Ökonomen: Kurzarbeit langfristig schädlich
Die Kurzarbeit ist ein gutes Instrument, um kurze Wirtschaftseinbrüche abzufangen, sollte aber keinesfalls zur Dauereinrichtung werden. Dafür ist die Hilfsmaßnahme zu teuer und sogar schädlich, weil sie dem nötigen Strukturwandel in der Wirtschaft im Wege steht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Zwischenbilanz des wirtschaftsliberalen Thinktanks Agenda Austria zur Kurzarbeitsregelung in Österreich.
„Wir laufen Gefahr, Arbeitsplatzverluste nicht mehr zu verhindern, sondern notwendige Strukturveränderungen zu bremsen“, sagt Agenda-Austria-Ökonom Hanno Lorenz zum KURIER. Die Regierung sollte daher zu Jahresbeginn den Ausstieg aus der Kurzarbeit einleiten.
Anpassung an Arbeitslosengeld
So könnte nach Ende des zweiten Lockdowns damit begonnen werden, die Ersatzraten zu staffeln und schrittweise von derzeit 80 bis 90 Prozent auf das Niveau des Arbeitslosengeldes von 55 Prozent abzusenken. Für Arbeitnehmer hätte die Kurzarbeit dann keinen finanziellen Vorteil mehr gegenüber der Arbeitslosigkeit. Zudem sollten die Zugangshürden weiter verschärft werden.
Lorenz verweist darauf, dass auf der einen Seite Mitarbeiter zur Reduktion ihrer Arbeit gezwungen werden, während andernorts bereits wieder Fachkräfte gesucht werden. So könnte die Ferienhotellerie in den Bergen bald wieder Personal benötigen, während die Stadthotellerie durch geändertes Reiseverhalten – etwa bei Geschäftsreisen – wohl kaum mehr auf das Vorkrisenniveau kommen dürfte. „Es braucht daher eine langfristige Perspektive für den Arbeitsmarkt“.
Vorübergehende Rettung
Die Ökonomen untersuchten anhand der AMS-Daten von März bis September, wie viele Arbeitsplätze durch die Kurzarbeit gesichert werden konnten und welche Branchen sie in welchem Ausmaß in Anspruch genommen haben. Wichtigste Ergebnisse: Allein im Lockdown-Monat April konnten nach Berechnungen der Ökonomen 560.000 Arbeitsplätze gerettet werden.
Im September waren noch 116.000 Beschäftigte in Kurzarbeit, die durchschnittliche Reduktion der Arbeitszeit lag bei 32 Prozent. Vor dem zweiten Lockdown waren daher 37.000 Jobs von der Kurzarbeit abhängig. Der zweite Lockdown dürfte die Zahl nochmals nach oben treiben. Aktuell befinden sich 170.000 Beschäftigte in Kurzarbeit. Bisher kostet die Job-Rettungsaktion den Staat 8 Mrd. Euro.
Im Branchenvergleich zeigt sich, dass jeder dritte Beschäftigte im Tourismus sowie in der Kunst-, Kultur- und Unterhaltungsbranche (31 Prozent) kürzer gearbeitet hat. In beiden, von der Krise am stärksten betroffenen Sektoren, wurde die Arbeitszeit im Schnitt um mehr als 60 Prozent reduziert, während in der Industrie „nur“ um ein Drittel reduziert wurde. Der Schnitt über alle Branchen lag bei 40 Prozent. Gemessen an Köpfen sieht die Zwischenbilanz anders aus: Nur zwei Branchen, die Industrie und der Handel, beschäftigten fast die Hälfte aller Kurzarbeiter (siehe Grafik). Vor allem der Anteil des Handels ist laut Agenda Austria „überproportional hoch“, zumal der Lebensmittelhandel ja immer geöffnet hatte und flexible Arbeitszeitregelungen in dieser Branche üblich sind.
„Überförderung“
Dass anders als in Deutschland in Österreich die Kurzarbeit nicht vom 80-prozentigen Umsatzersatz für geschlossene Betriebe abgezogen wird, kann Lorenz nicht nachvollziehen. „Das geht schon in Richtung Überförderung.“ Die Regierung begründete die großzügige Lösung damit, dass die Gelder nach Schließung der Betriebe rasch fließen sollten und eine Gegenrechnung aufwändig wäre.
Kommentare