Nur Mittelmaß: Österreich fehlt es an Mut und Tempo

Nur Mittelmaß: Österreich fehlt es an Mut und Tempo
Zwei Studien halten Österreich für kaum zukunftsfähig und wenig innovativ: Was ist dran an der Kritik?

Befriedigende Noten sind für eine Wirtschaftsnation, die zu den Besten gehören will, zu wenig. Österreichs Image leidet schon seit Jahren. Jetzt attestieren zwei Studien dem Standort einmal mehr nur mittelmäßiges Niveau. Ist das ein realistischer Befund?

Im globalen Innovationsindex, den eine UN-Organisation erstellt, ist Österreich um zwei Plätze auf Rang 20 (von 128) abgesackt. Am innovativsten sind die Schweiz, Schweden, Großbritannien, USA, Finnland und Singapur. Deutschland hat sich in die Top 10 vorgekämpft. Auch hinter Österreich ist einiges in Bewegung. China hole mit "atemberaubender Geschwindigkeit" auf und ist erstmals in die Riege der 25 Top-Nationen aufgestiegen.

Woran mangelt es hier zu Lande? "Österreich tut sich sichtlich schwer, seine Stärken im Bereich Forschung und Entwicklung sowie in der Hochschulbildung für die Wirtschaft zu nutzen", sagt Kai Engel von der Beratungsfirma A.T. Kearney, die an der Studie beteiligt war. Die Hemmschuhe seien schwierige Firmengründungen, das komplizierte Steuersystem und der wenig ausgeprägte Kapitalmarkt. Hier reicht es nur für Platz 80 bzw. 81. Bei der Forschung und Entwicklung schneidet Österreich hingegen mit Platz sieben weltweit hervorragend ab.

Groß-Investition

Was möglich wäre, zeigt ein konkreter Fall: Der deutsche Pharmakonzern Boehringer Ingelheim lobt Österreichs Forschungsförderung und greift tief in die Investitionskasse, wie Österreich-Chef Philipp von Lattorff im KURIER-Interview sagt (Freitag-Ausgabe).

Und auch den jüngsten Start-up-Initiativen der Regierung zollen die Experten Lob. Geringere Lohnnebenkosten, bessere Förderungen für Risikokapitalgeber und einfachere Gründungen aus der universitären Forschung ("Spin-offs") könnten Österreich "schneller, kollaborativer und mutiger machen", hofft A.T.Kearney-Experte Christian Schuh.

Es fehlt an Mut und Tempo: Das sind auch die Kritikpunkte der deutschen Bertelsmann-Stiftung. Eine Studie der wirtschaftsliberalen Denkfabrik, die am Donnerstag veröffentlicht wurde, hält Österreich nur für mäßig zukunftstauglich. Unter 41 EU- und OECD-Ländern landet die Republik in Sachen "Nachhaltiges Regieren" auf Platz 16: Mittelmaß. Die Schweiz (Platz 4) und Deutschland (Platz 6) schneiden viel besser ab.

Nur Mittelmaß: Österreich fehlt es an Mut und Tempo
Österreichs starres Politsystem sei "wenig erfolgreich darin, sich an neue soziale und wirtschaftliche Herausforderungen anzupassen", schreiben die Autoren. Die mächtigen Bundesländer, die Sozialpartner und Koalitionsregierungen, die auf Kompromisse ausgelegt sind: Früher hat das Österreich stabil und zuverlässig gemacht. Jetzt drohe eine blockierte Republik den Anschluss an die Zukunft zu verpassen, warnt die Studie. Wo liegen die Defizite?

Bildung (Platz 22)

Diese wird in Österreich weiterhin oft vererbt: Der soziale Status der Eltern entscheidet maßgeblich über den Schulabschluss der Jugendlichen. Die frühe Aufgliederung der Schulformen nach der vierten Volksschulklasse verstärke das noch. Eine Reform in Richtung Ganztags- und Gesamtschule scheitere aber am Widerstand der Lehrergewerkschaft und Teilen der ÖVP, kritisieren die Autoren.

Dass die Sozialpartner eine Bildungsreform blockieren würden, könne nur vom "Hörensagen" kommen, kontert Bernhard Achitz, leitender Sekretär des Gewerkschaftsbundes, im Gespräch mit dem KURIER: Er verweist auf die gemeinsamen Reform-Vorschläge von ÖGB und Wirtschaftskammer.

Pensionen (Platz 26)

Das System sei langfristig nicht tragfähig und schon heute nicht generationengerecht, warnen die Forscher. "Diese Sicht teilen wir ganz und gar nicht", widerspricht Achitz: "Im Gegenteil, das deutsche System ist viel weniger nachhaltig. Dort droht den Pensionisten Altersarmut, weil weit übers Ziel hinausgeschossen wurde." Ob Reformen gut oder schlecht sind, sei immer eine Bewertungsfrage.

Budget und Steuern (Platz 27 und 26)

Lob gibt es von der Studie dafür, dass der Finanzrahmen mittelfristig die Ausgaben begrenzt. Kritisiert wird der eher langsame Abbau der Staatsschulden. Die Steuerlast würde zu stark der arbeitenden Bevölkerung aufgebürdet. Die Steuern hätten zudem nur geringe Umverteilungswirkung – anders als Transferzahlungen.

Zuwanderung und Integration (Platz 23)

Österreich schafft es nicht, mit der Rot-Weiß-Rot-Karte gezielt hoch qualifizierte Arbeitskräfte ins Land zu holen. Und die jüngste Flüchtlingswelle habe das Land überfordert. Schärfere Asylbestimmungen seien somit verständlich, aber hinderlich bei der Integration.

Für die Bertelsmann-Studie wurden 100 Experten zu 136 Indikatoren befragt – allerdings schon im Zeitraum November 2014 bis November 2015. Seither hat in Österreich die Steuerreform gegriffen, ein neuer Kanzler das Ruder übernommen und die Wachstumsprognosen haben sich aufgehellt. Das lässt hoffen.

"Wir machen uns tendenziell schlechter, als wir sind", sagt auch Achitz. Seine These, warum die Skandinavier bei Umfragen oft so gut abschneiden: In diesen Ländern stünden Experten aus allen politischen Lagern geschlossen hinter der Wirtschaftspolitik und dem Sozialsystem.

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