Panasonic: Fast tot geglaubt – und neu erstanden

Panasonic: Fast tot geglaubt – und neu erstanden
Wie sich der japanische Elektronikriese aus der Krise befreite. Und warum die Fußball-WM „ein Wahnsinn“ ist

Die Weltmeisterschaft ist ein Härtefall – nicht nur für Fußball-Verweigerer, sondern auch für die Händler. „Was sich im Preisgefüge bei TV-Geräten derzeit abspielt, ist ein Wahnsinn“, sagt Kai Hillebrandt. Verdienen lasse sich an den Schnäppchen nichts: „Diese Aggressivität tut auch den Fachhändlern nicht gut.“

Hillebrandt ist seit April 2018 beim japanischen Elektronikriesen Panasonic für die Region Deutschland, Österreich, Schweiz und Niederlande zuständig. Es ist die zweitgrößte Region für Unterhaltungselektronik im Konzern, noch vor Nordamerika, Indien oder China.

Panasonic: Fast tot geglaubt – und neu erstanden

Kai Hillebrandt, Panasonic-Chef für die Region DACH+NL

In Österreich sieht Hillebrandt noch Luft nach oben – speziell bei OLED-TV-Geräten und spiegellosen Systemkameras, wo der Marktanteil nach Eigenangaben bei je 10 Prozent liegt. Statt auf Rabattschlachten online oder im Geschäft setze man auf Händler, die das Besondere der Geräte erklären können.

Aber gibt es die denn noch, nach dem harten Verdrängungskampf durch die Media-Saturn-Gruppe und den Online-Boom? „Die Zeiten sind schwierig, gerade bei solchen Events“, sagt Österreich-Verkaufsleiter Georg Kink. „Aber jene Fachhändler, die die vergangenen 15 Jahren überlebt haben, gehören zu den Starken, die Nischen besetzt haben und damit erfolgreich sind.“

Überleben ist ein gutes Stichwort. Panasonic feiert 100-Jahre-Jubiläum – dabei war vor wenigen Jahren nicht so sicher, ob es den „Runden“ erleben würde. Oft war das Unternehmen auf der Gewinnerseite (VHS, Blu-ray) gestanden. Mit der Plasma-TV-Technologie hatte man sich wegen des hohen Stromverbrauchs gegen die Billig-Konkurrenz aus Südkorea und China in die Sackgasse manövriert – ähnlich wie Mitbewerber Sony. In den zwei Geschäftsjahren 2011 und 2012 summierten sich die Verluste auf umgerechnet fast 15 Milliarden Euro. 2014 kam das Aus für Plasma. Panasonic musste gesundschrumpfen und auf profitablere Bereiche fokussieren.

„Wir haben schwere Zeiten erlebt, uns aber sensationell berappelt“, sagt Hillebrandt heute. Was seit ungefähr zwei Jahren auch die Aktionäre honorieren. Der Börsenkurs hat sich vom tiefen Absturz erholt.

Tesla ist nicht alles

Das Erstaunliche: Panasonic hat kaum eines seiner Geschäftsfelder ganz aufgegeben. Sogar Smartphones werden weiterhin produziert, obwohl man keine Aussicht auf eine dominante Marktstellung hat. „Wir scherzen manchmal selbst über unseren Bauchladen an Produkten“, sagt Hillebrandt. „Aber das alles erfüllt wichtige Funktionen im Leben unserer Kunden.“ Und die Vielfalt mache zugleich eine Stärke des Unternehmens aus: Die Sensoren, Kameras oder Elektrobauteile können nämlich in ganz unterschiedlichen Konzern-Bereichen gebraucht werden. Im Heimmarkt Japan, wo der Konzern allgegenwärtig ist und ungefähr die Hälfte des 61-Milliarden-Euro-Umsatzes erzielt, gibt es sogar Häuser und Inneneinrichtungen zu erwerben. Bis hin zum Panasonic-Teppich.

Was weniger bekannt ist: Der Konzern reiht sich mittlerweile unter die großen Automobilzulieferer ein. Ein Wachstumsfeld ist aktuell die Batterietechnik, besonders durch die Kooperation mit Elektro-Autopionier Tesla, der in der Wüste von Nevada (USA) spektakuläre Batterien-Gigafactories errichtet hat. Aktuell produziert Tesla mehr Negativschlagzeilen als Autos – Grund zur Sorge? Nein, das Autobusiness sei breit aufgestellt, heißt es bei Panasonic: Auch mit Toyota gibt es einen Batterien-Deal, darüber hinaus werden etwa elektronische Cockpits, Sensoren, Rückspiegel und Kondensatoren für Autohersteller produziert.

Blick in Kristallkugel

Und, sehr japanisch: Getreu der Philosophie von Gründer Konosuke Matsushita (1894 – 1989), der in der Heimat als Managementguru verehrt wird, richtet man den Blick 100 Jahre nach vor: Intelligenten Städte soll die Zukunft gehören (Story unten).

Panasonic: Fast tot geglaubt – und neu erstanden

Wenn das Haus schlauer ist als seine Bewohner

Die Zukunft  des Wohnens – 50 Kilometer vor Tokio kann man sie schon heute erleben. In Fujisawa ist unter der Ägide von Panasonic auf einem aufgelassenen Fabriksgelände ein Stadtteil für bis zu 1000 Haushalte entstanden, der alle Stückeln spielt.  Alle Dächer sind mit Photovoltaik bestückt, die Häuser mit Energiespeichern  versehen – alles in allem eine Leistung von 100 kW. Die Häuser, Straßen und sogar Bäume sind so angeordnet, dass die Luftzirkulation und der   Lichteinfall optimiert sind, womit der Kühl- und Heizbedarf sinkt.

Sparsamkeit ist generell großgeschrieben: Die Straßenleuchten werden nur heller, wenn jemand vorbeigeht. Im Gegenzug sollen 50 öffentliche Kameras  das Sicherheitsgefühl erhöhen. Ein virtuelles Zutrittssystem sorgt für Kontrolle ohne Aufwand.

Ebenso wichtig wie  die Technologie ist freilich die Vernetzung.   Als Kommunikationszentrale fungieren Smart-TV-Gerät oder Handy. Dort hat jeder Bewohner seine Energiebilanz im Blick. Oder es kündigt sich ein Paket im Abholzentrum an, das der Empfänger zum gewünschten Ort umdirigieren kann: Kurze Wege. Ein stadtteil-eigener Carsharing-Dienst stellt E-Autos bereit. Das Begegnungszentrum  ist Veranstaltungshalle, Spielplatz und Zufluchtsort, falls sich Erdbeben ankündigen.

Panasonic könne so mehr über die Bedürfnisse und Lebensstile der Menschen erfahren, sagt Kai Hillebrandt. So könne man aus Japan viel über die „Vergrauung der Gesellschaft“ – die demografische Alterung – lernen.

Sensor schlägt Alarm

Die Erkenntnisse fließen in andere Projekte in Denver (USA), Lyon (F) oder das generationenübergreifende Projekt „Future Living“ in Berlin Adlershof ein, wo 69 Smart Homes entstehen. Ziel ist es, dass ältere Menschen länger in ihrem Eigenheim bleiben können.  

Da geht es nicht um den treuherzig blickenden Pflegeroboter, sondern um praktische Dinge: Etwa, dass Küchen so gestaltet sind, dass gebrechlichere Menschen im Sitzen  kochen können. Oder das Bett, das sich auf Knopfdruck in einen Rollstuhl verwandelt – eine Panasonic-Erfindung.

Oder darum, dass Sensoren erkennen, wenn ein Mensch kollabiert ist und Hilfe rufen. Das braucht ganz neue Kooperationen – vom Stromanbieter über den Versicherer bis zum  Rettungsdienst.

Auch Panasonic setzt übrigens auf Sprachsteuerung und intelligente Lautsprecher. Wer sich davor fürchtet, ausgehorcht zu werden, sollte auch sein Handy besser nicht ins Schlafzimmer mitnehmen rät Österreich-Verkaufsleiter Georg Kink. Und für alle Fälle hat der Panasonic-Assistent ein ganz altmodisches Feature integriert: einen Abschaltknopf.

 

Kommentare