Österreicher sehen noch kein Ende der Jobkrise

Österreicher sehen noch kein Ende der Jobkrise
Stimmung im EU-Vergleich massiv abgesackt. 7,2 Prozent mehr Arbeitslose im Juli.

Die Österreicher haben die Hoffnung auf ein rasches Ende der Jobkrise aufgegeben: 52 Prozent glauben sogar, das Schlimmste stehe erst noch bevor – das sind gleich um fünf Prozentpunkte mehr als im Herbst 2014. Zum Vergleich: Laut jüngster Eurobarometer-Umfrage, die Ende Mai stattfand, waren nur 43 Prozent der Ansicht, der Höhepunkt der Arbeitsmarktkrise sei schon erreicht – das sind fünf Prozentpunkte weniger als im November 2014.

Wie rasant sich die Stimmung im Land verschlechtert, zeigt der EU-weite Vergleich: Nur bei den Polen und Letten war der Zuwachs der Schwarzseher ähnlich hoch. Sonst setzt sich allmählich in Europa eine positivere Sichtweise durch.

Erstaunlich: Obwohl die Österreicher die wirtschaftliche Lage des Landes und des Arbeitsmarktes deutlich schlechter einschätzen als der Europa-Durchschnitt, wird die persönliche Betroffenheit als geringer gesehen: Negative Auswirkungen auf ihren eigenen Job oder die Haushaltsfinanzen befürchten nur 6 bzw. 9 Prozent der Befragten in Österreich.

Die eher düstere Lageeinschätzung deckt sich mit den Prognosen der Experten: Sie erwarten, dass es frühestens 2019 eine spürbare Entspannung am Arbeitsmarkt geben wird. Ein Ende des starken Arbeitskräfte-Zustroms bei zugleich stagnierender Wirtschaftslage ist nicht in Sicht.

376.522 ohne Job

Ende Juli erhöhte sich die Zahl der beim AMS registrierten Arbeitslosen im Jahresabstand um 11,7 Prozent auf 319.880 Betroffene, was einer nationalen Arbeitslosenquote von 8,1 Prozent entspricht. Inklusive der Schulungsteilnehmer gab es 376.522 Jobsuchende, so viel wie noch nie im Juli (plus 7,2 Prozent). Bei Männern stieg die Arbeitslosigkeit stärker als bei Frauen, das größte Plus gab es erneut bei Ausländern (+21 Prozent) und Personen über 50 Jahre (+15 Prozent).

Auffällig ist das starke Ost-West-Gefälle beim Arbeitslosen-Anstieg. Während sich in Tirol, Vorarlberg und Salzburg die Lage wohl auch saisonbedingt etwas stabilisiert hat, wird die Situation in Wien immer prekärer. Schon mehr als die Hälfte der zusätzlichen Arbeitslosen entfiel im Juli allein auf die Bundeshauptstadt (s. Grafik). Dort kommen derzeit 141.000 Arbeitslose auf nur 4763 offene Stellen.

Flüchtlingsstrom

Besonders betroffen ist Wien vom Flüchtlingsstrom. Von insgesamt rund 17.000 vorgemerkten Asylberechtigten (+23 Prozent) entfallen 12.000 auf Wien. Das AMS Wien startet daher Ende August ein Pilotprojekt, um Flüchtlinge, die meisten von ihnen stammen aus Syrien und Afghanistan, besser in den Jobmarkt zu integrieren.

Konkret sollen in fünfwöchigen Kursen vorhandene berufliche Qualifikationen abgeklärt und Deutsch-Kenntnisse verbessert werden. Vor allem bei Flüchtlingen aus Syrien ist das Ausbildungsniveau laut AMS "teilweise recht hoch". Ihre im Heimatland erworbenen Abschlüsse werden in Österreich meist nicht anerkannt.

Auf diesen Titel würden wir gerne verzichten: Österreich ist Europaspitze in Sachen Schwarzmalerei. Wie die aktuelle Eurobarometer-Umfrage unter 28.000 Europäern zeigt, ist hierzulande mehr als jeder zweite Befragte (52 Prozent) der Meinung, das Schlimmste auf dem Arbeitsmarkt stehe erst noch bevor. Damit spielt Österreich in einer Kategorie mit Griechenland (54 Prozent) – mit dem Unterschied, dass sich die Stimmung dort verbessert. Bei uns geht es weiter bergab.

Was ist da los? Es wird wohl keiner behaupten können, die Lage sei objektiv ähnlich miserabel wie in krisengebeutelten Hellas. Warum ist die Stimmung dann so miserabel?

Der Pessimismus hat natürlich eine faktische Grundlage: Tatsächlich steigt die Arbeitslosigkeit kontinuierlich an, ein Ende ist noch nicht absehbar. Das alleine reicht aber als Begründung auch nicht aus. Sonst müsste man nämlich folgern: Die spinnen, die Finnen. Die Nordeuropäer haben nämlich schon geraume Zeit ihren Nimbus als Muster-Wirtschaftsland eingebüßt. Die Arbeitslosigkeit ist in den vergangenen Jahren noch um Vieles dramatischer angewachsen als in Österreich. Trotzdem lassen sich‘s Onni und Venla nicht verdrießen. Die Optimisten haben bereits wieder Übergewicht, die Stimmung bessert sich rasant.

Nur in Österreich geht es noch bergab. Warum?

These eins: Wir waren davor nicht so gut, wie wir dachten. Wir sind jetzt nicht so schlecht, wie wir glauben. Die ersten Maßnahmen gegen die Krise waren goldrichtig - von der Kurzarbeit bis zu den Investitionspaketen. Es hat Österreich aber zu sehr geschmeichelt, dass wir während der Krise über viele Monate hinweg die niedrigste Arbeitslosenrate aufwiesen. Die EU hat beschäftigungspolitische Anleihen bei uns genommen: Das hat uns stolz gemacht, aber die Wahrnehmung verzerrt. Deshalb das böse Erwachen.

These zwei: Andere Länder haben bereits früher schwere Krisen durchlebt. In Österreich erreicht die Arbeitslosigkeit jetzt aber einen Negativ-Rekord nach dem anderen in der Zweiten Republik. Während ringsherum in Europa die Zeichen auf Erholung stehen, trifft uns die Krise mit Verzögerung. Das verstärkt den Eindruck, dass es nur noch weiter bergab gehen kann.

These drei: In der Wirtschaft steckt viel Psychologie. Hat sich die negative Stimmung in den Gehirnen festgesetzt, wirkt sie selbstverstärkend: Die Prognosen sind schlecht, deshalb schieben die Haushalte Anschaffungen und die Unternehmen Investitionen auf. Das führt dazu, dass die Wirtschaft tatsächlich lahmt. Die Zahlen bestätigen also die miese Erwartung und tragen weiter zur schlechten Stimmung bei. In so einer Abwärts-Spirale befindet sich Österreich seit gut zwei Jahren. Mittlerweile sind die Wirtschaftsprognosen zwar gut, die Zeichen stehen auf Wachstum - es glaubt aber niemand mehr dran. Eine gefährliche Mischung.

Wie kommt man da raus? Gute Laune zu verbreiten, ist zu wenig. Die Menschen wollen glaubwürdige Aufbruchsignale sehen. Die Steuerreform hätte so einen Anstoß geben können, wurde aber wie ein Belastungspaket verkauft. Eine verpasste Chance.

Wichtig wäre das Signal, dass etwas weiter geht in diesem Land. An wichtigen Themen herrscht kein Mangel - sei es die Bildung, das Asylthema, die Investitionen (Juncker-Paket), die Integration, die Einbindung älterer Arbeitskräfte, die Föderalismus- und Verwaltungsreform. Es besteht kein Grund für das Gefühl, man müsse dem Abstieg tatenlos zusehen.

Die gute Nachricht zum Schluss: Die selbstverstärkende Wirkung funktioniert nicht nur beim Abstieg. Soll heißen: Wenn etwas in Gang kommt, kann's auch schnell wieder bergauf gehen.

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