Reisen im Business-Jet, wochenlange Abwesenheit aus Österreich, Millionen-Sponsoring des Fußballklubs Zenit St. Petersburg – Rainer Seele, CEO des teilstaatlichen Öl- und Gaskonzerns OMV, hat Erklärungsbedarf. Und argumentiert, warum die Übernahme des Chemiekonzerns Borealis ein gutes Geschäft ist.
KURIER: Sie sind Mitte März zu Ihrer Familie nach Irland geflogen und erst nach Wochen zurückgekommen. Das Unternehmen ist in einer schweren Krise und der Chef wochenlang nicht auf der Kommandobrücke, das kam in der Belegschaft nicht gut an.
Rainer Seele: Ich kommentiere meine Privatreisen nicht, sondern stimme sie mit dem Aufsichtsrat ab. Der Großteil des Irland-Aufenthalts war das für uns alle verordnete Homeoffice. Außerdem war die OMV im März in keiner schweren Krise, sondern erzielte im ersten Quartal ein bereinigtes Ergebnis von 699 Millionen Euro.
Die Plattform dossier.at berichtet über Flüge mit Business-Jets, die Maschine sei auf dem Rückflug von Dublin in Kerry für einen privaten Aufenthalt zwischengelandet. War das öfter der Fall und haben Sie die Zwischenlandung privat bezahlt?
Privates wird privat bezahlt. Wenn jemand beispielsweise auf eine Roadshow nach New York fliegt und eine Woche privat anhängt, müssen alle privaten Bestandteile privat übernommen werden. Aber nochmals, meine Privatreisen sind mit dem Aufsichtsrat akkordiert, ich werde meine Reisepläne und Daten nicht offenlegen.
Die OMV fährt ein großes Kostensenkungsprogramm: Wo wird im Vorstand eingespart? Sie sagten in einem Presse-Interview über Boni, das Management könne nichts für die Corona-Krise.
Über Boni diskutiere ich nur mit dem Aufsichtsrat.
Die OMV sponsert Putins Lieblingsklub Zenit St. Petersburg, der Ex-Gazprom-Manager Medwedew ist dort Präsident. Wir verstehen ja, dass die OMV die Wiener Oper sponsert, aber Fußball in Russland? Was ist die Leistung dafür?
Wir haben in allen Ländern, wo wir aktiv sind, unterschiedliche Sponsorings in verschiedenen Bereichen. Wir verkaufen die Hälfte unserer Gasproduktion in Russland im Inland, 50 Prozent unseres Erdgases kommen aus Russland. Es geht um unser Image.
Die Neos kritisieren in einer parlamentarischen Anfrage die Höhe von 25 Millionen Euro. Stimmt der Betrag und werden Sie beim Sponsoring jetzt einsparen?
Wir geben grundsätzlich keine Vertragsdetails bekannt. Aber ich betone, alle unsere Kosten stehen auf dem Prüfstand. Das Maßnahmenpaket von über vier Milliarden Euro muss bis Ende 2020 umgesetzt werden.
Der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrates hat angeblich die interne Revision beauftragt, Ihre Reisen und das Sponsoring zu überprüfen.
Wir prüfen im Konzern regelmäßig die Einhaltung der Richtlinien – von allen Personen im Unternehmen.
Wir meinen keine Routineprüfungen, sondern einen speziellen Auftrag des Aufsichtsrates.
Ich kann nicht für den Aufsichtsrat sprechen.
Außerdem soll die Kanzlei Wolf Theiss undichte Stellen im Aufsichtsrat in Zusammenhang mit Informationen an Medien prüfen.
Werden kursrelevante Insider-Informationen rechtswidrig weiter gegeben, sind wir verpflichtet, zu prüfen.
Der politisch bestens vernetzte Tankstellen-Unternehmer Markus Friesacher hat heuer die OMV überraschend verlassen. Er war als Manager angestellt und galt als Ihr Vertrauter. Haben Sie ihn hinaus gekippt?
Wir sind im gegenseitigen Einvernehmen auf seinen Wunsch auseinandergegangen. Mich verbindet eine persönliche Freundschaft mit ihm, die davon nicht betroffen ist.
Zum Konzern: Die OMV hat ihren Anteil bei der Chemietochter Borealis auf rund drei Viertel erhöht. War das mit vier Milliarden Euro nicht viel zu teuer?
Die Finanzmärkte bestätigen uns, dass das ein fairer Preis war. Außerdem wird der Kaufpreis zweigeteilt. Die eine Hälfte zahlen wir bei Closing der Transaktion, die zweite bis Dezember 2021.
Und was ist der Plan hinter dem Deal?
Wir wollten zunächst in Indonesien oder anderswo in Asien eine Milliardeninvestition machen, haben das aber gelassen. Wir verfolgen jetzt eine klare Österreich-Strategie. Wir wollen die Raffinerie Schwechat zu einem integrierten Chemiestandort erweitern.
Aber sicher nicht nur aus Patriotismus?
Die Borealis war immer schon eine Perle im Konzern. Wir brauchen eine Antwort auf Öl und Gas. Und deshalb gehen wir in Richtung Chemie. Mit Verkaufsaktivitäten in 120 Ländern. Das bedeutet Internationalisierung. Und mehr Flexibilität.
Flexibilität? Inwiefern?
Über die Borealis holen wir uns unter anderem auch einen Recycling-Spezialisten. Und: die Borealis bedeutet eine Vorwärtsstrategie für die E-Mobilität. Denn E-Mobilität bedeutet weniger Kraftstoffe. Ohne Borealis würde das den Raffinerie-Standort Schwechat langfristig gefährden.
Und was ist mit dem Borealis-Standort Linz?
Mit dem Deal sichern wir auch die Düngemittelproduktion in Linz ab. Weil wir mit der Hereinholung der Borealis in die OMV eine Rückwärtsintegration des Düngemittelgeschäftes verfolgen können.
Was heißt das bitte?
Die Ertragskraft bei der Düngemittelproduktion hängt zusammen mit dem Erdgaspreis. Die OMV ist der größte Gaslieferant der Borealis. Sind die Erdgaspreise niedrig, sind in dem Bereich die Erträge natürlich niedriger. Aber bei der Düngemittelproduktion sind die Erträge dann höher, weil eben das zugelieferte Gas weniger kostet. Das funktioniert auch umgekehrt.
Angeblich verlief ein Termin von Ihnen mit dem Finanzminister zur Borealis aber eher frostig.
Ich habe nur erfreuliche Termine mit dem Finanzminister. Wir berichten aber ohnedies in Richtung der Beteiligungsholding ÖBAG.
Der Borealis-Betriebsrat ist in einem Brief an den dortigen Aufsichtsrat besorgt, was die Eigenständigkeit des Unternehmens angeht.
Wir müssen dem Betriebsrat der Borealis hier offensichtlich besser den Unterschied zwischen bilanztechnischer voller Konsolidierung und voller Integration erklären. Wir verfolgen das Ziel der Voll-Konsolidierung.
Der Deal soll 700 Millionen an Synergien bringen – stimmt das?
Diese Zahl kann ich bestätigen. Die Synergien reichen von einem gemeinsamen Einkauf bis hin zur Administration. Übrigens: der Effekt über die Synergien ist nicht einmalig heuer, sondern über mehrere Jahre.
Laut der Anfrage der Neos soll der Deal auch Steuervorteile von 450 Millionen bringen, was also weniger Geld für den Fiskus bedeutet.
Diese Zahl kann ich nicht bestätigen. Aber nur zur Klarstellung: Wenn wir die Borealis voll konsolidieren, haben wir im Vorstand die gesetzliche Verpflichtung gegenüber allen Aktionären – also auch gegenüber dem Eigentümer Staat Österreich – unsere Steuern so optimal wie möglich zu gestalten. Ob dieser Deal überhaupt Steuervorteile bringt, wird sich auch erst zeigen.
Wie wird das Corona-Jahr für die OMV überhaupt?
Das erste Quartal war wie schon eingangs gesagt gut und ein Cashflow von 1,1 Milliarden ist einmal ein guter Polster. Wir verkaufen aber gerade jetzt über die Borealis mehr Polymere im Bereich Verpackung, Schutzausrüstungen, Masken, Hygienestoffe und Desinfektionsmittel. Das schwierigste Quartal ist jetzt das zweite. Jetzt spüren wir den Absatzrückgang natürlich.
Wie ist die Auslastung?
Die Raffinerie läuft mit rund 80 Prozent Auslastung, der Chemiebereich läuft auf Vollauslastung.
Und wie schätzen Sie die Entwicklung des Ölpreises ein?
Wir gehen nach 50 Dollar pro Barrel im ersten Quartal von 40 Dollar für das Gesamtjahr aus. Wenn der Lockdown aufgehoben wird, wird die Nachfrage wieder steigen. Dazu kommt die Förderbeschränkung der OPEC. Aber so genau kann das niemand prognostizieren.
Ihr neuer Vertrag läuft weitere zwei bis drei Jahre. Und dann?
Also meine Verträge diskutiere ich mit dem Aufsichtsrat. Nur so viel: Ich liebe die OMV und die Stadt Wien.
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