Der Milchmarkt ist international aufgestellt. Laut Branchenzahlen geht die Hälfte der österreichischen Milch in den Export, während ein Drittel der hierzulande verkauften Molkereiprodukte aus dem Ausland kommen. Alfred Berger, der die niederösterreichische Molkerei NÖM gemeinsam mit seinem Kollegen Josef Simon führt, über österreichische Milch für Sizilien, die Untersuchungen der Wettbewerbshüter in der österreichischen Lebensmittelbranche und die Frage, wer schuld an den gestiegenen Preisen ist.
KURIER:Die NÖM hat im Vorjahr 565 Millionen Euro umgesetzt, die Hälfte davon im Ausland. Wer sind die wichtigsten Abnehmer?
Alfred Berger: Unser größter Markt ist Italien und hier vor allem Sizilien, wo vor elf Jahren unser Italien-Projekt gestartet ist. Wir sind der zweitgrößte Verkäufer von Molkereiprodukten auf Sizilien, pro Supermarkt kann man um die 50 Artikel unserer Marke „milk“ kaufen. Glücklicherweise verkaufen wir hier auch größtenteils nur Marke, im Unterschied zu Deutschland, wo wir ein großer klassischer Handelsmarkenproduzent sind.
Mit Verlaub: Warum wird Milch aus Österreich bis nach Sizilien gekarrt?
Ab Rom ist es sehr heiß und die Hitze ist den Kühen nicht zuträglich. Wir liefern übrigens nicht Rohmilch, sondern gleich veredelte Produkte. Diese werden ausnahmslos an unserem Standort in Baden produziert. Und eines ist auch klar: Ohne internationale Ausrichtung, also Exportgeschäft, könnten wir von den 2.500 Landwirten, die uns beliefern, nicht einmal halb so viel Milch abnehmen.
Wer sind Ihre Konkurrenten auf Sizilien und ist der italienische Markt mit dem österreichischen Heimmarkt vergleichbar?
Von der italienischen Parmalat (Anm.: Lactalis-Gruppe) bis zur französischen Danone sind alle namhaften Markenhersteller vor Ort. Der Zentralisierungsgrad im italienischen Handel ist noch deutlich geringer. In Österreich gibt es vier große Handelsketten (Anm.: Rewe, Spar, Hofer und Lidl teilen sich rund 90 Prozent des Marktes untereinander auf). In Italien sind es um die 270, das macht die Durchdringung und mechanische Listung schwieriger, aber bei Erfolg auch nachhaltiger.
Bio spielt bei der Molkerei NÖM eine Nebenrolle – wie kommt’s?
Nirgends in Europa ist der Stellenwert und damit Marktanteil von Bio so hoch wie in Österreich. Für den heimischen Markt ist Deutschland Bio-Exportland Nummer 1, aber das Geschäft ist rückläufig, weil deutsche Landwirte zuletzt ihre eigene Bio-Produktion deutlich erhöht haben. Der Rohmilch-Bio-Anteil von NÖM liegt bei zehn Prozent. Bei den Produkten deutlich weniger, hier gibt es nur unsere Waldviertler Bio-Linie, die aber, da die Handelspartner ja alle eigene Bio-Marken haben, eine dementsprechend geringe Distribution hat.
NÖM produziert nicht nur unter eigenen Namen, sondern auch Eigenmarken für Handelshäuser. Gab es in Zeiten der Inflation Verschiebungen?
Vor dem Inflationsjahr 2022 war das Verhältnis noch bei 50 zu 50. Bei Trinkmilch ist der Handelsmarken-Anteil jedoch bei über 65 Prozent. Ähnlich bei Schlagobers und Sauerrahm. In der Teuerungskrise ist der Eigenmarkenanteil gestiegen – generell in den Supermärkten als auch bei uns.
Wir sehen uns definitiv nicht als Inflationstreiber
von Alfred Berger
Laut Händlern gab es im vergangenen Jahr eine ganze Reihe von Preiserhöhungen bei Milchprodukten. Haben jetzt nicht mal mehr die Bauern einen Grund zu Jammern?
Die Preiserhöhungen waren alle leider dringend notwendig. Durch Knappheiten am deutschen Markt ist die Rohstoff-Nachfrage dramatisch gestiegen und hat die Rohmilchpreise verdoppelt. Alle anderen Faktoren, vorrangig Energie – Strom und Diesel – sind ausreichend bekannt. Jetzt ist alles wieder in die andere Richtung unterwegs. Daher ist etwas Jammern leider schon wieder angebracht. Es laufen ja immer Verhandlungen mit den Einkäufern der Handelsketten.
Die NÖM mit Sitz in Baden wird laut eigenen Angaben von 2.500 Milchbauern aus Niederösterreich, dem Burgenland und der Oststeiermark versorgt. Der Umsatz betrug im Vorjahr 563 Mio. Euro
Milchmarkt 2022
2022 wurde im Lebensmittelhandel mit Milch- und Milchprodukten laut AMA-Schätzungen 2,1 Mrd. Euro umgesetzt, nur auf Frischmilch und länger haltbare Milch (ESL) entfielen davon 298 Mio. Euro.
Österreichs Exporte von Milchprodukten erreichten 2022 mit 1,7 Mrd. € (+26,2 %) einen Höchstwert, die Importe legten um 229 Mio. auf 1,07 Mrd. € zu (+27,2 %). Wichtigstes Exportland ist Deutschland (51%), gefolgt von Italien, den Niederlanden und Griechenland
Die Inflationsrate ist weiterhin hoch ...
... aber wir sehen uns definitiv nicht als Inflationstreiber. Bei den aktuellen Strom-Produktionskosten und den Rechnungen, die wir an die Monopolisten zahlen müssen, liegt wirklich viel im Argen. Wir reden von einer Vervielfachung, die sich in unserem Unternehmen allein im Energiebereich im zweistelligen Millionenbereich niederschlägt. Auch die Verpackungspreise sind explodiert. Hier ist noch der Ukraine-Krieg hinzugekommen, der die Warenströme nochmals verändert und verteuert hat. Da gab es fast keinen Wert, der sich nicht mindestens verdoppelt hat.
Die Bundeswettbewerbsbehörde ermittelt in der Lebensmittelbranche – wieder einmal. Wie ist die Untersuchung in der Praxis abgelaufen und kann sie diesmal etwas bringen?
In dem Schreiben und Auskunftsansuchen der Wettbewerbsbehörde ging es um den fairen Umgang und Machtmissbrauch. Wir haben das genau gelesen und dementsprechend exakt ausgefüllt, um eventuelle Schieflagen aufzuzeigen. Wir begrüßen eine Kontrolle für einen fairen Umgang miteinander, aber dass in diesen Bereichen und mit den Verwerfungen der letzten Jahre – von Corona bis zur Inflation – jeder hier bis zum letzten seine Position verteidigt, ist halt auch logisch.
Kommentare