Österreich ist Vorbild bei Jobs für die Jungen

Daniela Steiner ist Lehrling in der Hauptwerkstätte der Wiener Linien
Die EU will das Modell der Lehre und Ausbildungsgarantie aus Österreich übernehmen - aber im Inland gibt es viele Baustellen. Die wichtigsten Fragen zum Thema.

Zwei Länder, zwei verschiedene Welten, eine EU: Während in Italien Gewerkschaften einen Notfallplan zur Bekämpfung der stark steigenden Jugendarbeitslosigkeit fordern, hat sich in Österreich die Lehrstellenlücke Ende November weiter verringert. In Salzburg und Tirol gibt es zum Start der Wintersaison sogar doppelt so viele Lehrstellen wie Bewerber.

Österreich gilt mit der zweitniedrigsten Jugendarbeitslosenrate hinter Nachbar Deutschland als EU-Vorzeigeland, das duale Ausbildungssystem als Vorbild. Aber warum ist das so? Was sind die Stärken des österreichischen Systems, das es in dieser Form nur in Deutschland gibt? Kann es wirklich so einfach exportiert werden und wie zukunftsfähig ist es? Der KURIER fasste die wichtigsten Fragen zum Thema zusammen.

Fragen

Wieso hat Österreich eine vergleichsweise niedrige Jugendarbeitslosigkeit?
Weil die Wirtschaftslage (noch) besser ist als in anderen EU-Ländern. Die Arbeitslosigkeit steigt zwar an, ist aber nach wie vor die niedrigste innerhalb der EU. Österreich kommt auch die Demografie zugute. Es rücken weniger 15-Jährige nach und diese gehen mehr in weiterführende Schulen oder studieren. Durch die staatliche Ausbildungsgarantie erhalten Jugendliche bis 18 Jahre, die keine Lehrstelle finden, eine „Ersatz-Lehre“ in Form einer überbetrieblichen Berufsausbildung. Derzeit sind dies ca. 9000. Diese Ausbildungsgarantie will die EU jetzt als Jugendgarantie etablieren.

Was sind die Stärken einer dualen Ausbildung?
Wie der Name schon sagt – die Kombination aus Schule und Praxis mit starkem Fokus auf die betriebliche Integration. Ein wachsendes Problem in Europa ist der Berufseinstieg. Schulische Vorbildung und benötigte berufliche Qualifikation klaffen immer mehr auseinander – Stichwort Technikermangel. Länder mit starkem Fokus auf schulischer Bildung haben in Krisenzeiten stärker steigende Jugendarbeitslosenzahlen, weil Firmen keine Neu-Einstellungen vornehmen.

Kann unser Lehrlingssystem überhaupt so einfach von anderen Ländern übernommen werden?
Nein, höchstens Teile davon. Österreichs Lehrlingssystem ist über Jahrzehnte gewachsen und beruht auf einer „eingespielten Sozialpartnerschaft“, erläutert WIFO-Arbeitsmarktexperte Helmut Mahringer. Außerdem gibt es Arbeitsmarkt-Spezifika, wie etwa die Saisonalität im Tourismus, die nicht einfach auf Europa umgemünzt werden können.

Wie teuer ist die Ausbildungsgarantie?
Die überbetriebliche Berufsausbildung im Auftrag des AMS ist die teuerste Sekundärausbildung. Jeder Jugendliche in einer „Ersatz-Lehre“ kostet den Staat rund 17.000 Euro pro Jahr, während die betriebliche Lehrausbildung auf rund 6000 Euro und eine berufsbildende mittlere oder höhere Schulausbildung auf 10.000 Euro kommt. Im Vergleich zu den sozialen (Folge-)Kosten einer Langzeitarbeitslosigkeit sind die Ausgaben von rund 220 Millionen Euro jährlich überschaubar.

Wie zukunftsträchtig ist die duale Ausbildung?
Experten sind sich einig: Um den rasanten Strukturwandel in Richtung Dienstleistungsgesellschaft zu bewältigen, muss die Lehre so reformiert werden, dass Übergänge zwischen Schule und Lehre – und umgekehrt – einfacher werden. „Es müssen
viele Baustellen angegangen werden, um das Vorzeigemodell erfolgreich zu halten“, sagt Mahringer. Er kann sich vorstellen, dass die überbetrieblichen Lehrplätze auch eine höherwertige Ausbildung anbieten.

Die Jugendarbeitslosigkeit in Europa hat dramatische Dimensionen angenommen: 5,5 Millionen Menschen (20 Prozent) unter 25 Jahren suchen in EU-Staaten einen Job. In Spanien und Griechenland liegt die Quote über 55 Prozent, in Italien bei einem Drittel.

Die EU-Kommission will die Mitgliedsstaaten nun von einer „Jugendgarantie“ überzeugen, wonach niemand unter 25 länger als vier Monate ohne Job oder Ausbildung sein dürfe. Erzwingen kann die EU eine solche Garantie nicht; mit EU-Förderungen sollen die Staaten aber auf den Geschmack kommen. Im Kanzleramt wird dies auch als rot-weiß-roter Erfolg verbucht: Kanzler Faymann forderte schon im Jänner EU-Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit.
Vorbild Österreich Am Mittwoch soll Sozialkommissar Laszlo Andor laut FAZ Details präsentieren. Sein Plan wird sich an Österreich, Norwegen und den Niederlanden orientieren.

Was können andere Staaten vom heimischen Modell („duales System“ mit Ausbildung in Betrieb und Berufsschule) übernehmen? „Vor allem das sozialpartnerschaftliche Prinzip, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer direkt in das System eingebunden sind“, sagt Thomas Mayr, Geschäftsführer des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft. Ein Erfolgsfaktor sei etwa, dass in Österreich die Firmen bei der Erstellung der Lehrpläne mitreden können.

Die gedämpfte Wirtschaftsentwicklung setzt dem österreichischen Arbeitsmarkt immer mehr zu. Ende November waren inklusive Schulungsteilnehmer 344.521 Menschen ohne Job, das sind um 7,2 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Kräftig ausgeweitet hat das AMS die Schulungsmaßnahmen. Immerhin 74.000 Menschen (+ neun Prozent) nahmen daran teil, allein in Wien waren es 29.000. Einen Rückgang von fast sechs Prozent gab es bei den offenen Stellen.
Der Anstieg der Arbeitslosigkeit traf im November Männer stärker als Frauen. Das hat auch damit zu tun, dass die Krise nun auch bei der Industrie angekommen ist. Das Industrieland Oberösterreich hat überdurchschnittlich stark Personal abgebaut. Positiv für die Industrie ist die soeben beschlossene, neue Kurzarbeitszeit-Regelung.

Besonders betroffen Für Langzeitarbeitslose (mehr als ein Jahr vorgemerkt) ist die Suche nach Arbeit besonders schwierig, hier gab es im November einen Zuwachs um 30 Prozent auf 5800 Betroffene. Ausländer sind stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als Menschen mit österreichischer Staatsbürgerschaft, Ältere stärker als Junge. Seit Monaten steigt die Arbeitslosigkeit von behinderten Menschen. Unter Druck kommen auch Leiharbeiter. Ein Lichtblick ist hingegen die sinkende Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen bis 19 Jahren. Diese ging im Jahresvergleich um 2,8 Prozent zurück.

Nach Branchen betrachtet ist die Arbeitslosigkeit im Bau und bei der Vermittlung von Arbeitskräften am stärksten gestiegen. Sogar die viel gepriesenen Gesundheitsberufe schwächeln weiterhin.

Im Bundesländervergleich weisen die Industrieländer Oberösterreich und Steiermark den stärksten Anstieg der Arbeitslosigkeit auf. Das geringste Plus bei den Arbeitslosen gibt es hingegen im Westen: Vorarlberg verzeichnet den geringsten Anstieg an Arbeitslosen gefolgt von Tirol und Salzburg.

Kommentare