57 Prozent der österreichischen Haushalte sind potenziell ans Glasfaser-Internet angeschlossen. Aber weniger als ein Fünftel davon nutzt das schnelle Internet auch. Zuletzt gerieten die Förderungen für den Ausbau ins Gerede. Die seien nicht mehr notwendig, befanden die großen Telekom-Unternehmen. Hartwig Tauber von der Österreichischen Glasfaserinfrastrukturgesellschaft (ÖGIG) sieht das anders, wie er dem KURIER sagt.
KURIER: Nur 19 Prozent der Leute, die Glasfasernetze nutzen könnten, tun dies laut der Regulierungsbehörde RTR auch. Warum sind es nur so wenige? Hartwig Tauber: Ich wundere mich immer über die Zahlen. Wir haben auf keinem unserer Netze ein Problem mit dem Interesse und wir bauen nicht nur am Land, sondern auch in kleineren Städten und auch rund um Wien. Bei einigen Projekten sind wir bei Nutzungsraten von über 60 Prozent.
Wie erklären Sie Kunden, dass sie im günstigsten Fall 300 Euro für einen Anschluss zahlen und auch noch durch seinen Garten graben lassen sollen, wenn man Datenraten, die man etwa fürs Streaming braucht, für wesentlich weniger Geld auch über mobile Netze oder Kupferkabel bekommen kann? Vor kurzem war ein Match der österreichischen Nationalmannschaft. Diejenigen, die etwa im Waldviertel über Glasfaser gestreamt haben, konnten durchgehend schauen. Wenn man über 5G oder DSL surft, wird es verpixelt oder es bleibt stehen, wenn viele gleichzeitig schauen. Man kriegt nicht durchgehend die Leistung, die man braucht. Das macht einen Riesenunterschied. Wir sehen auch, dass die Anzahl der Kunden, die von Glasfaser auf etwas anderes umsteigen, minimal ist. Glasfaser ist die einzige Technologie die Bandbreiten liefern kann, mit denen man ohne Einschränkungen arbeiten, surfen und streamen kann.
Wie hoch sind die Datenraten, die bestellt werden? Am Anfang sind es meist die Einstiegsprodukte. 150 oder 250 Megabit. Das Gigabit wird noch relativ wenig nachgefragt. Jedoch sehen wir im Business-Bereich oder bei den Heavy-Usern, wenn 4 oder 5 Geschwister gleichzeitig streamen, auch den Bedarf am Gigabit gegeben.
Im internationalen Vergleich hinkt Österreich sowohl beim Ausbau als auch bei der Nutzung hinterher. Liegt es nur daran, dass es hierzulande eine gute Versorgung mit Kupferleitungen und Mobilfunk gibt. Oder machen andere Länder, etwa Schweden, das bei Glasfaser Nutzungsraten von 80 Prozent aufweist, tatsächlich etwas besser? In Schweden hat man gesagt, Glasfaser ist eine Infrastruktur, die man erst einmal bauen muss. Das ist eine ganz andere Einstellung. Bei uns wird heute noch damit geworben, dass man über das Telefon hohe Datenraten rüberbringt. Der Endkunde weiß dann oft nicht, ob er Glasfaser braucht oder nicht. Die nordischen Länder waren auch die ersten, die offene Netze gebaut haben. Sie haben die Infrastruktur und die Services getrennt. Jeder Anbieter, der möchte, kann auf das Netz rauf und den Endkunden versorgen. Damit ist sichergestellt, dass es einen vernünftigen Markt und Wahlfreiheit gibt.
Die Österreichische Glasfaserinfrastrukturgesellschaft (ÖGIG), eine Tochter des Versicherungsriesen Allianz, hat 2021 angekündigt, eine Milliarde Euro in den Glasfaserausbau investieren zu wollen. Bis 2030 will man eine Million Haushalte mit schnellem Internet versorgen.
90.000 Anschlüsse
Derzeit laufen 70 Projekte in 6 Bundesländern. 20 davon sind bereits im Bau. 90.000 Glasfaseranschlüsse wurden bis dato hergestellt.
Hartwig Tauber
hat über 20 Jahre Breitbanderfahrung. Seit Ende 2019 leitet er die ÖGIG, zuvor baute er das niederösterreichische Glasfaserprojekt mit auf. Von 2004 bis 2015 war er Generaldirektor der Industrieorganisation FTTH Council Europe.
A1, Magenta und Drei haben vor kurzem damit aufhorchen lassen, dass sie keine Ausbauförderungen mehr wollen. Brauchen Sie noch Förderungen? Wir müssen nur durch Österreich durchfahren und schauen, ob es überall schon so viel Glasfaser gibt, dass man keine Förderungen mehr braucht. Es steht noch sehr viel an Ausbau an. Die Förderung ist auch nicht dazu da, dass überhaupt Glasfaserausbau stattfindet, sondern dass er flächendeckend passiert. Wir können mit Förderungen auf über 90 Prozent der Haushalte pro Ausbaugebiet kommen.
Das heißt, wenn es keine Förderungen gäbe, hätte man zwar im Ortszentrum Glasfaser, am Ortsrand aber nicht mehr? Es gibt das Problem des Cherry-Pickings – Ortskerne und Mehrparteienhäuser werden angeschlossen, der Rest soll Mobil-Lösungen nutzen. Das Ziel ist aber, dass die Netze nach außen wachsen. Deshalb sind Förderungen auch in Zukunft wichtig.
Die Telekomunternehmen haben sich dafür ausgesprochen, stattdessen die Nachfrage zu fördern. Sie sind davon nicht begeistert? Die großen Telekomunternehmen freuen sich nicht über uns. Sie hatten bis jetzt ihre Netze und konnten sie langsam wachsen lassen. Jetzt krempeln neue Unternehmen den Markt um. Für die großen Telekomunternehmen wäre es daher geschickter, wenn es eine Nachfrageförderung gäbe. Wenn ich eine starke, bekannte Marke habe und man fragt, wer ausbauen soll, dann ist klar, wen man nimmt. Es wäre aber zielgerichteter, eine normale Infrastrukturförderung zu machen und sie demjenigen zu geben, der die beste Basis für die Erreichung des Förderziels liefert. Es ist auch gar nicht notwendig, die Nachfrage anzukurbeln. Darum müssen sich die Unternehmen selbst kümmern.
Sie haben auch kritisiert, dass bei Förder-Calls das Geld nicht immer dort landet, wo es benötigt wird? Die Förderung muss zielgerichteter passieren. Wenn man sich ansieht, wo Förderungen vergeben wurden, sieht man, dass durchaus Bezirksstädte oder größere Städte, wie etwa Fürstenfeld oder Dornbirn, darunter waren. Dort, wo es am dringendsten war, etwa in der Südweststeiermark, gab es keinen Förder-Cent. Dort ist aber der Bedarf deutlich höher.
In den vergangenen Jahren sind in Österreich zunehmend Infrastrukturinvestoren auf den Plan getreten. Hinter der ÖGIG steht die Allianz Versicherung. Was macht Glasfaser für Investoren attraktiv? Ein Glasfasernetz, das wir bauen, wird die nächsten 40,50,60 Jahre laufen. Ich investiere in eine Infrastruktur, die über viele Jahrzehnte werthaltig ist. Das macht es für jemanden wie die Allianz als Versicherung attraktiv.
Wann rechnet sich so eine Investition und welche Nutzungsraten sind dafür notwendig? Von den Nutzungsraten ist alles, was jenseits der 40 Prozent ist, positiv. Wir gehen davon aus, dass sich die Investitionen in 10 bis 15 Jahren rechnen. Wir sind ein Infrastruktur-Unternehmen. Wir sehen die Investitionen langfristig. Aktionäre eines Telekomunternehmen denken vielleicht kurzfristiger.
Die Inflation hat den Glasfaserausbau verteuert. In Deutschland steigen die ersten Investoren bereits wieder aus dem Geschäft aus. Der Bau ist teurer geworden. Das ist so. Uns als ÖGIG trifft das nicht ganz so hart wie andere, weil wir mit Eigenkapital arbeiten. Dadurch, dass wir langfristig denken, können wir die Netze trotzdem weiter finanzieren. In Deutschland sind in den letzten Jahren viele Glasfaserunternehmen aus dem Boden geschossen, die sehr kurzfristig denken. Sie wollen schnell Netze bauen und teuer verkaufen. Die hohen Baukosten und Zinssteigerungen machen das schwierig. Es ist auch eine Konsolidierung.
Wird das auch hierzulande passieren? Es wird eine Bereinigung geben. Momentan ist aber eher das Thema, dass mancher nicht gleich ins Bauen kommt, weil er mit anderen Kosten gerechnet hat.
Es heißt auch, dass man kaum mehr Tiefbaufirmen findet, die auch Kapazitäten für den Ausbau haben. Es sind zuletzt 900 Millionen Euro Fördergelder ausgeschüttet worden. Das muss in den nächsten Jahren gebaut werden. Der Tiefbaumarkt war einige Monate lang sehr schwierig. Auch deshalb, weil viele Player versucht haben, sich Kapazitäten zu reservieren, die in vielen Fällen kaum abgerufen wurden. Die Überhitzung ist aber zurückgegangen. Wir haben für einen Großteil unserer Projekte mittlerweile die Baukapazitäten.
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