Oberbank-Chef Gasselsberger: „Wir haben genügend Steuern“
Vor Kurzem feierte Oberbank-Chef Franz Gasselsberger seinen 65. Geburtstag. Anlass für den KURIER für ein Interview über Politik in Europa und Österreichs und den wirtschaftlichen Zustand des Landes.
KURIER: Die Oberbank ist unter ihrer Führung stark in Zentraleuropa gewachsen. Was verbinden Sie angesichts der bevorstehenden EU-Wahl mit Europa?
Franz Gasselsberger: Als wir 1990 in den deutschen Markt eingetreten sind, mussten wir eine 100-prozentige Tochter gründen und es war mit viel Bürokratie und Kosten verbunden. Dann kam der EU-Beitritt. Wir konnten dann ganz einfach Filialen im Ausland eröffnen und das hat die Expansion enorm beschleunigt.
Wieso ist die Bevölkerung so kritisch gegenüber der EU?
Die Vorteile der EU werden der Bevölkerung viel zu wenig kommuniziert und bewusst gemacht. Eigentlich müssten unsere Abgeordneten viel öfter positiv aufklärerisch wirken und hier den EU-Kritikern Paroli bieten. Und das tun sie nicht, sie überlassen ihnen das Feld. Es gibt keinen positiven Gegenpol. Ohne EU hätten wir viele Vorteile nicht.
Was sind Ihre Erwartungen für die Europawahlen?
Ich glaube, dass der Nachhaltigkeits- und Transformationszug weiterfahren wird. Populistische und nationalistische Strömungen werden sich aber verstärken. Die Partikularinteressen sind noch immer nicht überwunden, das sieht man am Beispiel Frankreich/Deutschland. Dabei bräuchten wir gerade jetzt einen großen Wurf. Die Länder schicken nicht die besten Leute nach Brüssel und schieben Probleme immer Brüssel zu. Diese Rituale sind für die gemeinsame Sache schlecht.
Und was ist mit der oft genannten Bürokratie?
Die Bürokratie ist überbordend. Man hat den Zwang, alles zu regeln und die Menschen fühlen sich bevormundet. Und dann sind sie offen für scheinbar einfache Lösungen. Beim Thema Nachhaltigkeit etwa. Wir haben ab nächstem Jahr die Verpflichtung, dass Betriebe ab einer gewissen Größenordnung Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichen. Und wir sehen, dass gerade Mittelständler sich mit dem Thema überhaupt nicht beschäftigen. Das Thema ist in ihrer Prioritätenliste relativ weit hinten. Es sind schon auch die Unternehmen mitverantwortlich. Aber die Richtlinien sind komplex und detailliert, so dass die Unternehmen damit kämpfen.
Die Unternehmen haben derzeit vielleicht andere Sorgen…
Ja schon, aber man muss ihnen bewusst machen, dass Wettbewerbsnachteile entstehen und sie an dem Thema nicht vorbeikommen. Sie müssen genügend Ressourcen bereitstellen. An dem Thema führt kein Weg vorbei.
Oberösterreich gilt als Industrieland. Vielen Betrieben geht es derzeit aber nicht gut. Warum?
Gerade Österreich und Deutschland, aber auch die Niederlande, mussten bei der Produktivität Verluste hinnehmen. Österreich ist in punkto Wettbewerbsfähigkeit an 20ter Stelle, die Schweiz auf Platz 2. In Österreich steigen die Lohnstückkosten seit 2019 um ein Drittel. Die südeuropäischen Länder haben seit der Finanzkrise enorm aufgeholt. Europa ist punkto Produktivität zu Lasten der Deutschen und Österreicher zusammengewachsen. Wir haben enorm verloren.
Warum?
Bei uns fehlen die großen Reformen. Jene für Arbeits- und Kapitalmarkt sind gescheitert, für eine Pensionsreform war noch nie der richtige Zeitpunkt. Die Menschen haben in den letzten Jahren ein Anspruchsdenken entwickelt, dass sie für alles vom Staat unterstützt werden. In der Schweiz werden nur 6 Prozent des BIP für Antiteuerungsmaßahmen aufgewendet, in Österreich 18 Prozent. In Österreich gibt es für alles einen Bonus, für Handwerker, Energiekosten usw. Die Österreicher werden mit Boni überschüttet und sind trotzdem so unzufrieden wie kaum wo anders.
Was wäre Ihr Ansatz?
Warum macht man nicht eine Steuerreform, die diesen Namen auch verdient?! Die das Ziel hat, dass die Menschen mehr und länger arbeiten, Überstunden steuerlich begünstigt werden und dass mehr netto vom brutto bleibt. Warum scheitert das?! Es werden viele Steuern eingehoben, dann wird eine Bürokratie dazwischen geschaltet, um Boni undifferenziert auszuteilen. Selbst ich bekomme einen Handwerkerbonus. Wozu brauche ich das? Hier eine Trendumkehr zu schaffen, wäre das Gebot der Stunde. Warum stimmen die Schweizer gegen eine sechste Urlaubswoche oder gegen eine Erhöhung des Anti-Teuerungspakets. Warum sind die Österreicher so anders geworden, dort hinerzogen worden?
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die nächste Bundesregierung eine große Steuerreform umsetzt?
Ich glaube, dass das nicht stattfinden wird oder nur in einem sehr eingeschränkten Umfang. Weil im Wahlkampf spielt Wirtschaft nur eine untergeordnete Rolle. Illegale Migration ist das große Thema. Natürlich bin ich gegen illegale Migration, aber das ist doch nicht DAS Thema.
Welches dann?
Wir werden intensiv über Vermögens- und Erbschaftsteuern diskutieren. Und man wird uns dann sagen, das ist eh nicht in der Höhe passiert, wie es die andere Partei verlangt hätte. Wir haben genügen Steuern. Wir sind eines der höchst besteuerten Länder Europas. Aber es wird von gewissen Institutionen Mythen transportiert, dass mit diesen Steuern 22 Milliarden einnehmen. Dabei hat Frankreich mit dem 14-fachen BIP Österreichs nur 4 Milliarden zusammen gebracht. Hier werden Dinge behauptet, die in der Realität nicht umzusetzen sind.
Stichwort Inflation: Nächste Woche kommt wohl die erste Leitzinssenkung. Würden Sie der EZB-Chefin Lagarde eine Schulnote geben für ihre Leistung der letzten Jahre, welche wäre das?
In der ersten Halbzeit eine 5, weil sie das Thema Inflation zu lange ignoriert hat, das Instrument der Zinspolitik nicht rechtzeitig eingesetzt hat und erst bei einer Inflation von 8 Prozent sind die Notenbanker wach geworden. Aber danach bekommen sie von mir eine sehr gute Note, weil dann hat man den Hebel umgelegt und so konsequent, wie ich mir das in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen konnte. Das hat die Inflation wieder auf ein gutes Niveau gedrückt.
Karriere
Nach dem Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften begann der Landwirtssohn seine Karriere 1983 in der Oberbank. Mit 25 wurde er jüngster Filialleiter in der Bank. 1998 wurde er Vorstand der Bank, seit 2002 leitet er diese. Sein Mandat läuft bis 2027
Privat
Der gebürtige Oberösterreicher ist Vater von drei Kindern und erwartet heuer das sechste Enkelkind. Er bezeichnet sich als begeisterter Jäger, Läufer und Berggeher. Er möchte noch den Mont Blanc besteigen und plant heuer eine Matterhornumrundung
Apropos Pension: Der typische Österreicher geht mit spätestens 65 in Pension. Warum sie nicht?
Es regt mich auf, wenn ich mich als 65-jähriger rechtfertigen muss, dass ich noch immer Freude und Leidenschaft bei der Arbeit habe. Ich bedaure alle Leute, die in ihren 50er beginnen, sich die Pension herbeizusehnen. Was glauben sie, was in diesem Lebensabschnitt passiert?!
Was ist Ihr persönlicher Ansatz punkto Alter?
Wenn man älter wird, muss man sich bei Zeiten um Energiequellen kümmern. Man braucht neben der beruflichen Tätigkeit Dinge, die einem Freude bereiten. Bei mir kommt jetzt das sechste Enkel, ich bin ein begeisterter Läufer und Berggeher. Ich habe vor den Mont Blanc zu besteigen und mache heuer eine Matterhornumrundung. Und ich bin Jäger. Und ich treffe bei all dem andere Leute, die mich von meinen Sorgen und Problemen ablenken und mir immer wieder neue Kraft geben.
War Banker immer ihr erster Berufswunsch?
Überhaupt nicht, meine Eltern waren Landwirte und es hat mich zu Beginn sehr geschmerzt, dass ich nicht auch Bauer geworden bin und eigentlich wollte ich ursprünglich auch Förster werden. Aber das hat mir meine Mutter ausgeredet. Ohne ihre Hilfe hätte ich nicht die Matura gemacht und auch nicht studiert.
Sie haben weit mehr als ihr halbes Leben haben sie in der Oberbank verbracht, davon viele Jahre im Vorstand. Was wäre ihr Leben ohne Oberbank?
Die Oberbank hat mein Leben immer bestimmt, aber es war ein Zufall, dass ich in dieses Institut gekommen bin. Zuerst wurde ich vor rund 40 Jahren von zwei Regionalbanken abgelehnt. Dann konnte ich bei der Oberbank beginnen. Als ich mit Unzufriedenheit auf meinen Gehaltszettel geblickt habe, habe ich vom damaligen Personalchef zu hören bekommen „Was wollen Sie? Sie können alles werden, auch Vorstand!“ Dann hat sich schnell herausgestellt, dass mir dieser Beruf liegt. Ich wurde mit 25 Jahren der damals jüngste Filialleiter.
Was ist das Geheimnis ihres Erfolgs?
Man muss ein kommunikativer Mensch sein, auf Menschen eingehen können und Leadership zeigen können. Es hat sich eine unglaublich starke Identifikation mit dem Unternehmen entwickelt und so hat dann immer das eine das andere ergeben. Man braucht auch immer Glück und die richtigen Mentoren. Ich blicke noch nicht zurück, aber die vier Jahrzehnte sind wie im Flug vergangen. Sie haben mich geprägt und vielleicht habe ich auch ein bisschen die Oberbank geprägt.
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