Fleischbeschau in ganz Europa

Bis zu 29 Prozent Pferdefleisch wurde in Burgern entdeckt
Nach dem europaweiten Skandal um Pferdefleisch zieht jetzt auch in Österreich die Lebensmittelbehörde Proben.

Pferdefleisch, das als Rindfleisch deklariert ist, beschäftigt nun auch die österreichischen Behörden. „Wir starten eine Schwerpunktaktion“, kündigt Carolin Krejci, Leiterin der Abteilung Lebensmittelrecht, -gesundheit und -sicherheit im Gesundheitsministerium an. „Ab sofort werden Tiefkühlprodukte aus Rindfleisch kontrolliert.“ Alle Verteilzentren in ganz Österreich werden unter die Lupe genommen. Die gezogenen Proben werden dann überprüft. „Ende nächster Woche sollen die ersten Ergebnisse vorliegen“, erwartet Krejci. Vergangene Tests haben gezeigt, dass nur ein geringer Teil der Proben beanstandet wurde.

Begonnen hatte der Fleischskandal Mitte Jänner in Irland: Pferdefleisch-Spuren wurden in Produkten mit dem Aufdruck Rindfleisch gefunden. Heute suchen Konsumenten tiefgekühlte Lasagne und Spaghetti Bolognese in britischen Aldi- und Tesco-Supermärkten vergebens. Die Kühltruhen sind geräumt worden, nachdem in Rindfleisch-Produkten des europäischen Lebensmittelkonzerns Findus (beliefert von dem französischen Tiefkühllieferanten Conigel) Pferdefleisch entdeckt wurde. Auch in Frankreich und Schweden wurden Produkte aus dem Handel genommen.

Die AGES ( Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) hat ausgeschlossen, dass Österreich von den kontaminierten Produkten betroffen sein könnte. „Nach derzeitigem Stand wissen wir, dass es für die Produkte von den betroffenen Firmen keinen Vertriebsweg nach Österreich gibt“, sagt AGES-Sprecherin Elisabeth Publig. Sie beruft sich auf das Europäische Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel (RASFF), das von der Europäischen Kommission betrieben wird und Handels- und Vertriebswege aufzeigt.

Allerdings war auf der Homepage des Lieferanten Conigel noch bis Juli 2012 zu lesen, dass auch nach Österreich geliefert wurde, berichtete das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel.

Skandal weitet sich aus

Fleischbeschau in ganz Europa
A customer enters an Aldi supermarket displaying a recall sign for products where horsemeat was detected, in northwest London February 9, 2013. The French government promised on Saturday to punish those found responsible for selling horsemeat in beef products at the heart of a growing scandal that started in Britain but is quickly spreading to France. REUTERS/Suzanne Plunkett (BRITAIN - Tags: FOOD POLITICS BUSINESS AGRICULTURE ANIMALS)

Was als Etikettenschwindel begann, hat sich zu einemeuropaweiten Lebensmittelskandal entwickelt. Die britische Lebensmittelaufsicht ordnete Tests an allen Fertigmahlzeiten an, die laut Verpackung Rindfleisch enthalten, auch in Deutschland prüft die Verbraucherschutzbehörde. „Wir planen eine Schwerpunktaktion, um speziell Hamburger zu überprüfen“, sagte der Sprecher der Behörde, Rico Schmidt.

Noch nicht geklärt ist laut NZZ die gesundheitliche Dimension: Das entzündungshemmende Mittel Phenylbutazon, das Pferden routinemäßig verabreicht wird, habe höchst schädliche Nebenwirkungen, schreibt die Neue Züricher Zeitung: Bis jetzt sei es jedoch in den betroffenen Produkten noch nicht nachgewiesen worden.

Großbritanniens Umweltminister Owen Paterson schließt nicht aus, dass es sich „um ein grenzüberschreitendes kriminelles Komplott in betrügerischer Absicht“ handelt. Paterson sprach von Betrug am Verbraucher. Die schwedische Lebensmittelaufsicht ermittelt bereits gegen den Tiefkühlkonzern Findus, dieser hat wiederum eine Betrugsklage gegen „unbekannt“ angekündigt.

In England ein Tabu

Während in Großbritannien und Irland, wo der Skandal seinen Ausgang genommen hat, der Verzehr von Pferdefleisch tabu ist, hat er in Österreich Tradition. „In Österreich ist Pferdefleisch ein hochwertiges Produkt, das teilweise sogar teurer ist als Rindfleisch“, sagt Margret Gumprecht, Pferdefleischhauerin in Enns in Oberösterreich.

Fleischbeschau in ganz Europa
A horse reacts in the pasture during Montana Horses' annual horse drive outside Three Forks, Montana, May 6, 2012. The Mantle family, who own Montana Horses, held their last horse drive where they rounded up approximately 300 horses and drove the herd 35 miles from their winter range to the Mantle ranch. The horses will be picked up by leasers to be used as pack and trail horses at dude ranches and national parks. Photo taken May 6, 2012. REUTERS/Jim Urquhart (UNITED STATES - Tags: ANIMALS SOCIETY)

700 bis 800 Pferde werden in Österreich jährlich geschlachtet. Einen eigenen Pferdeschlachthof gibt es gar nicht mehr. Das Pferdefleisch wird nicht exportiert, sondern vor Ort verarbeitet, vorwiegend zu Pferdeleberkäse, der als Delikatesse gilt.

Pferdefleisch

Gesundheitsgefahr

Tausende Menschen haben unwissentlich tiefgekühltes Pferdefleisch gegessen, etwa als „Pferdeburger“, die in Großbritannien, Spanien und Schweden aufgetaucht sind. Die Gesundheitsbehörden sind alarmiert. Viele Tiere dürften mit Medikamenten behandelt worden sein, zum Beispiel mit dem Wirkstoff Phenylbutazon, der gegen Schmerzen und Fieber hilft und im Rennsport eingesetzt wird. Bei Menschen kann er zu Magenentzündungen oder sogar -blutungen führen.

Eisenreich, aber vitaminarm

Dem Ruf von Pferdefleisch kann der Skandal wenig anhaben, der ist schon schlecht seit Papst Gregor III. den Verzehr 732 verboten hat. Dabei hat Pferdefleisch Vorzüge: Es ist mager und eisenreich. Eisen ist Bestandteil des Blutfarbstoffs Hämoglobin, mit dem Sauerstoff im Körper transportiert wird. Der Fettgehalt beträgt zwischen drei und 16 Prozent. Es enthält allerdings nur wenige Vitamine.

Die Konsumenten sind empört über die lückenhafte Kennzeichnung von Lebensmitteln. Beuc, die europäische Verbraucherschutzorganisation in Brüssel, hat im Jänner Konsumenten in Österreich, Frankreich, Polen und Schweden befragt. Ergebnis: Sechs von zehn wollten genau wissen, wo die Tiere, die sie essen, gehalten, gemästet und geschlachtet, wo Karfiol oder Salat angebaut wurden. Für 70 Prozent europäischer Konsumenten ist die Herkunft der Ware eine wichtige Information.

Ananas aus Afrika

Dieses Informationsbedürfnis wird bei Fertigprodukten nicht befriedigt, sagt Birgit Beck vom Verein für Konsumenteninformation (VKI). „Auf Ananas-Dosen, die in Afrika hergestellt werden, steht zwar das afrikanische Herkunftsland. Aber sobald die Ananas oder die Fische in die EU geliefert und hier einge­dost wurden, steht als Herkunftsbezeichnung nur noch der Name der Firma, die das Produkt auf den Markt bringt, zum Beispiel: Findus, U.K.“Das Argument, es sei viel zu aufwendig, jeden Inhaltsstoff eines Fertigprodukts aufzuschlüsseln, lässt Beck nicht gelten: „Es gibt für jedes Produkt wertbestimmende Inhaltsstoffe, bei der Lasagne sind das Nudeln, Paradeiser und Fleisch. Für diese drei sollten exakte Herkunftsangaben möglich sein.“

Der Pferdelasagne-Skandal: Ist irgendwer überrascht über das Beef, das in Wirklichkeit Pony ist? Eher nicht. Warum nicht? Weil das jahrelange Reden, Schreiben, Lesen und Streiten übers Essen schließlich doch verfangen hat und so etwas wie eine Nahrungsaufklärung stattfand. Weil die Slow-Food-Bewegung, Filme wie „Feed the World“ oder „Food Inc.“, die Debatten über Vegetarismus und Veganismus und all die Kochsendungen von Jamie Oliver und Co. zumindest eines bewirkt haben: Kaum jemand kann mehr behaupten, keine Ahnung zu haben, wie und unter welchen Bedingungen das hergestellt wird, was wir täglich essen. Wie Landwirtschaft industrialisiert wird, wie Pflanzen manipuliert, wie Tiere gehalten werden. Wie weit Nahrung reist. (Obwohl, das war doch wieder überraschend: Die Skizze, die aufzeigte, wie lange, weit und wo überall dieses Fleisch tatsächlich unterwegs war, das schließlich als „Rindfleisch“ in der Fertig-Lasagne landete. Wie weit also verderbliche Nahrung durch die Welt reist und durch die Hände wie vieler Zwischenhändler und Um-Verpacker sie geht, bis sie auf unserem Teller landet.)

Der Schreck darüber, dass das möglich ist, ist so oder so vollkommen verlogen. Es ist darum möglich, weil wir es nicht nur zulassen: Wir wollen und wir bestellen es. Die Entscheidung, ob wir akzeptieren, dass unsere Nahrung Stoffe, Chemikalien und oft sogar Gifte enthält, treffen wir jeden Tag: Was gekauft wird, wird gewollt, wird weiterproduziert. Was nicht, das nicht.

Jedes Mal, wenn wir eine Diskont-Fertig-Lasagne, eine Industriesalami, eine Familienpackung Tiefkühlhühnernuggets oder spanische Industriegurken bezahlen, erklären wir damit: Stellt das weiterhin her, wir wollen das. Quält weiter Hühner in Käfigen, hackt ihnen die Schnäbel ab, mästet Schweine in winzigen Kobeln, streut Gift auf die Felder, überzieht Landschaften mit Plastikfolie, lasst Pflanzen auf gedüngter Watte wachsen: Ist okay mit uns, Hauptsache billig und schnell. Wir können das ändern. Wollen müsst ma’s.

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