Wolfgang Schäuble: "Mr. Eurogruppe" sagt adieu

Deutschlands Finanzminister tritt nicht leise ab. Seine Pläne für den ESM schmecken nicht jedem.

Sentimentalität ist seine Sache nicht. So muss es Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble denn besonders nahegehen, wenn er angesichts seines letzten Treffens der Eurogruppen- und EU-Finanzminister fast schon wehmütig eingesteht: "Natürlich ist ein gewisser Abschiedsschmerz dabei."

Acht Jahre lang war Schäuble die unbestritten prägendste Figur in der Eurogruppe, dem wichtigsten Finanzgremium der EU. Gestern nahm er dort in Luxemburg seinen Abschied, heute absolviert er sein letztes Treffen der EU-Finanzminister. Am 24. Oktober wird der studierte Wirtschaftsjurist die letzte Stufe seiner langen und wechselvollen politischen Karriere erklimmen und zum Präsidenten des Bundestages gewählt werden.

"Schäuble nicht mehr dabei, das kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen", murmelt ein deutscher Diplomat in Brüssel. Da schwingt ein wenig die Sorge vieler Nordeuropäer mit, der Abgang des gestrengen Christdemokraten würde nun der Ausgabenfreudigkeit in den Ländern des südlichen Europas Tür und Tor öffnen. Schließlich galt der deutsche Finanzminister, der sich selbst "als nicht pflegeleicht" und als "Mensch mit gewisser Sturheit" bezeichnet, als Garant für Ausgabendisziplin, strikten Sparkurs und rigorose Umsetzung aller vereinbarten Ziele.

Sein beharrliches Festhalten am eisernen Sparen brachte ihm daheim in Deutschland großer Wertschätzung ein. Für Griechenland aber wurde der seit einem Attentat im Jahr 1990 im Rollstuhl sitzende Schäuble zur Symbolfigur schmerzvoller Austeritätspolitik, zum Buhmann, zum "verhassten Deutschen". Schuldenerleichterungen für Griechenland lehnte er stets ab, plädierte gar für einen "Grexit", also einen Rauswurf Athens aus der Eurozone.

Kühler Pragmatiker

Doch von schlechter Presse, giftenden Kollegen wie Griechenlands Ex-Finanzchef Yannis Varoufakis oder Zweifeln ließ sich der nüchterne Pragmatiker Schäuble nie lenken.

"Es ist nicht leicht, Entscheidungen zu treffen, die kurzfristig unpopulär, aber mittelfristig notwendig sind", sagte Schäuble in seinem Abschiedsinterview mit der Financial Times. "Aber es macht die Sache nicht leichter, wenn man sie nicht trifft."

Und so liegen vor der Eurozone noch viele Entscheidungen, die aus Sicht Schäubles getroffen werden müssen: Maßnahmen zur weiteren Stabilisierung des Euro. Den will der glühende Europäer Schäuble irgendwann in allen EU-Staaten als Zahlungsmittel wissen.

Nein zur Transferunion

Alle Pläne, die "zur Vertiefung der Europäischen Union beitragen", hieß Schäuble auch gestern wieder gut. Was er nicht sagte: Alles ausgenommen, was irgendwie nach Transferunion klingt – also dem Verschieben von Finanzmitteln aus reicheren in ärmere EU-Staaten oder gar die Vergemeinschaftung von Schulden.

Als "Abschiedsgeschenk" ließ der 75-Jährige, der einst als Helmut Kohls Kronprinz gegolten hatte, nicht unumstrittene Pläne zurück: Den "Europäischen Stabilitätsmechanismus" ESM (vulgo: Euro-Rettungsfonds) will Schäuble aufgewertet wissen. Soll heißen: Der ESM soll mehr Kontrolle darüber erhalten, ob die Eurostaaten die Schuldenregeln der Währungsunion auch einhalten. Das würde aber auch bedeuten: Weniger Kontrolle und dadurch weniger Macht für die EU-Kommission, was dieser naturgemäß wenig schmeckt.

Ob harter Sparkurs oder Skepsis angesichts eines Europäischen Finanzministers, wie ihn Frankreichs Präsident Macron fordert – Schäubles Haltung trug auch Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling fast immer vorbehaltlos mit. Und wie für seinen deutschen Amtskollegen könnte es auch für den ÖVP-Minister eines seiner letzten EU-Finanzministertreffen gewesen sein. Dem Vernehmen nach soll ein potenzieller Kanzler Kurz im Fall seines Wahlsieges überlegen, den Großteil der aktuellen Minister abzuberufen – Schelling inklusive.

Was beim Treffen der Finanzminister diskutiert wird

Steuern

Die EU-Finanzminister diskutieren heute eine grundlegende Reform der Mehrwertsteuern, die in allen 28 EU-Staaten noch immer unterschiedlich geregelt wird. Das soll sich grundlegend ändern, die Reform soll EU-weit 150 Milliarden Euro einbringen.

Reform des ESM

Der 500 Milliarden schwere Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) hat fünf Euro-Staaten mit Krediten vor der Pleite bewahrt. Nun soll der Fonds aufgewertet werden und mehr Kontrollmacht erhalten (siehe Artikel).

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