Der Punkt „Vorstandsangelegenheiten“ steht auf der Tagesordnung für die Aufsichtsratssitzung der OMV in der kommenden Woche. Kein Wunder, dass derzeit im teilstaatlichen Öl- und Gaskonzern Hochspannung herrscht.
Nicht nur im Unternehmen, auch in der Branche wird heftig spekuliert, ob die Mehrheitsübernahme der Petrochemie-Gruppe Borealis bis in den Vorstand durchschlagen wird. Die große Frage ist, ob Borealis-Chef Alfred Stern bereits jetzt in den OMV-Vorstand gehievt wird oder ob sich die Eigentümer damit noch etwas Zeit lassen.
Dass Stern in den Konzernvorstand aufrücken wird, ist fix. Der ursprüngliche Plan der OMV, Borealis und damit Stern unterhalb von Downstream-Vorstand Thomas Gangl anzuhängen, wurde als nicht sehr sinnvoll wieder verworfen. Zu bedeutend ist Borealis, die Cashcow der OMV, mit einem Jahresumsatz von rund zehn Milliarden Euro. Auf die Expertise des international renommierten Top-Managers Stern im Konzernvorstand wird die OMV nicht verzichten können, meinen Insider.
Allerdings gibt es Gruppierungen, die Stern im OMV-Vorstand verhindern wollen. Denn statt vorweihnachtlichem Frieden spielen sich in Österreichs größtem, börsenotierten Energiekonzern erbitterte Grabenkämpfe ab. Der Riss geht durch Management und Belegschaften und spaltet auch den Betriebsrat. OMV-Chef Rainer Seele hat seine Strategie geändert und baut das Öl- und Gasunternehmen mit dem Borealis-Deal in Richtung zukunftsträchtige Petrochemie um. Fragt sich jedoch, ob Alphatier Seele viel Freude mit dem Pragmatiker Stern als Vorstandskollegen hat. Wie man aus dem Unternehmen hört, soll Herbert Lindner, Zentralbetriebsratschef Down Stream (Raffinerie) und gut mit Seele vernetzt, gegen Stern und die Kollegen von Borealis eifrig mobilisieren.
Am 29. Oktober war das Closing des Borealis-Deals. Die mit einem Preis von vier Milliarden Euro größte Übernahme in der österreichischen Industriegeschichte wird zum Lackmus-Test für Seele. Die Integration wird nicht einfach. Im sich neu formierenden Konzern passiert gerade ein heftiger Clash der Kulturen. Borealis ist wesentlich internationaler ausgerichtet und zukunftsträchtiger aufgestellt als die OMV.
Der Deal muss ein Erfolg werden und die Eigentümer haben kürzlich Mark Garrett als Aufsichtsratsvorsitzenden der OMV an Bord geholt. Der Australier zählt zu den Top-Petrochemie-Experten weltweit – und war bis 2018 elf Jahre lang CEO von Borealis. Seele hat sich mit Garrett bereits einen eher unfreundlichen Briefwechsel geliefert. Es geht nicht nur um die Kompetenzen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Garrett lässt alle Fragen in Zusammenhang mit der Übernahme von Borealis aufarbeiten.
Aufarbeitung
Ein Whistleblower hatte eine Anzeige bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eingebracht. Mit dem Tenor, der Deal sei um eine Milliarde Euro zu teuer gewesen und überhastet durchgezogen worden. Die WKStA legte wie berichtet nach Prüfung des Anfangsverdachtes die Anzeige zu den Akten. Strafrechtlich ist die Suppe zu dünn, doch bekommt ein Aufsichtsratsvorsitzender Hinweise, muss er ihnen nachgehen.
Dabei geht es auch darum, warum Borealis den Corona- und Ölpreis-bedingten Ergebnisrückgang im Vergleich zum Businessplan erst am Abend des 11. März an die OMV verschickte. Nachdem der OMV-Aufsichtsrat den Deal beschlossen hatte. Es steht der Vorwurf im Raum, es habe eine Aufforderung aus dem OMV-Top-Management an Borealis gegeben. Der Aufsichtsrat hätte den Deal vermutlich auch mit Wissen der Ergebnisprognose abgesegnet, doch Zahlen zurückzuhalten, falls das stimmt, geht gar nicht.
Beobachter, die Garrett bereits seit vielen Jahren kennen, gehen davon aus, dass dieser alle Fragen umsichtig und ruhig aufarbeitet. OMV-Sprecher Andreas Rinofner will dazu keinen Kommentar abgeben: „Aufsichtsrats-Angelegenheiten unterliegen der Vertraulichkeit“.
Seele betonte wiederholt, der Borealis-Kauf sei eine „faire Transaktion“ und der Preis korrekt. In der OMV wird darauf hingewiesen, dass bei vergleichbaren Deals in der Branche höhere Ebitda-Multiples (Mehrfaches des Ergebnisses vor Steuern, Zinsen, Abschreibungen) gezahlt wurden.
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