Notbremse beim Glyphosat-Verbot
Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein zog die Notbremse. Das im Juli vom Nationalrat beschlossene Verbot des Unkrautvernichters Glyphosat wird nicht kundgemacht und wird somit nicht im kommenden Jahr in Kraft treten.
Die EU-Kommission hat der Bundesregierung wegen des Glyphosat-Verbotes mit einem Vertragsverletzungsverfahren gedroht. Daher die Entscheidung der früheren Verfassungsrichterin Bierlein.
Grünes Mäntelchen im Wahlkampf
Trotz dieser Rechtslage wurde im Nationalrat im Sommer mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und Neos ein Totalverbot auf Bundesebene beschlossen. Im Wahlkampf wollten sich die Parteien ein grünes Mäntelchen umhängen. Die EU konnte das Gesetz nicht begutachten, weil bis zum Beschluss im Nationalrat nicht mehr genug Zeit dafür war.
Mit einem Schreiben vom 29. November hat die EU-Kommission der Bundeskanzlerin gedroht, dass ein Inkrafttreten des Gesetzes ohne Begutachtung durch die EU-Kommission zu einem Vertragsverletzungsverfahren führen könnte.
Da Österreich den Gesetzesentwurf nicht rechtzeitig zur Begutachtung an die EU verschickt hat, „kann die Kommission keine Stellungnahme zum Inhalt des Bundesgesetzes abgeben“, heißt es in dem Brief.
Totalverbot nicht möglich
Die Interpretation von Umweltorganisationen, die EU habe gegen das Glyphosatverbotsgesetz keine inhaltlichen Einwände, ist eine Falschmeldung. Die Kommission konnte das Bundesgesetz inhaltlich nicht prüfen. Diese fand aber durch die Kommission bereits beim Kärntner Gesetz statt. Das Ergebnis ist bekannt. Ein Totalverbot von Glyphosat ist nicht möglich.
Die SPÖ gibt sich damit nicht zufrieden. Die Partei hat angekündigt, noch diese Woche einen neuen Antrag auf ein Totalverbot von Glyphosat im Nationalrat einzubringen. Wenn diesmal die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden, muss es der Kommission vor der Prüfung vorgelegt werden.
Da ein Totalverbot in Kärnten rechtswidrig war, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Totalverbot auf Bundesebene im Einklang mit dem EU-Recht steht, nahe gegen Null.
SPÖ, Grüne, Umweltorganisationen suchen die Fehler bei der Bundesregierung.
Für SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried ist es „unverständlich“, warum Bierlein das Gesetz gestoppt hat. FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl ortet einen „fahlen Beigeschmack“ und die Grünen drängen weiter auf ein Totalverbot. Greenpeace sieht gar einen „Verrat an der Demokratie“.
Verlängerung unwahrscheinlich
Dabei ist es unwahrscheinlich, dass Glyphosat in der EU über das Jahr 2022 hinaus angewendet werden darf. Die Verlängerung kam 2017 nur deshalb zustande, weil der damalige deutsche CSU-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt gegen den Willen der SPD für eine Verlängerung gestimmt hat.
Glyphosat wird in Österreich angewendet, um Pflanzenrückstände jeglicher Art vom Feld zu entfernen. Das ist einfacher als das mechanische Entfernen durch mehrmaliges Pflügen.
Die Anwendung von Glyphosat in den USA folgt anderen Regeln. In Amerika wird Glyphosat bei gentechnisch veränderten Pflanzen verwendet, die gegen den Wirkstoff immun sind. Alle anderen Pflanzen sterben ab, nur die gentechnisch veränderte Nutzpflanze bleibt über. Man kann Glyphosat in den USA daher mehrmals bis kurz vor der Ernte einsetzen. Das ist in Österreich nicht möglich.
Die Diskussion über Glyphosat begann, weil die bei der Weltgesundheitsorganisation WHO angesiedelte Krebsagentur IARC Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hat. Die Zulassungsbehörden in der EU teilen diese Ansicht nicht.
Man kann Glyphosat auch meiden: Bei Bioprodukten ist die Anwendung generell verboten.
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