Nach Boeing-Flugverbot: TUI könnte heuer 200 Millionen verlieren

Der Tourismuskonzern rechnet nach dem Flugverbot für die Boeing 737 MAX 8 mit horrenden Verlusten.

Die Flugverbote für Boeings Mittelstreckenjet 737 Max durchkreuzen die schon gekappten Gewinnpläne des weltgrößten Reisekonzerns TUI. Weil das deutsche Unternehmen reihenweise Ersatzflugzeuge mieten muss, rechnet TUI-Chef Fritz Joussen für das laufende Geschäftsjahr bis Ende September mit deutlichen Einbußen. Am Ende könnte der operative Gewinn um mehr als ein Viertel einbrechen

Anleger an der Börse nahmen den Gewinneinbruch vorweg. Der Kurs der TUI-Aktie knickte zum Handelsstart in London um mehr als zehn Prozent ein und lag zuletzt noch mit gut acht Prozent im Minus. Seit Jahresbeginn hat die Aktie mehr als ein Drittel an Wert verloren.

Acht weitere Maschinen geplant gewesen

TUI hat 15 Maschinen von Boeings 737-Max-Reihe in der Flotte - bei seinen Airlines in Großbritannien, Belgien und den Niederlanden. Bis Ende Mai wollte der Konzern eigentlich acht weitere Maschinen der Reihe in seine Flotte aufnehmen - auch bei seiner deutschen Tochter TUIfly, die bisher noch keinen Flieger des Typs besitzt.

Nach zwei Abstürzen von Flugzeugen bei den Fluggesellschaften Lion Air und Ethiopian mit 346 Toten haben Luftfahrtbehörden in aller Welt vor kurzem Flugverbote für die Maschinen der Reihe verhängt. Auch die Auslieferung neuer Maschinen ist gestoppt. Auch die US-Fluggesellschaft Southwest Airlines musste wegen den Flugverboten bereits die Gewinnprognose kappen.

Zwei mögliche Szenarien

Weil ein Ende der Flugverbote bisher nicht absehbar ist, hat die TUI-Führung zwei Szenarien durchgerechnet. Sollten die Maschinen bis Mitte Juli wieder fliegen dürfen, werde dies den operativen Gewinn (bereinigtes Ebita) voraussichtlich mit rund 200 Mio. Euro belasten. Sollten die Flugverbote länger gelten, kämen weitere 100 Mio. Euro an Kosten hinzu, wie der Reisekonzern am Freitag in Hannover mitteilte.

TUI erklärte dies mit der Verlängerung bestehender Flugzeug-Leasingverträge, Kosten für die Miete weiterer Ersatzmaschinen und den Kosten für die Umorganisation. Zudem muss der Konzern voraussichtlich mehr Geld für Treibstoff ausgeben als gedacht: Boeings 737-Max-Jets verbrauchen deutlich weniger Kerosin als ältere Flugzeuge wie der Vorgänger Boeing 737 NG. Ohne die neuen Flieger muss TUI mehr Maschinen mit höherem Verbrauch einsetzen.

Die Mehrkosten haben Auswirkungen auf den operativen Gewinn des Konzerns. Im günstigeren Fall - wenn die Maschinen spätestens Mitte Juli wieder abheben dürfen - dürfte das Ergebnis von zuletzt knapp 1,2 Mrd. Euro um 17 Prozent im laufenden Geschäftsjahr sinken, rechnete TUI vor. Sollten die Flugverbote länger dauern, werde der operative Gewinn sogar um bis zu 26 Prozent einbrechen.

TUI-Chef Joussen hatte seine Gewinnprognose bereits Anfang Februar gekappt. Wegen des anhaltenden Trends zu Last-Minute-Buchungen und den Auswirkungen des Brexit auf die Buchungen aus Großbritannien sollte der operative Gewinn seither nur noch stagnieren. Ursprünglich hatte der Vorstand eine Steigerung um zehn Prozent vor Währungseffekten in Aussicht gestellt.

Boeing stellte MCAS-Update vor

Inzwischen hat Boeing ein dringend erwartetes Update seiner nach den beiden Flugzeugabstürzen in die Kritik geratenen Steuerungs-Software MCAS vorgestellt. Nach den tödlichen Unglücken bleiben die Kritik und der Aufklärungsbedarf groß. Neben dem Software-Update, das noch von den Aufsichtsbehörden genehmigt werden muss, will Boeing die Sicherheit der Unglücksflieger der 737-Max-Serie mit weiteren Alarmfunktionen im Cockpit und zusätzlichem Training für Piloten erhöhen.

Für den Verkaufsschlager hat Boeing Aufträge von mehr als einer halben Billion Dollar ausstehen. Doch die ersten Airlines widerrufen mittlerweile ihre Aufträge. Die indonesische Sriwijaya Air hat den Leasingvertrag für zwei 737 MAX gekündigt, wie ein Sprecher erklärte. Zuvor hatte deren Muttergesellschaft Garuda aus Indonesien als erste einen Auftrag über 49 Flugzeuge des Typs storniert mit der Begründung, die Passagiere hätten das Vertrauen in dieses Modell verloren.

TUI gehört zu den größeren Bestellern aus Europa, wollte sich am Freitag aber nicht dazu äußern, ob die Order bestehen bleibt oder womöglich Schadenersatz von Boeing gefordert wird. Das Unternehmen sei zu allen Fragen aber im direkten Austausch mit dem Flugzeugbauer, sagte ein TUI-Sprecher. Der norwegische Billigflieger Norwegian hatte bereits kurz nach Verhängung der Flugverbote Schadenersatz-Forderungen gegen Boeing angekündigt.

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