Österreichs Unternehmen entdecken Vietnam

Vietnam mit seinen rund 96 Millionen Einwohnern befindet sich wirtschaftlich langsam am aufsteigenden Ast.
Im Schatten von China mausert sich der kleine Nachbarstaat zu einem Wirtschaftswunderland.

Österreich und Vietnam wollen ihre Wirtschaftsbeziehungen verstärken. Das gaben Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer und der vietnamesische Premierminister Nguyen Xuan Phuc nach einem Treffen in Hanoi bekannt. Mahrer besucht dieser Tage das südostasiatische Land mit einer Wirtschaftsdelegation. Premierminister Nguyen Xuan Phuc betonte gegenüber Journalisten, dass Österreich von der Industrie bis zum Tourismus über Know-how verfüge, das in Vietnam erwünscht sei. „Unsere Handelsbeziehungen haben jedenfalls Luft nach oben.“

Mahrer erläuterte, dass Vietnam zu jenen Volkswirtschaften zähle, die sich weltweit am dynamischsten entwickeln würden. Dazu komme eine schnell wachsende Mittelschicht und gut ausgebildete Arbeitskräfte. Vietnam hat 96 Mio. Einwohner. Ähnlich wie in China gibt es Reformen, wenn auch etwas langsamer. Ein Drittel der Bevölkerung kann inzwischen zur Mittelklasse gezählt werden; mit entsprechend steigender Kaufkraft.

Eröffnung

Die Wirtschaftskammer hat vor diesem Hintergrund nun in Ho Chi Minh City (das ehemalige Saigon) ein Außenwirtschaftscenter eröffnet, um österreichischen Unternehmen den Weg nach Vietnam zu erleichtern. Mahrer: „Wir begleiten unsere Exportwirtschaft immer dorthin, wo es die größte Dynamik gibt.“

Österreichische Unternehmen hätten in Vietnam viel anzubieten, so Mahrer und nannte konkret etwa die Bereiche Umwelttechnik, erneuerbare Energien, aber auch Life Science, Gesundheitstechnik, hoch entwickelte Landwirtschaft und Mobilität. Insbesondere die Autoindustrie sei in Vietnam wichtig (siehe Bericht unten).

Vor Ort tätig

Neben Magna sind derzeit rund 30 österreichische Firmen in Vietnam tätig. Darunter etwa der Gesundheitskonzern Vamed, die niederösterreichischen Ölbohrspezialisten Schöller Bleckmann Oilfield oder die oberösterreichischen Spezialpapierhersteller Delfort sowie das Vorarlberger Unternehmen Reintechnik, welches in Hanoi einen Betrieb hat.

Die Exporte österreichischer Waren nach Vietnam sind laut Wirtschaftskammer von 1995 bis 2018 von rund neun Millionen auf 225 Mio. Euro gestiegen. Ausgeführt werden vor allem Maschinen und elektrische Geräte oder chemische und pharmazeutische Produkte. Allerdings werden viel mehr Produkte aus Vietnam importiert als exportiert. Zuletzt waren es vietnamesische Waren im Wert von 820 Mio. Euro, die Herr und Frau Österreich kauften. Dazu zählen etwa Kleidung, Schuhe, Mobiltelefonzubehör, Reiseartikel und auch Möbel.

Freihandelsabkommen

Große Hoffnungen setzen Mahrer und Premierminister Nguyen Xuan Phuc in das fertig verhandelte Freihandelsabkommen zwischen der EU und Vietnam. Die Unterzeichnung des Abkommens steht wegen Brexit und der EU-Wahlen noch aus, wird aber spätestens Anfang 2020 erfolgen. Das Abkommen ist das umfassendste Freihandelsabkommen, das die EU jemals mit einem Schwellenland abgeschlossen hat.

Es beinhaltet neben der Liberalisierung des Handels mit Waren (99 Prozent aller Zölle sollen stufenweise abgebaut werden) und Dienstleistungen auch Regelungen zum Schutz geistigen Eigentums inklusive geografischer Herkunftsbezeichnungen, zum Beschaffungswesen, zum Wettbewerb und zur nachhaltigen Entwicklung.

Pragmatischer Kurs

Das kommunistische Regime in Hanoi verfolgt laut Wirtschaftstreibenden und Diplomaten in puncto kapitalistischer Marktöffnung einen pragmatischen Kurs. Das merkt man mit eigenen Augen auch daran, dass in Hanoi eine Siedlung für Superreiche entsteht. Die Preise für die Villen in einem speziellen abgeschotteten Stadtteil mit künstlichen Seen und Flüssen reichen von 900.000 Euro bis zu zwei Millionen. Zum Vergleich: Der Durchschnittsverdienst in Vietnam liegt bei etwa 300 Euro; allerdings bei entsprechend niedrigen Preisen.

Langsame Marktöffnung

Die dünne Schicht der reichen Elite ist im Zuge der Privatisierungen entstanden oder hat im Ausland ihr Geld gemacht. Die Kommunistische Partei Vietnams wiederum hat bereits Mitte der 1980er-Jahre, also nur zehn Jahre nach dem Ende des siegreichen Krieges gegen die USA, mit einer langsamen aber sicheren Marktöffnung begonnen.

Was die Regierung in Hanoi öffentlich nicht sagt, aber Diplomaten hinter vorgehaltener Hand flüstern, ist der Versuch Vietnams, mit weltweit möglichst vielen Handelspartnern den Einfluss Chinas zu drosseln. So sagte Premier Nguyen Xuan Phuc beim Treffen mit Mahrer, dass der Handelskonflikt zwischen den USA und China niemandem nütze. Den Worten folgte ein leicht verschmitztes Lächeln.

Der Autor ist auf Einladung der Wirtschaftskammer in Vietnam.

Österreichs Unternehmen entdecken Vietnam

WKO-Chef Mahrer trifft Vietnams Premierminister Phuc.

Kommentare