Eingriffe, die massive Auswirkungen auf die Gesellschaft und Wirtschaft haben, bedürfen einer fundierten Suche nach Alternativen und müssen einer Prüfung von Verhältnismäßigkeit und Treffsicherheit standhalten. Organe von Unternehmen unterliegen immer strengeren Haftungsregeln und Verantwortung für weitreichende Entscheidungen oder auch Unterlassungen; für die Politik gelten diese nach dem Motto „koste es, was wolle“ nicht.
Das heißt konkret?
Schuldzuweisungen und politische Ränkespiele sind nun absolut entbehrlich. Entscheidend ist ein Schulterschluss zur raschen Beendigung des dem ganzen Land übergestülpten Lockdowns. Alternativen dazu im Rahmen von Eigenverantwortung und gut kommunizierten Anreizen würden bereits bestehen.
Ihre Meinung zur Impfpflicht?
Auch eine allgemeine Impfpflicht ist – abgesehen von der Grundrechtsproblematik – keine nachhaltige Lösung und Brennstoff für noch mehr Spaltung und Kluft. Geht es letztlich doch darum, den Kollaps des Spitalssystems zu verhindern. Das wird nur gelingen, wenn sich Maßnahmen aber auch Verpflichtungen auf besonders gefährdete Gruppen konzentrieren.
Die generelle politische Lage in Österreich ist auch eher explosiv …
Es ist bedenklich, wie viel mediale Aufmerksamkeit und Energie in Diskussionen über Chats gewidmet wird. Ich möchte sie nicht kleinreden, aber dafür haben wir eine Justiz. Mit welcher Akribie und Energie die Chats gesichtet und veröffentlicht werden, muss auch auf andere Skandale zutreffen. Es geht viel Aufmerksamkeit für Probleme verloren, wie neben der Pandemiebekämpfung auch die Klimakrise. Die Pandemie ist im Vergleich zum irreversiblen Klimawandel mit den nicht absehbaren Schäden nur ein Absatz in den Geschichtsbüchern.
Wie beurteilen Sie die Steuerreform?
Die ökosoziale Steuerreform ist nur ein erster Schritt und sie verdient nicht das Prädikat „historisch“. Historisch wäre nur das jahrzehntelange Versprechen, die kalte Progression abzuschaffen. Entscheidend wäre auch, die Lohnnebenkosten zu senken. Aber es sind zumindest Lenkungsabsichten erkennbar.
Was halten Sie von der CO2-Steuer?
Es braucht einen Umbau hin zur erneuerbaren Energie und Dekarbonisierung. Das wird großer Investitionen bedürfen. So weit wie möglich soll man dabei mit Anreizen arbeiten, damit die schrittweise Transformation gelingt. Prinzipiell hat aber die CO2-Steuer ihre Berechtigung, sofern es Übergangsfristen und flankierende Maßnahmen gibt. Und sie muss international sein. Derzeit unterliegen nur 22 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen weltweit einem CO2-Preis. Es darf aber nicht passieren, dass die Einnahmen für die Ineffizienz der Verwaltung oder für die Folgekosten von Reformverweigerung verwendet werden.
Wo steht Europa punkto CO2 im globalen Vergleich?
Von den Zielen her sind wir sicher best in class, und in Summe hat Europa schon Fortschritte gemacht, was die CO2-Reduktion betrifft. Wir sollten nicht in Wehklagen einstimmen, wie weit Europa zurückgefallen ist, was Innovation und Technologie betrifft. Was Energie- und Ressourceneffizienz betrifft, gibt es sehr viele gute Unternehmen. Und über die weltweiteCO2-Bepreisung auch die Möglichkeit, zu einer Wirtschaftsmacht globaler Relevanz zurückzukehren. Österreich könnte zu einer Exportnation für energieeffiziente Lösungen werden.
Sind die Klimaziele erreichbar?
Es hilft sicher, dass es jetzt Druck von mehreren Seiten gibt. Von der Konsumentenseite geht es sehr stark in Richtung Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Und Großinvestoren und institutionelle Anleger forcieren diesen Umbau. Sie hinterfragen immer stärker Umweltrisken, mögliche Haftungen, höhere CO2-Bepreisungen und gestörte Lieferketten infolge des Klimawandels. Dadurch und wegen der politischen Rahmenbedingungen steigt der Innovations- und Investitionsdruck auf Unternehmen. Dabei geht es nicht nur um einen raschen Umbau zu erneuerbaren Energien, sondern auch um Erhöhung der Energieeffizienz und die Reduktion des Verbrauchs.
Wie kann der Umbau funktionieren?
Es braucht praxisgerechte Umbaupläne, die es Firmen und Bürgern ermöglichen, umzusteigen. Gas wird dabei im Übergang eine wichtige Schlüsselrolle spielen, um Kohle und Öl zu verdrängen. Es geht nicht nur darum, den Anteil der Erneuerbaren zu erhöhen, sondern auch um Versorgungssicherheit und Leistbarkeit. Da wartet noch um sehr viel Arbeit. Da ist auch die Opposition gefordert, an Lösungen zu arbeiten, anstatt U-Ausschüsse abzufeiern und sich ständig mit Parteipolitik abzufeiern.
Wo sehen Sie Österreichs Position in dem Wandel hin zu Klimaneutralität?
Es muss einen fairen Wettbewerb und eine Waffengleichheit geben, was die Co2-Maßnahmen betrifft. Österreich könnte hier eine Art Klimadiplomatie betreiben. Österreich hat eine Tradition als Konferenzstandort und es wäre eine Möglichkeit, Profil zu gewinnen und andererseits sicherzustellen, dass aus den Zielen abgestimmte Pfade werden.
Wird von Unternehmen nicht vielfach Greenwashing betrieben?
Ich glaube nicht, aber es ist Marketing, keine Frage. Jedes größere Unternehmen, das etwas auf sich hält, hat eine Nachhaltigkeitsabteilung. Und versucht sich smart, digital und grün zu positionieren. Das ist verständlich, weil die Themen bei Konsumenten und im B2B-Bereich immer wichtiger werden, auch im Kampf um Fachkräfte.
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