Mobilfunker wettern gegen "absurde Regulierung"

Surfen im Ausland wird günstiger
Verletzung gegen Netzneutralität: Telekom-Regulator will Betreibern eigene Virenschutz-Programme abdrehen

Was dürfen Telekom-Netzbetreiber ihren Kunden anbieten und was nicht? Diese Frage sorgt derzeit für gehörigen Wirbel in der heimischen Mobilfunkbranche. In seltener Eintracht mobilisieren die Betreiber A1, T-Mobile und Drei gemeinsam gegen eine aus ihrer Sicht „absurde Regulierung“.

Die Telekom-Regulierungsbehörde RTR leitete kürzlich ein Verfahren gegen die Mobilfunker ein, weil sie unter anderem mit eigenen, netzwerkweiten Anti-Viren- oder Kinderschutz-Programmen gegen die neuen EU-Regeln zur Netzneutralität (Erklärung siehe unten) verstoßen könnten. Die Netzneutralität verbietet Telekom-Betreibern, in ihrem Netz Sperren oder Blockaden von bestimmten Inhalten, Diensten oder Webseiten vorzunehmen. Einfach gesagt: Das Web muss frei zugänglich sein, der Netzbetreiber soll sich darauf beschränken, Netzbetreiber zu sein.

Konkret betroffen sind Schutzprogramme gegen Viren, Spyware oder Kinderpornografie, die die Netzbetreiber gegen Gebühr selbst warten und daher nicht vom Kunden bei Fremdanbietern erworben und aufs Handy runtergeladen werden müssen. Zum Teil werden die Zusatzservices von österreichischen Start-ups zugekauft.

Zusatzgeschäft

Für die Betreiber freilich ein schönes Zubrot. A1 verlangt für den „Handyschutz“ 1,90 Euro im Monat. Eine eigene „Privacy Control“ überprüft dabei auch installierte Apps auf Risiken für die Privatsphäre. T-Mobile offeriert seinen Kunden sowohl einen integrierten „Internetschutz“ um 1,90 Euro als auch einen „Kinderschutz“ um stolze 2 Euro im Monat. „ Ich verstehe überhaupt nicht, warum wir diese für Konsumenten wichtige n Schutzpakete jetzt nicht mehr anbieten dürfen“, wettert T-Mobile-Chef Andreas Bierwirth. „Wir wollten diese in Österreich entwickelte Lösung gerade in Deutschland ausrollen.“ So werde Innovation verhindert.

„Wenn uns die Dienste abgedreht werden, sind Arbeitsplätze bei Start-ups gefährdet“, argumentiert A1-Chefin Margarete Schramböck. Für Hutchison(Drei)-Chef Jan Trionow fährt die RTR mit diesen „Überregulierungsmaßnahmen“ einen „Anti-Digitalisierungskurs“, der den Telekom-Standort gefährde. Österreich sei das erste Land, wo gegen Betreiber wegen vermuteter Verletzung der Netzneutralität vorgegangen werde.

Die RTR beruft sich auf das seit April geltende EU-Recht. Die Mobilfunker hätten im Laufe der Verfahren Gelegenheit, ihre Argumente vorzubringen. Mit einem Abschluss der Verfahren sei heuer jedenfalls nicht mehr zu rechnen. Es ist also noch unklar, ob und wann die beanstandeten Zusatzservices abgedreht werden müssen.

Viele Streitfälle

Als Blockade für die Netzneutralität gilt nicht nur der Virenschutz, sondern auch Werbe (Ad)-blocker oder etwa Musik- und TV-Streaming-Dienste, die von einem Betreiber bevorzugt werden. So bietet Drei einen Tarif, bei dem für die Nutzung eines bestimmten Streaming-Dienstes kein Datenvolumen verbraucht wird. Kritiker sehen darin eine technische Diskriminierung anderer Inhalte, die RTR prüft auch diesen Fall. Wegen fehlender Rechtssicherheit und unterschiedlicher Auslegung der jeweiligen nationalen Regulierungsbehörden wird mit zahlreichen weiteren Streitfällen gerechnet.

Details zur Netzneutralität lesen Sie hier.

Grundprinzip Freiheit
Alle Telekom-Netzbetreiber sollen alle Daten gleichberechtigt und unabhängig von Ausgangspunkt, Ziel oder Datentyp durchs Netz schicken. Nichts soll bevorzugt oder gebremst werden. Dies soll einen fairen Wettbewerb von Online-Diensten, freie Meinungsäußerung und Innovation garantieren. Zulässig sind nicht netzneutrale Maßnahmen nur dann, wenn die Verfügbarkeit des Netzes gefährdet ist, böswillige Angriffe erfolgen oder per Gerichtsbeschluss Seiten gesperrt werden.

Regulierung
Seit April 2016 gelten neue EU-Regeln zur Umsetzung der Netzneutralität in den einzelnen Mitgliedsstaaten. Reguliert werden jedoch nur Netzbetreiber, nicht aber Internet-Konzerne wie Apple, Google oder Facebook. Auch wenn einzelne Staaten rechtliche Schritte setzen: Eine globale Netzneutralität bleibt eine Illusion.

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