Als er im Jahr 1988 in den Vorstand von Agrana berufen wurde, war gerade das Fax-Gerät das modernste Kommunikationsmittel. Am Ende seiner Karriere ist er damit konfrontiert, fast ständig online sein zu müssen. Die Grundprinzipien, die Johann Marihart auch in der modernen Welt der Wirtschaft für wichtig hält, seien aber gleich geblieben. „Handschlagqualität ist natürlich nach wie vor nötig. Die rasche elektronische Kommunikation ändert nichts daran, dass man einander vertrauen muss, dass man zusammenarbeiten können und wollen muss“, sagt er.
Entscheidend ist dann allerdings, wie groß das Vertrauen der Eigentümer in ihren Vorstandsvorsitzenden ist. In seinem Fall war es sehr groß, denn er wurde für sechs Perioden bestellt. Sein Aufsichtsratsvorsitzender Erwin Hameseder, Obmann der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien, beschreibt die Arbeit von Marihart am Beispiel der Zuckerfabrik Leopoldsdorf, deren Fortbestand im Vorjahr abgesichert worden ist, so: „Als einer der längst dienenden CEOs eines börsennotierten Unternehmens war Johann Marihart auch bei diesem existenziellen Prozess zwischen Wirtschaft und Politik ein wesentlicher Player und somit mitentscheidend dafür, dass Produktion, Forschung und Arbeitsplätze an den heimischen Standorten abgesichert werden konnten.“
Mariharts Stil als Vorstandsvorsitzender nennt Hameseder ein „Führen mit ruhiger Hand, mit Sachverstand und Weitblick“. Unter ihm schaffte es Agrana, von einem nationalen Zucker- und Stärkeproduzenten zu einem internationalen Konzern aufzusteigen, der mit rund 9.000 Mitarbeitern an weltweit 56 Produktionsstandorten einen jährlichen Konzernumsatz von rund 2,5 Milliarden Euro erwirtschaftet.
„Ich habe ein Ziel vor Augen gehabt, das war, eine zentraleuropäische Zuckerunternehmung und ein Spezialist im EU-weiten Stärkebereich zu sein. Und danach war da noch das Thema der Diversifikation. Die Frage, was können wir sonst noch machen. Alle diese Ziele habe ich dank meiner langjährigen Vorstandsverantwortung auch verfolgen können“, resümiert Marihart. Eine Chance, die in der schnell-lebigen Wirtschaftswelt viele seiner Kollegen nicht bekommen. „Wenn einer nur fünf Jahre Vorstand eines Unternehmens ist, kann er rein zeitlich nicht so viel bewegen bzw. kann er die Früchte nicht sehen bzw. muss er auch die Schäden seines Tuns nicht mehr verantworten“, sagt er.
Ein gerader Weg war die Entwicklung von Agrana aber durchaus nicht. Die Zusammenführung, der EU-Betritt, die Expansion im Osten Europas, das Risiko bei der Ausweitung der Stärkeproduktion, das Ende der Zuckerquote, die Probleme mit Bioethanol etc. Genug Themen für berufliche Fallstricke. Am Ende dennoch der Erfolg. Marihart: „Eines habe ich gelernt, scheinbare Rückschläge oder Misserfolge können sich hinterher durchaus als Erfolge herausstellen.“ Das beste Beispiel: Die Niederlage gegen die Androsch-Gruppe 1997 im Kampf um die Salinen Austria machte finanziell den Weg frei für den Erfolg im Bereich „Frucht“.
Dass sich Johann Marihart so viele Jahre als Spitzenmanager auf dem internationalen Parkett gehalten hat, überrascht umso mehr, weil er eigentlich als Techniker eingestiegen war. Die Kunst des Managens musste er in der Praxis erlernen.
Und was macht im Rückblick für ihn einen guten Manager aus? Johann Marihart: „Es kommt auf die Kompromissfähigkeit an, die Bereitschaft, Dinge vernünftig auszudiskutieren. Dass man auch bereit ist, das Ego zurückzunehmen. Es gibt leider genug Beispiele von Egomanen in Vorständen. Das kann eine Weile funktionieren, wenn sich die anderen zurücknehmen. Das muss aber nicht funktionieren. Vorstände funktionieren so gut oder so schlecht wie Ehen.“
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