Ofen aus: Zu Besuch in einem der letzten Kohlekraftwerke Österreichs
Von den meterhohen Kohlebergen ist nicht mehr viel übrig. Hier und dort ein Haufen, dazwischen spiegelt sich der 210 Meter hohe Turm des Kraftwerks Dürnrohr im niederösterreichischen Zwentendorf in den Pfützen des letzten Regengusses.
„Wir haben hier noch 700 bis 800 Tonnen Kohle, die wir nicht mehr verbrennen“, erklärt Michael Aschauer und deutet auf die Rohstoffreste. Ausgelegt war die Lagerfläche für bis zu 800.000 Tonnen.
Seit einer Woche ist es ruhig in dem Kohlekraftwerk. Da wurde das letzte Feuer für die Stromproduktion entfacht. Am Freitag wird der Kessel für einen letzten symbolischen Akt angeheizt. Früher als geplant hat die EVN den Kohleausstieg vollzogen.
Kohleausstieg - aus finanziellen Gründen
Eigentlich war von 2025 die Rede gewesen, doch betriebswirtschaftliche Gründe – sprich zu hohe Kosten – ließen den Energieversorger schneller die Reißleine ziehen. „Es ist auch ein wichtiger Schritt in eine erneuerbare Energiezukunft und ein Beitrag für den Klimaschutz“, meint Sprecher Stefan Zach.
Ein Rundgang im Kraftwerk Dürnrohr
Solarenergie
Nun soll auf der rund 20 Hektar großen ehemaligen Kohlehalde eine Fotovoltaikanlage für 20 bis 30 Megawatt errichtet werden. Auch mit dem Müll der benachbarten Müllverbrennungsanlage und mit einer neuen Klärschlammverwertungsanlage soll Strom erzeugt werden, erklärt Projektleiter Aschauer.
An die Leistung von Kohle werde man aber nicht herankommen: Mit Sonnenenergie wird nur ein Bruchteil der Strommenge erzeugt werden – für rund 6.000 Haushalte. 2017/18 lieferte Dürnrohr Energie für rund 200.000. Der Restbedarf werde optimalerweise von anderen Kraftwerken in NÖ gedeckt – oder müsse importiert werden, heißt es bei der EVN.
Für die Versorgungssicherheit in Österreich werde das eine Herausforderung.
33 Jahre lang in Betrieb
Dürnrohr ist am 29. September 1986 in Betrieb gegangen. Seither wurden 22,5 Millionen Tonnen Kohle verfeuert – so viel wie derzeit in China in zwei Wochen. Bei Volllast konnte Strom für 800.000 Haushalte geliefert werden. 2014 machte der zum Verbund gehörende Block dicht, nun folgte eben der zweite.
Zuletzt war Dürnrohr nur noch für rund 1.400 Stunden in Betrieb – zur Netzstabilität.
Von einst 240 Mitarbeitern sind nur noch 90 vor Ort. Es ist ruhig. Die Radlader, deren mannshohe Schaufeln je 12 bis 16 Kubikmeter Kohle fassen können, parken neben der Halde. Sie sollen verkauft werden. Auch das enorme, 3,6 Kilometer lange Förderband, der „Pipeconveyor“, das die Kohle von der Donau zum Kraftwerk transportiert hat, steht still.
Und über der Bahnanschlussstelle, wo zu Spitzenzeiten täglich ein bis zwei Züge mit je 30 Waggons ankamen, kreisen Greifvögel. „Wir haben hier vier bis fünf Findelkinder pro Jahr“, sagt Aschauer, als er vom Dach des Kesselhauses das Areal überblickt. „Wir haben Kollegen, die sind schon richtige Greifvogelexperten.“
In dem 103 Meter hohen Gebäude ist es warm, nur leise surrt eine Lüftung. In 86 Metern Höhe neben dem Heizkessel kommen Besucher ins Schwitzen. Dabei, meinen die Mitarbeiter, ist es seit dem Ende des Kohlefeuers, richtiggehend kühl.
Es wurde heiß
40 bis 50 Grad hatte es in dem Gebäude, in dem auf vier Brennebenen zu feinen Partikeln zerriebene Kohle verfeuert wurde, erzählt Aschauer. Der Kessel werde jetzt komplett gereinigt, damit es zu keiner Korrosion komme.
Denn das Kraftwerk samt Inventar bleibt bestehen, so wie es ist. Konserviert, nennt das Aschauer.
„Es könnte jederzeit wieder mit Gas starten.“ Das bedeutet, dass auch die bis zu 80 Tonnen schweren Dampfturbinen stillgelegt wurden. Nur jene, die für die Müllverbrennungsanlage benötigt werden, sind in Betrieb. Die Fernwärmekunden werden weiter beliefert sowie Strom für 170.000 Haushalt erzeugt.
Schadstoffe
Der Eindruck, dass mit Dürnrohr ein altes Kraftwerk stillgelegt wurde, trügt. Man sei am neuesten Stand der Technik, der Schadstoffausstoß sei 50 Prozent unter dem EU-Richtwert gelegen, sagt Aschauer. „Was es natürlich gegeben hat, ist die CO2-Emmission.“ Tatsächlich stieß Dürnrohr in einem Normaljahr rund 600.000 Tonnen aus.
Zum Vergleich: Die deutschen Kraftwerke emittieren jährlich 240 Millionen Tonnen. Forschungsprojekte, bei denen versucht wurde, den Schadstoff herauszufiltern seien fehlgeschlagen.
So sehr der Weg in Richtung erneuerbare Energien zu begrüßen sei, gibt die EVN zu bedenken: Es gibt immer weniger thermische Kraftwerke, die einspringen, wenn Strom aus erneuerbaren Quellen fehlt. Es brauche hier Anreize für die Errichtung von Gaskraftwerken.
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