Palfinger-Vorstand: "Die meisten Sorgen macht uns Europa"
Der frühere BMW-Manager Alexander Susanek ist seit Juli im Palfinger-Vorstand. Im KURIER-Interview spricht er über den Standort Österreich und die „zu hohen“ Forderungen der Gewerkschaft bei den Metallerverhandlungen, die am Montag fortgesetzt werden.
KURIER: Sie haben fast drei Jahre lang, bis Herbst 2022, das BMW-Motorenwerk in Steyr geleitet. Was hat Sie motiviert, vom deutschen Autobauer zum Salzburger Kranhersteller Palfinger zu wechseln?
Alexander Susanek: Erstens gefällt es mir in Österreich gut und zweitens ist Palfinger ein tolles Unternehmen und als Weltmarktführer hervorragend positioniert. Wenn man das Angebot bekommt, als Vorstand so ein Unternehmen mitzugestalten, ist das eine tolle Herausforderung. Das hat mich getrieben und gelockt. Es war nicht so, dass ich von BMW wegwollte.
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Sie sind in einem für Palfinger sehr guten Geschäftsjahr in das Unternehmen gewechselt. Wieso läuft es so gut?
Wir haben nach der Pandemie in den letzten ein bis zwei Jahren eine starke Nachfrage erlebt, von der wir bis jetzt profitieren. Wir haben die Preise erhöht, um die gestiegenen Kosten zu kompensieren. Und in den letzten Monaten waren die Energie- und Transportkosten wieder rückläufig, auch das hat uns geholfen. Wir sehen aber leider auch, dass der Auftragseingang sich etwas abgeschwächt hat, und wir spüren die Abkühlung in vielen unserer Märkte. Insofern wird 2024 ein sehr herausforderndes Jahr.
In welchen Bereichen haben sich die Aufträge besonders abgeschwächt?
Das ist regional sehr unterschiedlich. Die meisten Sorgen macht uns Europa. Die Bauindustrie leidet sehr stark unter der Inflation und den gestiegenen Zinsen. Entsprechend zögerlich ist die Industrie bei der Bestellung neuer Krane. Und der Ladekran ist eines unserer wichtigsten Produkte. Erfreulicherweise sehen wir in anderen Regionen, insbesondere in Nordamerika, ein solides Wachstum, auch im nächsten Jahr. Und dort wollen wir in den zukünftig auch am stärksten wachsen.
Um wie viel konkret?
Bis 2027 wollen wir von aktuell 25 Prozent des Umsatzes auf ein Drittel beziehungsweise von 500 Millionen auf eine Milliarde Euro kommen. Das ist ein steiles Wachstum. Und es ist sehr realistisch, weil sich der Markt sehr gut entwickelt. Aktuell machen wir 60 Prozent unseres Umsatzes in Europa. Asien spielt noch keine so große Rolle, wobei Indien ein sehr interessanter Markt ist.
Wie sieht es mit Osteuropa aus?
Dort sind wir über zahlreiche Vertriebspartner aber auch mit Produktionsstandorten, von Polen über Kroatien bis nach Bulgarien und Rumänien, präsent. Und in Serbien werden wir bald ein neues Werk eröffnen. Als produzierendes Unternehmen spielt die Kostenstruktur an den Standorten eine entscheidende Rolle und es ist bekannt, dass z.B. die Lohnkosten in anderen Ländern deutlich niedriger sind als in Österreich. Die Qualität der Arbeit, die man dort bekommt, ist heute auf vergleichbarem Niveau.
Das Russlandgeschäft hat Palfinger ja abgespalten. Wie wird das bilanziell gehandhabt?
Die Gesellschaft operiert total autark. Einzig die Finanzberichterstattung bleibt aufrecht. Wir nehmen keinen Einfluss und erfüllen selbstverständlich alle Sanktionen. Es findet keine direkte Gewinnausschüttung statt.
Wie schwierig ist es, Fachkräfte zu finden?
Es wird schwieriger, aber wir profitieren von der guten Marke Palfinger, vom Standort Österreich und den gebotenen Sozialleistungen. Um Lehrlinge herrscht inzwischen ein intensiver Wettbewerb. Daher investieren wir sehr viel in die beste Ausbildung. Wir haben dieses Jahr in Lengau einen Campus für 18 Lehrberufe für aktuell 140 Lehrlinge eröffnet. Und wir versuchen das österreichische Ausbildungssystem auf andere Standorte wie Rudong in China zu übertragen. Der Erfolg kann sich sehen lassen: Neun von zehn Lehrlingen, die bei uns abschließen, bleiben langfristig im Unternehmen.
Wie sehr ist Work-Life-Balance ein Thema, vor allem bei jungen Menschen?
Da gibt es sehr große Unterschiede bei jungen Leuten. Ich habe viele kennen gelernt, die sehr motiviert sind und eine hohe Leistungsbereitschaft haben. Natürlich wird es schwierig, wenn der Wunsch nach Arbeitszeitverkürzung da ist. Denn die Zeiten, wo wir deutlich produktiver und besser ausgebildet sind als andere, die sind leider vorbei. Und wenn das Gefälle in der Arbeitszeit und beim Lohnniveau zu groß wird, dann wird es schwierig, den Standort Österreich attraktiv und die Beschäftigung hier zu halten. Das ist aber wichtig, weil die Industrie eine wesentliche Stütze unseres Wohlstandes ist. Auch im Umfeld entsteht viel Folgebeschäftigung. Wenn wir das nicht aufrecht erhalten können, werden wir es irgendwann auch in unserem Wohlstandsniveau spüren.
Wie beurteilen Sie die Lohnforderungen der Gewerkschaft?
Für produzierende Industriebetriebe in Österreich ist die Situation mehr als herausfordernd.
Ziel aller Kollektivvertragsverhandlungen ist es, Einigungen zu erzielen, die beiden Seiten gerecht werden. Aus meiner Sicht als Arbeitgeber sind die Forderungen zu hoch. Wird das Lohnniveau im Verhältnis zu anderen Ländern zu groß, wird es für jeden Unternehmer schwer, hier Beschäftigung auszubauen oder zu halten. Denn Alternativen gibt es. Der ständige sehr hohe Anstieg der Löhne kann nicht so weitergehen. Es ist daher richtig, intensivere Verhandlungen zu führen und ein gewisses Konfliktpotenzial auszuhalten. Denn am Ende ist es für uns alle wichtig, wettbewerbsfähig zu bleiben, sonst wird ein Erhalt der Arbeitsplätze hier zunehmend schwieriger.
Was heißt das konkret für das weitere Engagement von Palfinger in Österreich?
Wir haben in den letzten Jahren sehr intensiv in die österreichischen Standorte investiert, jedoch ist es Tatsache, dass die Kosten am Standort Österreich sehr hoch sind. Es ist nicht so, dass wir kein Vertrauen in den Standort haben. Aber natürlich wird das unsere Zukunftsentscheidungen beeinflussen, wo wir Produktion ansiedeln. Alles andere wäre unternehmerisch nicht zu verantworten. Das Wachstum wird voraussichtlich eher woanders stattfinden.
Wie bewerten Sie Europas Industriepolitik?
Im Vergleich mit anderen großen Wirtschaftsräumen macht es die europäische Wirtschaftspolitik den Unternehmen nicht unbedingt leicht. Es gibt viel Bürokratie und hohe Auflagen, Dinge dauern lange. Wir fesseln uns teilweise selbst, während andere Länder wie die USA sehr pragmatisch agieren. Wenn das so bleibt, werden wir gegenüber anderen Wirtschaftsräumen weiter zurückfallen.
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Wie sehr beeinflusst der Green Deal und ähnliches Ihre Geschäfte?
Dass wir alle unseren Beitrag gegen den Klimawandel leisten müssen, ist völlig unbestritten. Aber wenn wir deutlich höhere Maßstäbe als andere ansetzen und uns damit Einschränkungen auferlegen, die andere nicht haben, dann wird unsere Wettbewerbsfähigkeit logischerweise darunter leiden. Und das sehen wir gerade.
Alexander Susanek
Geboren 1975, begann Susanek seine Karriere bei MAN Trucks & Bus in München. 2014 wechselte er zu BMW. 2020 übernahm er die Leitung des BMW-Motorenwerks in Steyr. Im November 2022 ging der verheiratete dreifache Vater in die Münchner Zentrale zurück. Bei Palfinger ist er nun für Produktion, Forschung & Entwicklung, Einkauf sowie Lieferketten-Management zuständig.
Unternehmen
Der börsenotierte Palfinger-Konzern erzielte im Vorjahr mit 12.700 Mitarbeitern an 30 Standorten einen Rekordumsatz von 2,23 Mrd. Euro.
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