Merkel darf führen, nicht nur mit Geld

Schule: Die Zeit drängt
Europa schaut auf Angela Merkel. Sie hat nicht so viel Geld wie ihre Vorgänger.

Helmut Schmidt und Helmut Kohl, die beiden deutschen Kanzler, waren so verschieden, wie Menschen nur sein können. Schmidt (SPD) regierte von 1974 bis 1982 und erklärt noch in hohem Alter gerne die Weltwirtschaft. Kohl (CDU) hatte das Glück, anschließend 16 Jahre an der Macht zu sein – und das Geschick, den Weltmächten die deutsche Einheit abzuringen.

So unterschiedlich die Kanzler waren, so konsequent lebten sie die außenpolitische Doktrin der Bundesrepublik, die ungefähr so lautete: Deutschland ist ein Mitglied der westlichen Wertegemeinschaft, das politisch unauffällig bleibt und seine wirtschaftliche Stärke zur Lösung von möglichen Konflikten einsetzt.

Und wie das funktionierte: Die britische Premierministerin Margaret Thatcher rief zur Beruhigung der konservativen Europagegner zu Beginn eines Gipfeltreffens immer:„I want my money back!" Und am Ende wurde ihr ein Scheck ausgestellt, unterschrieben vom deutschen Kanzler. Strukturfonds für die südlichen Länder wurden vorzugsweise mit deutschem Geld befüllt, und als es bei den Beitrittsverhandlungen von Spanien und Portugal stockte, kam Helmut Kohl – und zahlte.

Schuldenkrise

Dass die Deutschen auch für das unerwartete Geschenk der Einheit des gesamten Volkes im Zuge der Umbrüche von 1989 zahlen würden, war klar. Aber die weiteren Folgen, der Euro und die europäische Schuldenkrise, die hatte so niemand vorhergesehen. Nur macht sie die deutsche Nachkriegsdoktrin plötzlich zunichte. Deutschland kann nicht alleine für die Schulden in ganz Europa aufkommen, muss aber politisch aktiv werden. Und schneller als gedacht wird von verantwortungslosen Medien und populistischen Politikern das Bild vom bösen Deutschen ausgepackt. Es ist erschreckend, wie gut das funktioniert.

Deutschland ist historisch gesehen etwas ganz Besonderes. Als die anderen Nationalstaaten in Europa zum Großteil gefestigt in ihren Grenzen lebten, erholten sich die Deutschen noch von den napoleonischen Kriegen. Das Erste Deutsche Reich von 1848 war nur von kurzer Dauer, Bismarck führte Kriege für das Zweite Reich und Hitlers Drittes Reich brauchte nicht tausend Jahre, sondern nur kurze Zeit, um einen Weltenbrand auszulösen. Mit dieser Geschichte will kein Volk auffallen, erst recht nicht, wenn es wirtschaftlich so stark ist.

So ist es das Schicksal von Angela Merkel, dass sie Europa führen muss, die Europäer es aber nicht merken sollen. Sie muss die Eiserne Kanzlerin geben, muss aber mit den anderen, stolzen Nationen politisch kooperieren. Sie hat nicht mehr die finanziellen Möglichkeiten für leise Lösungen nach ihren Vorstellungen.

Jetzt muss Europa – und Deutschland mittendrin – erwachsen werden. Der jüngste Gipfel war ein guter Schritt dahin. Frau Merkel musste nachgeben, wird aber weiter auf ihre Bedingungen bestehen: „Leistung, Gegenleistung und Kontrolle" nannte sie das in der Nacht zum Freitag. Deutsche Tugenden, mit denen sie in Europa Führungsaufgaben übernehmen muss.

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