Sie haben 650 Mitarbeiter? Suchen Sie weitere?
Diewald: Ja. Wir suchen Fachkräfte. Und finden auch welche. Wir sind wohl ein attraktiver Arbeitgeber. Wir haben noch immer Mitarbeiter, die vier Jahrzehnte bei uns arbeiten.
Würden Sie Leute von MAN-Steyr umschulen und aufnehmen?
Diewald: Gerne. Wir haben in der jüngsten Vergangenheit Beschäftigte vom Opel-Werk in Wien Aspern aufgenommen. Das hat natürlich handfeste ökonomische Gründe, weil wir eben Facharbeiter brauchen. Aber wir sehen das auch als eine soziale Verantwortung.
Das ist also eine offizielle Einladung an die MAN-Mitarbeiter?
Diewald: Ja. Das ist eine offizielle Einladung. Bewerben Sie sich bei uns! Wir brauchen gute Leute, weil wir uns auch für die Zukunft absichern müssen.
Deutschland, Österreich und die Schweiz sind jetzt zu einer Region zusammengefasst. Könnte da Österreich auf dem Abstellgleis landen?
Nikutta: Nein. Zwischen Deutschland, der Schweiz und Österreich wird es eine neue Aufgabenverteilung geben. Fix ist: Wien wird das Kompetenzzentrum für Straßenbahnen bleiben. Hier sind die Ingenieure. Hier haben wir die Fertigung. Hier können wir das besser als die anderen.
Wird der Standort vielleicht sogar ausgebaut?
Nikutta: Wir haben sehr konkrete Ideen, wie wir den Standort Wien noch schlagkräftiger machen können, und diskutieren das auch mit zahlreichen Stakeholdern.
Diewald: Denn mit uns und unseren Mitbewerbern von Siemens befinden sich hier gleich zwei der weltweit größten Player bei Schienenfahrzeugen in der Stadt. Und hier befindet sich auch der größte Klima-Wind-Kanal der Welt, wo unter extremen Bedingungen Schienenfahrzeuge, Straßenbahnen oder Busse von überall her getestet werden.
Die Stadt Wien und die ÖBB zum Beispiel waren Top-Kunden von Bombardier. Wird das künftig bei Alstom auch so sein?
Diewald: Davon gehe ich aus. Aber wir müssen uns natürlich auch anstrengen, damit wir die Ausschreibungen gewinnen.
Sie profitieren eigentlich vom Klimawandel. Denn der öffentliche Verkehr wird ausgebaut.
Nikutta: Wir betrachten uns als Teil der Lösung. Der Klimawandel ist ja wegen Corona nicht vom Tisch.
Alstom entwickelt und testet Wasserstoffzüge. Wie steht’s?
Nikutta: Wir haben im Werk in Salzgitter damit vor mehreren Jahren begonnen. Die Tests waren alle erfolgreich. Hier also die nächste Einladung (lacht). An alle Auftraggeber: Wir beginnen ab sofort mit der Serienproduktion von Wasserstoffzügen.
Wie kommt Alstom in Österreich durch Corona?
Diewald: Wir haben für die Mitarbeiter im Vorjahr rasch Sicherheitskonzepte entwickelt. Das war herausfordernd. Und es gab zu Beginn auch Lieferkettenprobleme. Aber: Die Auftragslage ist gut und Kurzarbeit ist bei uns kein Thema. Wir haben auch keine staatlichen Hilfen in Anspruch nehmen müssen.
Kaufen Sie irgendwo Impfstoffe ein? Alstom könnte das als Weltkonzern ja.
Nikutta: Das tun wir nicht. Die Impfstoff-Verteilung ist eine nationale Aufgabe. Da haben wir als Weltkonzern zurückzustehen.
Hierzulande wird gerade das oftmals sehr enge Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft intensiv diskutiert. Ihre Meinung?
Diewald: Ich will diese Diskussionen nicht kommentieren. Ich kann nur für uns sprechen und sagen: Es herrschen Wettbewerb und transparente Auftragsvergaben.
Reisen Sie mit dem Zug oder mit dem Flugzeug?
Nikutta: Also ich bin ein Eisenbahn-Fan durch und durch. Schade, dass die Nachtzüge nur sehr eingeschränkt fahren.
Diewald: Die Frage stellt sich für mich gar nicht. Ich lebe ja sozusagen das Zug-Business. Außerdem sind meine Kinder zug-verrückt.
Hintergrund
Mit der Fusion des französischen Bahntechnik-Konzerns Alstom und der Bahnsparte von Bombardier ist ein europäischer Player von globaler Bedeutung entstanden. In der Bahnindustrie ist der neue Konzern die Nummer zwei weltweit.
Größer ist nach Branchenangaben nur noch der chinesische Eisenbahnbauer CRRC. Alstom soll ein Gegengewicht zu CRRC sein. Denn die Chinesen versuchen weltweit zu expandieren.
Der neue Riese aus Europa hat 250 Standorte in 70 Ländern und beschäftigt weltweit rund 75.000 Menschen. Der Umsatz beträgt 15,7 Milliarden.
Die Werke in Österreich und Deutschland haben für den neuformierten französischen Bahntechnik-Hersteller Alstom eine besondere Bedeutung, sagt Alstom-Konzernchef Henri Poupart-Lafarge in Paris.
In den drei Ländern befinden sich 14 Standorte mit rund 11.000 Beschäftigten. Im Werk in Wien arbeiten 650 Mitarbeiter. Der Standort in Wien ist für den Konzern das globales Kompetenzzentrum für Stadt- und Straßenbahnen. Entwickelt und gebaut werden Straßenbahnen für die ganze Welt.
Die Exportquote beträgt bis zu 80 Prozent. In den vergangenen 20 Jahren wurden laut Unternehmensangaben bis zu 108 Aufträge an Land gezogen. Das bedeutet die Auslieferung von 2396 Fahrzeugen in 17 verschiedene Länder - von Kanada bis Australien.
Jörg Nikutta und Christian Diewald sind die Chefs von Alstom Österreich. Diewald, studierter Wirtschaftsingenieur für Maschinenbau, war seit dem Jahr 2006 bei Bombardier Österreich tätig. Im Jahr 2015 wurde er zum Geschäftsführer bestellt. Mit der Übernahme durch Alstom leitet er nun gemeinsam mit Nikutta Alstom in Österreich.
Nikutta ist studierter Wirtschaftsmathematiker und war zunächst als Berater tätig. 2003 wechselte er zur Deutschen Bahn AG, wo er ab 2007 in zahlreichen Funktionen die Karriereleiter hochstieg. Mit 1. September 2017 übernahm Nikutta die Geschäftsführung für die Bereiche Deutschland und Österreich des Schienenfahrzeugherstellers Alstom.
Kommentare