KURIER: Sie haben vor einem Monat die Führung der Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien übernommen. Wie ist das, wenn man in einer Krise Kapitän wird?
Michael Höllerer: Ohne Krise wäre es einfacher gewesen. Aber umgekehrt kann man in einer Krise Neuerungen und Veränderungen auch leichter andenken.
Die Krise trifft alle Bereiche der Holding. Also Bank, Agrar, Infrastruktur und Medien. Was sind die größten Sorgenkinder?
Sorgenkinder haben wir keine, aber die Gesamtsituation bereitet uns, wie allen anderen auch, Sorgen. Es ist auch in einer Krise gut, wenn man auf vielen Beinen steht.
Wie managt man eine Krise wie diese?
Wir stellen uns permanent auf verschiedene Szenarien ein und entwerfen dazu Alternativszenarien mit ruhiger Hand.
Zieht sich die Raiffeisenbank International aus Russland zurück?
Der RBI-Vorstand erarbeitet verschiedene strategische Optionen. Fakt ist, dass wir die Sanktionen auf Punkt und Beistrich einhalten.
In der Ukraine finanziert Raiffeisen die Getreideernte vor – korrekt?
Ja, unsere ukrainischen Kollegen leisten unter unvorstellbaren Belastungen vor Ort Großartiges. Generell sind dort zwei Drittel unserer Filialen offen, wir versorgen auch weite Teile der Bevölkerung mit Bargeld.
Die Raiffeisenbank International hat von Jänner bis März ihren Gewinn verdoppelt. Eine Überraschung?
Nein. Das Ergebnis spiegelt die Ertragsstärke der RBI sowie ihre konservative Risikopolitik wider. In den sozialen Medien geistert noch immer das Thema Staatshilfe herum. Das war bei uns nie Thema. Wir als Holding würden sogar den Worst Case, also den Totalausfall in Russland, aushalten und stemmen.
Bleiben wir noch im Finanzsektor. Die amerikanische Fed erhöht die Zinsen kräftig. Und die EZB?
Ich gehe davon aus, dass die EZB die richtigen Entscheidungen treffen wird.
Platzt aber dann nicht eine Immoblase? Viele Häuslbauer haben – noch – günstige Kredite.
Da wird keine Blase platzen. Weder für uns, noch für die Kunden.
Zuerst Covid-Krise, jetzt Inflation – geht den Leuten nicht schön langsam das Geld aus?
Was wir merken, ist, dass Unternehmen Investitionen zurückhalten müssen. Wegen der Lieferkettenprobleme. Als Bank sind wir letztlich bei der Inflation von der EZB abhängig.
Wohin geht die Reise bei der Landesbank Niederösterreich-Wien?
In Richtung absolute Kundenorientierung. Mit erweiterten Angeboten über das unmittelbare Bankgeschäft hinaus. Etwa mit einem Loyalitätsprogramm, das wir regional starten werden.
Werden weiter Filialen geschlossen?
In Wien nicht. In Niederösterreich ist das die autonome Entscheidung der 46 Raiffeisenbanken. Wichtig ist, wenn man schließt, dass wir unseren Kunden über alle Altersgruppen hinweg weiter ein gutes Angebot bieten.
Zum Agrarbereich. Das Molkereiunternehmen Nöm hat vor Lieferstopps gewarnt. Ist die Versorgungssicherheit in Österreich in Gefahr?
Die Warnung der Nöm war richtig. Die Aufrechterhaltung der Lieferketten ist keine einfache Sache. Aber die Nöm, die Agrana, die Raiffeisen Ware Austria oder Leipnik Lundenburger tun alles, um die volle Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Plant man eigentlich irgendeinen Verkauf?
Bei der Nöm war das ja einmal Thema. Nein. Es sind bei unseren Beteiligungen keine Verkäufe geplant.
Wie läuft es bei der Strabag?
Sehr gut. Das Unternehmen ist bestens unterwegs.
Wie sehen Sie die Sanktionen?
Sie sind politisch nachvollziehbar. Man sollte aber die Dinge in ihren Auswirkungen zu Ende denken. Speziell bei Öl und Gas.
Das Ölembargo kommt, ein Gas-Embargo droht. Hat das zuständige Infrastrukturministerium schon einen Krisenplan?
Ich vertraue darauf, dass die Politik vollumfänglich vorbereitet ist. So wie wir das in der Wirtschaft praktizieren. Mit klaren Plänen, die mit uns rechtzeitig durchgegangen werden, damit es für die Wirtschaft und für die Bevölkerung keine Versorgungsengpässe gibt.
Zur Zukunft: Plant man neben Banken, Agrar, Infrastruktur und Medien ein fünftes Standbein?
Ich will nicht ausschließen, dass wir eines Tages unsere Kernbereiche erweitern.
Wie will man als Raiffeisen gerade im Bankbereich jüngere Menschen abholen. Weil die gehen gerade zu den Onlinebanken?
Ich behaupte, dass wir im Service den Onlinebanken um nichts nachstehen. Aber ja: Wir müssen bei den Jungen sicher an der Angebotsschraube drehen. Aber das gilt generell für alle Altersgruppen und Bevölkerungsschichten.
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