Übertourismus in Städten: Warum Eintrittsgelder ihn nicht verhindern

++ THEMENBILD ++ SALZBURG:
Prominente europäische Städte haben dem Übertourismus den Kampf angesagt. Doch nicht alle Maßnahmen sind auch vielversprechend.

Volle Straßen, überfüllte Plätze, genervte Einheimische - auch im heurigen Sommer überfluten vielerorts wieder massenhaft Touristen die europäischen Innenstädte. Venedig, Barcelona und Lissabon leiden etwa unter Übertourismus. 

Aber auch hierzulande werden die Besuchermassen zum Problem, so etwa in Hallstatt. Und auch in Wien steigt die Zahl der Besucher immer weiter an. Allein im ersten Halbjahr 2025 wurde mit 8,8 Millionen Gästenächtigungen ein neuer Rekord aufgestellt.

Viele Städte haben dem Übertourismus bereits vor Jahren (mehr oder weniger erfolgreich) den Kampf angesagt. Eine Lösung für das Problem zu finden, scheint aber weiterhin schwierig zu sein.

"Keine magische Formel" gegen Übertourismus

Das sieht auch Giacomo Salerno so. Er ist Wissenschaftler und forscht an der Universität in Siena (Italien) zu Massentourismus und seinen Folgen. Für ihn ist das Ziel klar: Die Zahl der Touristen muss in den stark besuchten Städten zurückgehen. Doch um dieses Ziel zu erreichen gebe es "keine magische Formel", wie er dem KURIER sagt.

Ein großes Problem stellt für ihn der Wohnraum in touristisch stark frequentierten Gegenden dar. Dieser diene immer weniger den eigentlichen Stadtbewohnern, sondern vermehrt nur noch den Urlaubsgästen. 

Die Kurzzeitvermietung von Wohnungen – etwa über Plattformen wie Airbnb – nennt Salerno „die größte Bedrohung für eine Stadt“, da sie die Preise nach oben treibe und reguläre Stadtbewohner so aus Touristenzentren vertreibe.

Salerno wünscht sich deshalb eine radikale Vorgehensweise, etwa durch restriktive Regelungen rund um die Kurzzeitvermietung. Auch der Verkauf von Wohnungen an Spekulanten und Touristik-Vermieter solle seines Erachtens erschwert werden.

Nur Einheimische können typische Stadtmerkmale erhalten

Denn Einheimische seien der "Schlüssel zur Bekämpfung von Übertourismus", sagt Salerno. Und nur dort, wo es sie noch gibt, könne auch die für die jeweilige Stadt typischen Merkmale bestehen bleiben. 

Das bestätigt auch Giovanna Marconi, die an der IUAV Universität Venedig zu Städten und Diversität forscht. "Es geht um das, was eine Stadt ausmacht", sagt sie dem KURIER. Ansonsten würden sich ganze Gegenden nur noch den Bedürfnissen von Touristen anpassen

Das zeige sich etwa in den italienischen Innenstädten: Dort befanden sich in den niedrigen Stockwerken vieler Häuser früher günstige Wohnungen. Mittlerweile wurde der Großteil zu Ferienwohnungen, Geschäften oder Cafés umfunktioniert. 

Die Infrastruktur für Einheimische wurde weniger, weswegen viele von ihnen das Zentrum verließen und ins Umland zogen. Um sie zurückzuholen und bestehende Anwohner zu halten, müssten die örtlichen Behörden Anreize schaffen, fordert Marconi.

Eintrittstickets für den Stadtbesuch in Venedig

Stattdessen verfolgen manche Städte ganz andere Pläne, um die Besucherzahlen zu senken. So etwa Venedig, wo Touristen für den Stadtbesuch seit 2024 Eintritt in Höhe von fünf bis zehn Euro bezahlen müssen. Auch für das vielbesuchte Hallstatt wurde zuletzt über Eintrittstickets und Zeitslots für Gruppen diskutiert. 

Salerno lehnt dieses Vorgehen ab: "Dadurch bewirbt man seine Stadt wie einen Freizeitpark." Auch sei diese Lösung demokratisch unfair, weil die finanzielle Situation des Einzelnen entscheidet, ob dieser einen Ort sehen dürfe, oder nicht.

Neben dem Senken der Besucherzahlen sei es für betroffene Städte genauso wichtig, bestehende Touristenströme zu lenken und Menschenmassen zu entzerren, erklärt Cornelia Dlabaja, Stiftungsprofessorin für nachhaltige Stadt- und Tourismusentwicklung an der Fachhochschule (FH) Wien der Wiener Wirtschaftskammer (WKW)

„Dafür muss man sich ansehen, an welchen Punkten Tagestouristen in eine Stadt gelangen und dort ansetzen“, sagt sie dem KURIER. Durch Messungen können die Bewegungen von großen Gruppen gemessen werden. 

Cornelia Dlabaja, FHWien der WKW

Cornelia Dlabaja, Stiftungsprofessorin an der Fachhochschule Wien der Wiener Wirtschaftskammer

Kreuzfahrtschiffe und große Reisebusse als Herausforderung

Städte können darauf dann etwa durch bauliche Maßnahmen reagieren. Das sei besonders bedeutend, wenn Kreuzfahrtschiffe oder große Reisebusse ankommen und sich die Straßen einer Stadt innerhalb kürzester Zeit mit einer großen Menge an Besuchern füllen.

Touristenströme können aber auch insgesamt zugunsten anderer Regionen verteilt werden. Dlabaja nennt Rotterdam als Positivbeispiel. Die niederländische Stadt wurde verstärkt beworben, um die Hauptstadt Amsterdam touristisch zu entlasten.

Auch für die Bundeshauptstadt findet die Expertin Lob. "Wien ist im europäischen Vergleich wirklich ein Best-Case-Beispiel." Zwar steigen die Besucherzahlen immer weiter an, doch die Stadt hat durch die strenge Reglementierung der Kurzzeitvermietung angemessen reagiert. 

Und auch das öffentliche Verkehrsnetz sei gut ausgebaut. Das könne eine Entzerrung ermöglichen und eine zu starke Konzentration der Menschenmassen verhindern.

Trotzdem gebe es von anderen Städten viel zu lernen, betont Dlabaja. Um den Austausch zu fördern hat sie für September erstmals eine Fachtagung zur nachhaltigen Tourismusentwicklung an der FHWien der WKW organisiert.

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