Seinen Amtsantritt als neuer Präsident der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (KSW) hat sich Herbert Houf (59) anders vorgestellt. Mit der burgenländischen Commerzialbank und der deutschen Wirecard erschüttern gleich zwei Bilanzskandale die Branche. Im KURIER-Interview weist Houf pauschale Vorwürfe gegen Bilanzprüfer zurück und ortet Mängel in der Kontrollkette.
KURIER: Wirecard und Commerzialbank konnten über Jahre hinweg ihre Bilanzen fälschen. Prüft denn niemand mehr genau?
Herbert Houf: Die Frage ist ob der beiden Fälle durchaus berechtigt, aber klar zu beantworten: Natürlich wird ordentlich geprüft. Wir prüfen jährlich über 10.000 Jahresabschlüsse, davon mehrere 100 bei kapitalmarktorientierten Unternehmen. Es läuft alles sehr korrekt und ordnungsgemäß ab. 2016 wurden die Regulatorien verschärft. Der Wirtschaftsprüfer ist ein freier Beruf, der Abschlussprüfer ist es nicht mehr, weil er einer strengen Aufsicht unterliegt.
In der Commerzialbank-Bilanz gab es Auffälligkeiten, die selbst Laien ins Auge springen. Warum hat niemand Alarm geschlagen?
Welche Malversationen da gemacht wurden, ist Gegenstand der Ermittlungen. Wir haben aber noch nicht genug Informationen, um daraus Schlussfolgerungen zu ziehen.
Und die Auffälligkeiten?
Es gab in den letzten Jahren eine Vielzahl von Prüfungen und es sind die verschiedensten Aufsichtsbehörden und die Staatsanwaltschaft angerückt. Am Ende des Tages ist nie etwas herausgekommen, obwohl es offenbar Hinweise auf verschiedenste Sachverhalte gab. Das lässt den Schluss zu, dass hier die Art und Weise, wie der Betrug begangen wurde, besonders geschickt und wohlüberlegt war, so dass das Entdeckungsrisiko gering war.
Also ein Multiorganversagen der Kontrollkette?
Man muss sagen, in diesem Fall machte der Vorstand die Malversationen und das ist der schwerste Fall, wenn die oberste Führungsebene die Kontrollen, die es geben sollte, außer Kraft setzt. Es gibt ja auch die interne Revision, Aufsichtsrat und FMA, die prüfen. Die Abschlussprüfer haben gegenüber den anderen Kontrollorganen nur eine eingeschränkte Kontrollmöglichkeit, nämlich die korrekte Rechnungslegung zu überprüfen. Da fragt man sich schon, warum hätte gerade der Abschlussprüfer die große Einsicht haben sollen, die die anderen nicht hatten.
Deren Aufgabe ist aber auch, ausgewiesene Ein- und Ausgänge auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Das passiert aber nicht vollständig. Eine Kontroll-Lücke?
Die Abschlussprüfung ist keine forensische Prüfung. Wir suchen nicht nach Betrug oder Unregelmäßigkeiten. Wir haben primär nur das Risiko einzuschätzen, ob Betrug oder Fehldarstellungen passieren können. Aus wirtschaftlichen und zeitlichen Gründen können wir nur in Stichproben prüfen. Da wird es immer ein Restrisiko geben, dass irgendetwas nicht entdeckt wird. Bei den beiden Fällen sind ja offenbar bewusst auch Belege gefälscht worden. Außerdem sind die Möglichkeiten für Abschlussprüfer, sich externe Unterlagen zu besorgen, eingeschränkt. Dafür braucht es eine Autorisierung durch den Vorstand.
Manchmal drücken die Wirtschaftsprüfer aber auch ein Auge zu, weil sie einen wichtigen Kunden nicht verlieren wollen... Wird der Druck auf die Prüfer größer?
Ich verwehre mich gegen den Vorwurf, dass Prüfer mit Unternehmen gemeinsam tricksen. Tatsache ist, dass es im Bereich der Abschlusserstellung gewisse Spielräume gibt, die der Gesetzgeber auch einräumt. Diese hat immer das Unternehmen zu beurteilen. Wenn Grenzen überschritten werden hat der Abschlussprüfer die Möglichkeit, den Bestätigungsvermerk zu verweigern.
Kann überhaupt unabhängig geprüft werden?
Wir haben hier relativ strenge Regeln, die 2016 noch verschärft worden sind. Diese werden von der Aufsicht auch streng kontrolliert. Bei Fehlverhalten gibt es Konsequenzen bis zum Prüfungsverbot.
Brauchen Abschlussprüfer mehr Befugnisse, um Betrügereien zu entdecken?
Hier kann durchaus nachgeschärft werden, etwa was die Auskunftsrechte anbelangt. Da ist es aber noch zu früh für konkrete Vorschläge. Grundsätzlich geht es darum, das Sicherheitsnetz noch enger zu knüpfen. Aber eines muss klar sein: Wir sind keine Staatsanwälte und haben auch nicht deren Befugnisse.
Der Fall Wirecard zeigt auch auf, wie schwierig es ist, digitale, grenzüberschreitende Geschäfte zu überprüfen. Was bedeutet diese Entwicklung für Ihren Berufsstand?
Wir müssen uns technologisch darauf einstellen, dass wir solche Geschäftsmodelle auch nachvollziehen können. Da geht es dann weg von der punktuellen, vergangenheitsorientierten Abschlussprüfung, hin zu einem permanenten Kontrollverfahren, genannt Real Time Auditing. Die Prüfer können sich dannlaufend Informationen aus dem Unternehmen ziehen, um Risikoeinschätzungen vorzunehmen.
Der 59-Jährige ist seit Mai Präsident der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (KSW) und vertritt die Interessen von 11.000 Mitgliedern. Houf ist geschäftsführender Gesellschafter der Audit Partner Austria Wirtschaftsprüfer GmbH und seit mehr als acht Jahren auch Präsident des Österreichischen Segel-Verbands sowie Vorstandsmitglied Österreichischen Olympischen Komitee. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.
Es gibt eine Vielzahl automatisierter Prüfungstools und sie werden immer intelligenter. Werden sie Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater bald ganz ersetzen?
Nein, aber viele Tätigkeiten, die wir heute machen, werden in fünf bis zehn Jahren vielleicht nur noch Tools erledigen. Der Faktor Mensch, der Vertrauen schafft, wird nie nicht ersetzbar sein. Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind Vertrauenspersonen, die in unterschiedlichen Rollen als zentrale Ansprechpatner für alle Probleme eines Unternehmens außerhalb des Kerngeschäfts fungieren.
Dafür braucht es auch neue Skills wie prozessorientiertes, vernetztes Denken, betriebswirtschafliche Fähigkeiten und natürlich digitale Kompetenzen.Wir haben im neuen Präsidium der Kammer beschlossen, einen Strategieprozess aufzusetzen, der vor allem unsere Mitglieder involvieren wird, um aktiv die Weiterentwicklung der Berufsbilder zu gestalten – aufbauend auf den Eckpfeilern eines freien Berufs, wie Eigenverantwortung, Gewissenhaftigkeit und Selbstregulierung.
Die Steuerberater konnten sich wegen der Corona-Maßnahmen der Regierung zuletzt nicht über mangelnde Arbeit beklagen. Wie zufrieden sind sie mit der Umsetzung der Maßnahmen von Steuerstundung über Kurzarbeit bis Mwst.-Senkung?
Die rasche und klare Kommunikation war wichtig, um der Wirtschaft das nötige Vertrauen zu geben. In der Umsetzung hätten wir uns manchmal einfachere Regeln gewünscht. Bei der elektronischen Abwicklung sind wir auch auf Hürden gestoßen, etwa beim eAMS, wo sich nur Firmen registrieren können.
Viele fürchten eine Pleitewelle nach Auslaufen der Steuerstundungen, Sie auch?
Die Zahlungsaufschübe und gesetzlichen Erleichterungen wie Fristerstreckungen sorgen derzeit sicher dafür, dass wir wenige Insolvenzeröffnungen haben. Es handelt sich aber nur um eine befristete Maßnahmen. Wenn die Stundungen auslaufen, müssen Zahlungen geleistet werden und das werden nicht alle schaffen.
Welche längerfristigen steuerlichen Maßnahmen schlagen Sie zur Konjunkturstütze vor?
Mehr Eigenkapital in die Unternehmen bringen. Einer unserer Vorschläge ist hier die Eigenkapitalverzinsung im Sinne einer finanzierungsneutralen Besteuerung. Das heißt, der Zinsaufwand bemisst sich an Eigen- und Fremdkapital, womit auch der Anreiz geringer wäre, sich weiter zu verschulden. Derzeit gibt es ja einen Steuervorteil durch Fremdkapitalzinsen. Auch die Möglichkeit eines Verlustrücktrages bringt Verbesserungen für die Liquidität der Unternehmen.
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