Mit Christine Asperger hatte die OMV erstmals eine Frau an der Spitze ihres Betriebsrats. Nach heftigen internen Querelen sowie einer von OMV-Chef Rainer Seele angeordneten Untersuchung der Compliance-Abteilung verließ Asperger das Unternehmen und legte auch ihr Mandat bei der ÖBAG zurück.
ÖBAG-Aufsichtsratschef Helmut Kern erwartete, dass eine Frau nachfolgen werde. Da man in der ÖBAG genauso wie bei den Beteiligungsunternehmen „höchste Corporate Governance Standards“ anwende, gehe er davon aus, dass eine Frau nominiert werde, sagte Kern kürzlich. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Frauenquote für Unternehmen mit Bundesbeteiligung auf 40 Prozent erhöht wird.
Auf dem ÖBAG-Mandat von Asperger sitzt jetzt allerdings Herbert Lindner, Zentralbetriebsratschef Down Stream (Raffinerie). Ausgerechnet jener Mann, dem im Unternehmen immer wieder abschätzige Bemerkungen über Frauen nachgesagt werden. Außerdem wird ein freundschaftliches Du-Verhältnis zu Seele kolportiert. Lindner war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Wie konnte es aber überhaupt soweit kommen?
Unter den einzelnen Belegschaftsvertretungen des Konzerns herrscht, ähnlich wie bei der Telekom, wo die Hackeln ebenfalls tief fliegen, nicht gerade ein freundschaftliches Klima. Lindner rief zuerst sich selbst zum Nachfolger von Asperger aus, meinte dann aber, dass sich der Konzernbetriebsrat aufgelöst habe. Was nicht ganz klar ist. Jedenfalls beanspruchte Lindner als Vorsitzender des größten Teilbetriebsrates den ÖBAG-Sitz.
Der ÖBAG, die dazu rechtliche Expertise einholte, wäre vermutlich lieber gewesen, den Posten vorläufig vakant zu lassen. Doch das verbietet das ÖBAG-Gesetz. Auch die ÖBAG wollte dazu keine Stellungnahme abgeben.
Wie es derzeit aussieht, könnte doch noch eine Frau den Job bekommen – irgendwann einmal. Lindner hat eine schriftliche Erklärung abgegeben, den Posten nur solange zu behalten, bis sich der Konzernbetriebsrat neu konstituiert habe und eine Frau entsendet werde. Ein derartiges Commitment dürfte Seltenheitswert haben. Das absurde Theater wird noch andauern, die nächste Hauptversammlung der ÖBAG ist erst für Mai 2021 geplant. Man darf gespannt sein.
Im Top-Management des Konzerns könnte es bald zu einer Veränderung kommen. Die Petrochemie-Gruppe Borealis, an der die OMV nun 75 Prozent hält, sollte unter Downstream-Vorstand Thomas Gangl angehängt werden.
Doch derzeit wird im Unternehmen überlegt, dass es sinnvoller wäre, Borealis-Chef Alfred Stern hinauf in den OMV-Vorstand zu holen. Borealis ist die Cash-Cow der OMV. Bedeutung und Größe des internationalen Kunststoff- und Düngemittelherstellers würden einen Vertreter im Konzernvorstand durchaus rechtfertigen. Die OMV steht vor der Transformation von einem nicht mehr zukunftsträchtigen Öl- und Gasunternehmen in Richtung Petrochemie.
International ist es bei M&A Usus, dass der CEO einer so schwergewichtigen Beteiligung in den Konzernvorstand aufrückt. Stern liefert Top-Ergebnisse und genießt ebenso wie sein Vorgänger Mark Garrett international hohes Renommee. Dass Garrett seit kurzem Aufsichtsratschef der OMV ist, könnte den Aufstieg von Stern erleichtern.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat nun eine Anzeige gegen die OMV bzw. gegen Seele in Zusammenhang mit der Borealis-Übernahme zurückgelegt. Die Sachverhaltsdarstellung war Ende August über das Whistleblower-System der WKStA eingegangen.
„Mangels Anfangsverdacht wird kein Ermittlungsverfahren eingeleitet“, bestätigt Oberstaatsanwalt René Ruprecht gegenüber dem KURIER. Die anonyme Sachverhaltsdarstellung zeugte ähnlich wie die Casinos-Anzeige von Insiderwissen, doch strafrechtlich war die Suppe zu dünn. Wegen der Größenordnung des Deals von rund vier Milliarden Euro und des öffentlichen Interesses wurde die Causa als berichtspflichtig eingestuft. Die Oberstaatsanwaltschaft prüfte und bestätigte den Vorhabensbericht der WKStA.
Seele war vorgeworfen worden, für Borealis um eine Milliarde Euro zuviel gezahlt zu haben, er hatte dies immer zurückgewiesen.
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