Volkswagen fährt Image zu Schrott

Volkswagen schlittert immer tiefer in die Bredouille: Auf den Stickoxid-Skandal folgt die CO2-Affäre. Was kommt noch ans Tageslicht?
Auch bei CO2-Werten soll VW gedreht haben, Händler haften für falsch berechnete Auto-Steuer.

Beim deutschen Volkswagen-Konzern schreitet die Selbst-Demontage mit Vollgas voran. Neben dem Skandal um die manipulierten Stickoxid-Werte bei elf Millionen Diesel-Fahrzeugen dürfte der Wolfsburger Autobauer auch bei den Kohlendioxid-Werten (CO2) getrickst haben. Bei 800.000 Autos (davon 98.000 Benziner) sollen die Emissionen des Klimakillers CO2 höher sein, als in den Typenscheinen angegeben wird. Laut Konzern-Angaben sollen Dieselfahrzeuge mit 1,4 Liter, 1,6 Liter und 2,0 Liter Hubraum betroffen sein; darunter die VW-Modelle Golf, Passat und Polo, die Audi-Typen A1 und A3, der Skoda Octavia und bei Seat die Modelle Ibiza und Leon. Welche Länder von den neuen Tricks betroffen sind, ist unklar. Aber das wirtschaftliche Risiko, sprich den möglichen Schaden, dieses zweiten Abgas-Problems beziffert VW mit rund zwei Milliarden Euro.

"Sind die CO2-Emissionen eines Fahrzeugs höher, bedeutet das auch einen höheren Treibstoff-Verbrauch", sagt ÖAMTC-Experte Martin Grasslober im Gespräch mit dem KURIER. "Der Zusammenhang zwischen Kohlendioxid-Emissionen und dem Verbrauch ist sowohl beim Diesel als auch beim Benziner gegeben. Nur der Umrechnungsfaktor ist ein anderer." So erzeugt ein Liter Diesel 2650 Gramm CO2, ein Liter Benzin 2360 Gramm CO2. Da aber Diesel-Fahrzeuge auf hundert Kilometer weniger Liter Treibstoff verbrauchen als Benziner, stoßen Dieselautos unterm Strich dennoch weniger Kohlendioxid aus.

Kunden unbehelligt

Wird ein neues Fahrzeug in Österreich auf die Straße losgelassen, wird die Normverbrauchsabgabe (NoVA), eine einmalige Steuer, fällig. Sie richtet sich nach dem CO2-Ausstoß pro Kilometer und dem Fahrzeugwert.

"Der Händler muss bei einem Neuwagen-Kauf die NoVA berechnen, auf den Preis aufschlagen und an die Finanz abführen", sagt der ÖAMTC-Experte. Sollte der Kohlendioxid-Wert eines Autos tatsächlicher höher sein, als bisher bekannt ist, und eine zu niedrige NoVA bezahlt worden sein, hat der Kunde aber keine finanziellen Nachteile zu befürchten.

"Der Autokäufer darf und kann nicht für eine falsche NoVA herangezogen werden", sagt Grasslober. "Das Finanzministerium muss sich am Händler schadlos halten." Diese Ansicht teilt auch das Finanzministerium. Die Abgabenlast, sprich eine Nachversteuerung, liege beim Händler, heißt es aus dem Finanzministerium.

Europäische Lösung

"Wir könnten uns vorstellen, dass sich VW in den jeweiligen Ländern direkt mit den Steuerbehörden einigt. Es gibt ja überall andere Bedingungen", sagt ÖAMTC-Expertin Elisabeth Brandau zum KURIER. "Auch die österreichische Finanz wird nicht bei Tausenden Fällen nachwassern, ob die NoVA gestimmt hat oder nicht."

Stickoxide (NOx)

Gesundheitsschädliche Stickoxide stammen vorwiegend aus Auto-Abgasen. NOx können Schleimhäute angreifen, zu Husten und Atembeschwerden sowie zu Kreislauf- und Herzproblemen führen. Dieselmotoren stoßen mehr Stickoxide aus als Benziner. EU- Grenzwerte: 80 Milligramm pro gefahrenem Kilometer bei Diesel, 60 g bei Benzinmotoren.

Kohlendioxid (CO2)

Das bedeutendste Treibhausgas ist zu 76 Prozent für die vom Menschen verursachte Erderwärmung verantwortlich. Der Straßenverkehr verursacht in Österreich rund ein Viertel der CO2-Emissionen. Die Autohersteller in der EU müssen im Durchschnitt bei ihrer Pkw-Flotte 130 Gramm CO2 pro Kilometer erreichen. 2021 sind nur noch 95 g/km erlaubt.

Die Ausweitung des Abgas-Skandals kostet die VW-Aktionäre weiter Geld. Am Mittwoch stürzte die Aktie des Autoriesen um bis zu knapp elf Prozent ab, am späten Nachmittag machte das Minus 8,7 Prozent aus. Mit dem aktuellen Kurs von 102 Euro hat die Aktie seit dem Bekanntwerden der Manipulation der Abgaswerte Ende September bereits mehr als 37 Prozent verloren.

Unter die Räder kamen auch die Aktien von BMW und Daimler (Mercedes), wenn auch nicht so stark. BMW büßte 0,7, Daimler 1,8 Prozent ein. Die Kursrückgänge bremsten auch den deutschen Leitindex DAX auf dem Weg zur 11.000-Punkte-Marke. Der Index pendelte sich unterhalb von 10.900 Zählern ein. Flau fiel auch die Zwischenbilanz der DAX-Konzerne beim Gewinn aus. Die 15 Schwergewichte, die ihre Halbjahresergebnisse bereits veröffentlicht haben, erlitten laut Analyse von Ernst & Young zusammen einen drastischen Rückgang des Betriebsergebnisses um 70 Prozent auf 4,9 Mrd. Euro. Allerdings steigerten 12 der 15 Firmen den Gewinn. Schuld an der schlechten Gesamtsumme sind Milliardenverluste bei VW und der Deutschen Bank.

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