Online-Glücksspiel: Mr Green im Visier der Justiz
Ein wahrer Gentleman ist er, dieser Mr Green. Auf der Homepage liest man von Respekt, Ehre und persönlicher Verantwortung. Bedürftigen Personen würde Mr Green immer die Hand reichen. Ein Gutmensch also auch noch.
Und erst die Spieler. Sie sind selbstredend auch alle Gentlemen und Gentlewomen, bilden „die beste Gemeinschaft auf dem Planeten“, ehrgeizig, einfallsreich und abenteuerlich. Lebensverändernde Erfahrung winkt als Belohnung.
Die Erfahrung vieler Kunden unterscheidet sich allerdings gravierend von der eigenwilligen Darstellung des Testimonials des gleichnamigen Unternehmens.
Mr Green, auch Nicht-Zockern durch intensive TV-Werbung bekannt, ist einer der zahlreichen Anbieter von Casinos-Spielen in Österreich ohne Lizenz. Nur Online-Wetten, ein Teilbereich von Mr Green, sind hierzulande erlaubt. Das einzige legal tätige Unternehmen im Online-Glücksspiel ist die Casinos-Austria-Tochter win2day, die jedoch nur 33 Prozent Marktanteil hat. Während der teilstaatliche Monopolist Spielerschutzregeln unterliegt, gibt es bei der illegalen, nach Österreich herein spielenden Konkurrenz meist keine Limits. Bei den Online-Automaten von Mr Green können beispielsweise in einer halben Stunde über „Multispins“ bis zu 100.000 Euro eingesetzt werden, für einzelne Roulette-Tische müssen mindestens 10.000 Euro in der virtuellen Geldbörse sein.
Pechsträhne
Doch derzeit haben die Online-Casinos eine Pechsträhne. Tausende Spieler wollen mit Hilfe findiger Anwälte ihre Verluste zurück holen. Die Chancen stehen gut. Bis dato wurde noch kein Gerichtsverfahren verloren.
Viele Anbieter sind vergleichsbereit, berichten die Anwälte. Nicht so Mr Green. „Die sind die härteste Nuss von allen“, sagt der Salzburger Anwalt Johann Koman, der für einen Klienten mehr als 700.000 Euro erstritt. Koman musste den Betrag anschließend aber in Malta einklagen, „was sehr kompliziert und aufwendig ist“.Der Prozessfinanzierer Advofin hat 30 letztinstanzliche, vollstreckbare Urteile über drei Millionen Euro gegen Mr Green. Insgesamt sind 200 Ansprüche über sieben Millionen Euro eingeklagt, „und wöchentlich werden es mehr“, berichtet Advofin-Vorstand Gerhard Wüest.
Das Problem sei nur, wie an das Geld kommen. In Österreich ist anscheinend nichts (mehr) zu holen. Wüest hat einen bösen Verdacht: „Mr Green versucht, Vermögen aus Österreich zulasten unserer Kunden abzuziehen.“
Weshalb Advofin für zwei Geschädigte über die Kanzlei Thorstensen Frank eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt wegen des Verdachts auf Vollstreckungsvereitelung einbringen ließ. Gegen das Unternehmen sowie dessen Vorstände Patrick Joncker und Angelo Dalli.
Ermittlungsverfahren läuft
„Das Ermittlungsverfahren läuft bereits“, bestätigt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Markus Bauer. Das LKA Niederösterreich sei mit den Ermittlungen beauftragt worden.
Die Kunden von Mr Green können ihre Zahlungen über die Handyrechnungen abwickeln. Payment-Dienstleister dahinter ist die Firma D. Laut der Sachverhaltsdarstellung soll Mr Green das Vertragsverhältnis mit D. nach Einlangen der ersten Pfändung aufgelöst haben. Danach sei ein Großteil des Guthabens auf dem Konto bei der Firma D., das Mr Green für alle Zahlungsströme in Österreich verwendet habe, abgezogen worden. Es sei ein gutes Geschäftsfeld weggefallen, habe ein Mitarbeiter von D. noch bedauert.
„Hintergrund für das Abziehen der Vermögenswerte war, dass Mr Green sich mit einer Vielzahl von Spielerklagen in Österreich auseinandersetzen muss.“ Klagen, die das Unternehmen alle verloren habe oder noch verlieren werde, argumentiert Wüest.
Big Player
Mr Green ist einer der Big Player in Österreich. Im Vorjahr gab das Unternehmen rund 5,4 Millionen Euro für Werbung aus. Der Versuch von Advofin, auf die noch nicht ausgestrahlten Werbezeiten in privaten TV-Sendern zuzugreifen, misslang jedoch. Das Unternehmen sei nämlich nicht selbst Vertragspartner der Fernsehsender, sondern habe mehrere Gesellschaften zwischengeschaltet. „Eine klare Verschleierung der wahren Auftragsverhältnisse, um die Pfändung von Sendezeiten zu verhindern“, argwöhnt Wüest. Dazu läuft ein zivilrechtliches Verfahren.
Christoph Leitgeb von der Kanzlei Doralt Seist Csoklich und Anwalt von Mr Green, will das laufende Verfahren „nicht öffentlich kommentieren“. Mr Green habe „sicherlich keine strafbaren Handlungen gesetzt und die Geschäftsgebarung ordnungsgemäß geführt“.
Börsen-Beschwerde
Mr Green kommt von einer weiteren Seite unter Beschuss. Anwalt Karim Weber (G&L Rechtsanwälte), hat bereits die britische Börsenaufsicht informiert, Hill notiert in London.
Illegales Online-Gaming anzubieten, rechtskräftige Gerichtsentscheidungen zu ignorieren und deren Vollzug zu verhindern sei nicht mit der Kompliance eines börsenotierten Unternehmens vereinbar und verletze die Börseregeln, argumentiert Weber. Er hat 500 Verfahren gegen William Hill und Mr Green mit fünf Millionen Streitwert anhängig.
Für Advofin sind die Spielerklagen ein lukratives Geschäft. Bei einer außergerichtlichen Einigung behält sich der Prozessfinanzierer 19 Prozent ein, von einem gerichtlich erstrittenen Betrag 37 Prozent. Und die Gewinnchancen gegen illegal nach Österreich herein spielende Unternehmen sind eine sichere Bank.
Milliarden-Markt
Ende 2007 gründeten die schwedischen Unternehmer Fredrik Sidfalk, Henrik Bergquist und Mikael Pawlo Mr Green, registriert in Malta. 2019 Übernahme durch die börsenotierte britische William-Hill-Gruppe. Vor Kurzem wurde das Europa-Geschäft von Hill samt der Marke Mr Green um mehr als 2,5 Milliarden Euro an 888 Holdings verkauft, einen der weltweit größten Online-Anbieter. Mr Green darf in Österreich nur Sportwetten anbieten, nicht aber Glücksspiel. Wie so viele andere Anbieter argumentiert man, die Lizenz in Malta sei EU-weit gültig. Die österreichischen Gerichte und das Finanzministerium als oberste Glücksspielaufsicht sehen das anders.
Mr Green ist Mitglied in der Österreichischen Vereinigung für Wetten und Glücksspiel und auch im Vorstand vertreten. Im Verein sind jene Unternehmen versammelt, die in Österreich zwar illegal, also ohne Konzession, spielen lassen, aber Steuern bezahlen und seit Jahren die Vergabe weiterer Online-Lizenzen fordern. Sozusagen die Braven unter den Illegalen. Wie verträgt sich dies mit der Vorgangsweise gegenüber den Spielern, wollte der KURIER vom Verein wissen. Ddazu wollte man sich nicht äußern.
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