Wer Basiskenntnisse im Bilanzlesen hat und die Wirtschaftsseiten der Tageszeitungen verfolgt, weiß über die wirtschaftliche Situation der Banken Bescheid. Der weiß, dass das Niedrigzins-Umfeld den Banken große Probleme bereitet, entsprechende Zinsspannen zu lukrieren. Und der weiß auch, wie risikobehaftet das Bankgeschäft ist.
Wo muss man hinschauen?
Wie hoch sind die Einlagen bei anderen Banken und das Kreditportfolio, und relativiert das zu den Zinserträgen. Dann wird man bemerken, dass die Größenordnungen bei der Commerzialbank erklärungsbedürftig sind. Man kann erwarten, dass ein Prüfer diese Positionen mit besonderer Sorgfalt hinterfragt. Dazu kommt die allgemeine Lebenserfahrung.
Was meinen Sie denn damit?
Es gibt drei Themen, bei denen Männer irrational handeln – Autos, Frauen und Fußball. Wer sich mit der Region Mattersburg auseinandersetzt und die Sportberichterstattung verfolgt, hat mitbekommen, dass es ein Mattersburger Fußballwunder gegeben hat. Das steht in keiner Checklist, aber es gehört zur Verpflichtung eines erfahrenen Prüfers, auch solche Dinge zu hinterfragen.
Und die Aufsichtsräte?
Ein erfahrener Prüfer merkt rasch, ob die Adressaten seines Berichts, die Aufsichtsräte, in der Lage sind, die Zahlen kritisch zu hinterfragen und mit dem Prüfer darüber eine Fachdiskussion zu führen.
Trauen Sie das dem Aufsichtsrat dieser Bank zu? Die Herrschaften sind sicher honorige Persönlichkeiten aus der Region, aber daraus kann man keine spezielle Fachexpertise ableiten.
Der neue Präsident der Kammer der Wirtschaftsprüfer, Herbert Houf, forderte gestern im KURIER-Interview mehr gesetzliche Rechte für die Abschlussprüfer.
Das ist eine sehr formalistische Ansicht. Ich hätte mir eher gewünscht, dass sich die Kammer und ihre Disziplinareinrichtungen vor so einer Aussage konkret mit dem Fall beschäftigen. Und nicht darüber klagen, dass die Prüfer in ihrer Tätigkeit beschränkt sind.
Vielleicht haben die Prüfer tatsächlich zuwenig Rechte?
Sie sollen sich nicht auf das Gesetz ausreden, sondern die gesetzlichen Bestimmungen mit Leben erfüllen und Praxiserfahrung einbringen. Wäre das wirklich so, hätte die Kammer schon früher auf diese Defizite aufmerksam machen müssen.
Zweier-Vorstand für Staatsholding ÖBAG
Themenwechsel. Sie verfolgen die Staatsholding ÖBAG kritisch, was sagen Sie zur Diskussion um deren Chef?
Dass an der Ausschreibung mitgearbeitet wird, passiert immer wieder. Auch im privaten Bereich. Es hat viel für die Bestellung von Thomas Schmid gesprochen, weil er sehr viel einbringen konnte. Mit seiner politischen Erfahrung musste er damit rechnen, dass er überschießend und ungerecht angegriffen wird. Der Schwachpunkt ist nicht Schmid, sondern die Konstruktion der ÖBAG, die auf seine Person zugeschnitten und nicht optimal strukturiert ist.
Sie meinen die Position als Alleinvorstand?
Ja. Wenn Schmid keine Erfahrung aus einem Privatunternehmen mitbringt, hätte mindestens ein Zweier-Vorstand gehört, um diese Notwendigkeit abzudecken. Außerdem kann Schmid ja auch krank werden. Der Aufsichtsrat der ÖBAG muss auch sicherstellen, dass die Interessen der Republik in den Aufsichtsräten der einzelnen Beteiligungsunternehmen vertreten werden.
Das sehen Sie derzeit nicht?
Ich halte es nicht für richtig, dass nur Schmid in den Aufsichtsräten vertreten ist. Die ÖBAG muss in allen wesentlichen Beteiligungen mit mindestens zwei oder drei Personen kompetent vertreten sein. Wir sprechen hier ja von Großunternehmen wie Verbund und OMV.
Zielt Ihre Kritik auch auf den ÖBAG-Aufsichtratsvorsitzenden Helmut Kern ab? In so einer Situation bedarf es eines handlungsfähigen Vorsitzenden mit entsprechender Kompetenz. Die Kompetenz eines Beraters (Kern war viele Jahre Consulter) ist es, Entscheidungen vorzubereiten, aber nicht, Entscheidungen zu treffen. Man kann nicht nur über Corporate Governance reden, man muss sie auch umsetzen.
Die ÖVP wollte keinen zweiten Vorstand, um einen FPÖ-Manager zu verhindern.
Diese Ausrede ist zu einfach und nicht zu Ende gedacht.
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