvollziehbar ist, woher das billige, mit irgendwas medikamentierte Fleisch kommt, auch. Aber sonst ist die Aufregung, wo wir uns doch laut neuester Studie gerne die ungesündesten Lebensmittel von der Werbung einreden lassen, schon ein bisschen zum Wiehern.

Der Unterschied zwischen Original und Imitat sind selbst für Experten oft nicht immer einfach feststellbar. Dennoch: "Mogelpackungen" in der Nahrungsmittelbranche sind beileibe keine Einzelfälle. In den vergangenen Jahren gab es in Europa immer wieder Aufregung um Produkte, die nicht das enthielten, was ihre Erzeuger versprachen.

Im Spätsommer 2006 überschattete der "Gammelfleisch"-Skandal den halben Kontinent. Vor allem in Deutschland wurden hunderte Tonnen verdorbenes Fleisch sichergestellt. Mehrere Tonnen gelangten auch über die Grenze nach Österreich und wurden - zumindest teilweise - verzehrt. Kriminalisten beschlagnahmten besonders in Bayern große Mengen Fleisch, die umetikettiert und bei denen die Haltbarkeitsdaten geschwärzt bzw. überklebt worden waren.

Anfang 2009 startete die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) eine Schwerpunkt-Untersuchung zum Thema "Analogkäse". Dabei handelte es sich um Produkte ohne echte Milch. Bei der Inhaltsangabe muss nämlich der am meisten verwendete Bestandteil zuerst genannt werden, die restlichen folgen in absteigender Reihenfolge. Typische Angabe für einen unechten Käse: Wasser, Fett, Eiweißerzeugnis, Stärke usw. Bei echtem Käse beginnt die Aufzählung mit Roh- bzw. pasteurisierter Milch. Achten sollte man diesbezüglich auf die Angabe "F.i.T." für "Fett in Trockenmasse", die nur für Milchprodukte verwendet werden darf. Besonders wichtig: Wenn auf der Zutatenliste Milch nicht als erster Bestandteil angeführt wird, handelt es sich nicht um echten Käse.

Etwa zur selben Zeit tauchte auch der Begriff "Schummelschinken" auf der Bildfläche auf. Dabei handelt es sich um Schinken mit zu hohem Wasseranteil und zu vielen beigemengten Bindemitteln. Das im Großhandel als "Pizzablock" bekannte Lebensmittel ist laut Konsumentenschützern keineswegs gesundheitsschädlich, sollte jedoch nicht als Schinken bezeichnet werden dürfen.

Juli 2009: Der Verein für Konsumentenschutz (VKI) testete in Supermärkten Zitronensäfte, Fleischprodukte, Erdbeerjoghurt, Pesto, Garnelen und Schafskäse - mit teils erschreckenden Ergebnissen. Denn sowohl bei Billig- als auch für Markenprodukte stellte sich heraus, dass der Inhalt nicht notwendigerweise mit den Versprechungen auf der Verpackung übereinstimme. So bestanden die angepriesenen Garnelen zum Teil vollständig oder zu einem großen Prozentsatz aus Surimi.

Probleme machten auch Chicken Nuggets, Schnitzel oder Rindsrouladen. Die Fertig-Produkte bestanden nämlich aus Formfleisch. Und das entsteht so: Geschnittenes, walnussgroßes Muskelfleisch wird gewürzt, bevor es unter Druck in Form zu einem scheinbar natürlich gewachsenen Fleischstück zusammengefügt wird. Auch hier monierten die Verbraucherschützer: Diese Produkte seien nicht gesundheitsschädlich, doch führe die viel zu kleine Kennzeichnung und die damit verbundene mögliche Täuschung die Konsumenten in die Irre.

Die britische Lebensmittelaufsicht hatte diese Woche noch eine Draufgabe zum Lebensmittelskandal parat: Fleisch von acht Pferden, die mit dem Medikament Phenylbutazon behandelt wurden, könnte in die Nahrungsmittelkette gelangt sein.

Die geschlachteten Tiere sollen von Großbritannien nach Frankreich exportiert worden sein. Die britischen Behörden stufen das Gesundheitsrisiko für Menschen, die das Fleisch der gespritzten Pferde konsumieren, als gering ein. Fest steht, dass dieser Wirkstoff in der Lebensmittelproduktion verboten ist. Phenylbutazon wird bei Pferden als Dopingmittel verwendet, bei Menschen kommt es bei der Behandlung von Rheuma oder Gichtanfällen zur Anwendung.

Welche Arzneimittel zulässig sind, wird zunächst auf EU-Ebene geregelt. „In einem zweiten Schritt regelt auf nationaler Ebene das österreichische Tierarzneimittelkontrollgesetz, welche Mittel erlaubt sind“, erklärt Fabian Fußeis, Sprecher des Gesundheitsministeriums. Zudem gibt es jährlich Rückstandskontrollen. „Durchschnittlich 0,5 Prozent der Proben sind gesundheitsschädlich“, weiß Fußeis aus der Statistik.

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