Im Kuhstall soll der Methanausstoß reduziert und die Effizienz gesteigert werden. Konzerne wie Nestle und Starbucks wollen so ihre CO2-Bilanz verbessern
Uni-Professor Frank Mitloehner über frei laufende Rinder in Indien und Hochleistungstiere in den USA und warum der Umstieg auf Veggie-Burger nicht zu weniger Rindfleischproduktion führt.
KURIER: Laut der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO kommen 14,5 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen aus der Haltung und Verarbeitung von Tieren…
Frank Mitloehner: In diesem Wert ist der sogenannte Landnutzungswandel inkludiert, also etwa die Rodung von Wald für Weiden oder den Sojaanbau in Brasilien. Tatsächlich haben nur sechs bis sieben Prozent der Treibhausgasemissionen direkt mit der Tierproduktion zu tun. Und in entwickelten Ländern, wie den USA, Deutschland oder Österreich, ist die Quote viel niedriger. Meist drei, vier Prozent.
Wie kommt das?
Denken Sie an Äthiopien oder Bolivien. Dort gibt es kaum Verkehr und Fabriken, aber sehr viel Landwirtschaft. So kommt es, dass mitunter bis zu 60 Prozent der Treibhausgasemissionen eines Landes aus der Landwirtschaft kommen. Weltweit gehen bis zu 80 Prozent der Treibhausgase aus der Landwirtschaft auf das Konto von Entwicklungsländern.
Arme Länder sollen hauptverantwortlich sein? Das müssen Sie vorrechnen ...
Ein Beispiel: Die 9 Millionen Milchkühe, die in den USA leben, produzieren mehr Milch als die 300 Millionen Kühe in Indien. Eine amerikanische Kuh liefert mehr als 10.000 Liter pro Jahr, eine indische bestenfalls ein Zehntel davon, eine afrikanische 500 Liter. Man braucht also mehr Tiere für dieselbe Produktionsmenge.
In Indien sind Kühe heilig, werden nicht geschlachtet und frei gelassen, wenn sie keine Milch mehr geben …
Ja, aber vielleicht wäre es besser, sie an jemanden zu verkaufen, der sie schlachten darf. Es geht mir hier nicht darum, mit dem Finger auf andere zu zeigen, aber wenn wir Emissionen verringern wollen, müssen wir alte Verhaltensmuster überdenken. Muss der Deutsche über die Autobahn rasen, der Texaner jeden Tag Steak essen und die indische Kuh jahrelang durch die Straßen irren?
Vielleicht würde es helfen, wenn wir wirklich auf Veggie-Burger umsteigen.
Wir haben gerade eine Studie gemacht, die folgendes zeigt: Würden US-Amerikaner 15 Prozent ihrer Fleisch-Burger durch vegane Alternativen ersetzen, würden die US-Treibhausgase um 0,07 Prozent sinken.
Warum nicht mehr?
Weil Rinder für Steaks und Schnitzel gezüchtet werden, das Faschierte fürs Fleischlaberl ist ein Nebenprodukt. Ersetzen wir es durch vegane Alternativen, hat das kaum Einfluss auf die Zahl geschlachteter Tiere.
Was ist dann die Lösung?
Wir müssen den Bauern helfen, den Umwelteinfluss bzw. den Methanausstoß der Rinder zu reduzieren.
Sprich, die Industrie soll dafür sorgen, dass die Tiere weniger rülpsen und damit weniger Methan ausstoßen?
Unter anderem. In 5, 6 Jahren werden Futtermittel zugelassen sein, die die Methanproduktion pro Tier um 10 bis 50 Prozent verringern.
Klingt nach High-Tech-Futter in High-Tech-Ställen, nicht direkt nach Tierwohl …
Es geht um Futterzusätze, die jene Mikroben im Rindermagen verdrängen, die für die Methanproduktion zuständig sind. Die meisten Zusätze sind natürlichen Ursprungs – Zitronengras, Oregano, Tannin … In fünf Jahren werden sie eingesetzt werden, davon bin ich überzeugt. Nicht nur wegen der Umwelteffekte, sondern weil sie einen skalierbaren betriebswirtschaftlichen Gewinn bringen.
Ja, weil mit dem Methan etwa zehn Prozent der gefütterten Energie verloren gehen, steigt mit der Methan-Reduktion die Effizienz.
Klingt nach einem Geschäft für Großkonzerne. Sind die Lebensmittelriesen schon aufgesprungen?
Nestlé, der größte Lebensmittelproduzent der Welt, hat Millionen in dieses Thema investiert. Wenn der Konzern seine CO2-Bilanz verbessern will, hat er zwei Möglichkeiten. Den Konsumenten sagen, sie sollen weniger konsumieren oder die CO2-Belastung entlang der Wertschöpfungskette verbessern. Sprich, den Hebel in der Landwirtschaft ansetzen. Dasselbe gilt für Starbucks, den größten Milcheinkäufer der Welt. Solche Konzerne warten nicht, bis irgendeine Regierung etwas zur CO2-Reduktion tut, sie werden selbst aktiv.
Welche Möglichkeit gibt es noch?
Den Hebel bei der Gülle anzusetzen, so wie es Kalifornien vormacht. Kalifornien produziert 20 Prozent der US-Milch und hat in den vergangenen Jahren die Methanbelastung in der Milchproduktion um 25 Prozent gesenkt.
Wie?
Durch Fortschritte in der Gülleaufbereitung, die in Kalifornien stark gefördert wurde. In mit Planen abgedeckten Güllebecken wird das Biogas aufgefangen, das zu 60 Prozent aus Methan besteht. Es wird gesäubert und in Treibstoff für Lkw umgewandelt wird. Dieser Treibstoff ersetzt dann Diesel. Überall in Kalifornien entstehen derzeit solche Güllebecken.
Der Deutsche Frank Mitloehner ist Professor und Luftqualitätsspezialist an der Universität of California/UC Davis, Abteilung Tierzucht-
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