Manager warnen: "Jetzt geht's ans Eingemachte"

Manager warnen: "Jetzt geht's ans Eingemachte"
Reformunwille, Wirtschaftsfeindlichkeit: Führende Manager sehen Österreichs Zukunft bedroht.

Da fährt der Blitz durch meine Knochen ", schildert der Industrielle Norbert Zimmermann (Berndorf/Schoeller Bleckmann Oilfield) seine Grenzerfahrung beim jüngsten ORF-Sommergespräch. Kanzler Werner Faymann wurde da zur Zukunft der Arbeit befragt und den Umwälzungen, die der Industrie durch die digitalisierte Fertigung (Industrie 4.0) bevorstehen.

Er habe sich, sagt Zimmermann, Antworten erwartet wie: Das ist eine Chance für Europa und Österreich, nach Fernost ausgelagerte Produktion zurückzuholen. Oder: Wir kooperieren mit der Industrie, um hochqualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen. Oder: Sollten Arbeiter durch diese unaufhaltsame Entwicklung den Job verlieren, steuern wir mit Schulungen dagegen. Zimmermann: "Ich hätte heute noch über neue Investitionen nachgedacht."

Im Stimmungstief

Doch leider sei des Kanzlers Antwort ganz anders ausgefallen: Steige die Produktivität der Industrie, müsse man über eine Arbeitszeitverkürzung, und Umverteilung über eine Wertschöpfungsabgabe ("Maschinensteuer") und Erbschaftssteuer nachdenken, betonte Faymann. "Kein Wunder, dass der Standort unattraktiver wird. Noch nie war meine Stimmung so unten wie in diesen Tagen", sagt Zimmermann.

Das Lamento von Industrie und Unternehmen über den Reformunwillen und die Wirtschaftsfeindlichkeit der Politik ist beileibe kein neues Phänomen. Nun steigt aber die Dringlichkeit, zeigte ein Runder Tisch der Fachzeitschrift Der Börsianer mit Spitzenmanagern am Mittwoch. Die Tonalität wird schärfer, die Wortwahl gereizter.

"Es geht jetzt an das Eingemachte", warnt Stephan Pierer, Chef und Miteigentümer von KTM. Er werde zwar nie mit einer Jobverlagerung ins Ausland drohen. "Ich bin meinen österreichischen Mitarbeitern verpflichtet. Wir gehen als Letzte von Bord, aber wir werden lauter, wenn die Industriebasis des Landes gefährdet wird."

Überbordende Bürokratie, unflexible Arbeitszeiten, Bildungsmisere, hohe Steuern, Hürden für die Börse, Banken-Bashing, geringe Wertschätzung für Leistung, Risikobereitschaft und Unternehmertum bis hin zur "Verteufelung" von Wertpapieren: Die Klagen sind sattsam bekannt.

"Regulatorische Atempause"

So würde sich Karl Sevelda, Chef der Raiffeisen Bank International, dringend eine "regulatorische Atempause" wünschen. Seit heuer müsse jeder einzelne Kredit über 25.000 Euro an die Bankenaufsicht in Frankfurt gemeldet werden – und faule Kredite ab 100 Euro (kein Schreibfehler). Ein absurder Aufwand, der dennoch nicht alle Risiken beseitigen könne.

Die "unglaubliche Bürokratie" mit ihren neun Länder-Bauordnungen und die unflexiblen Arbeitszeiten machen Karl-Heinz Strauss, Chef des Baukonzerns Porr, besonders zu schaffen.

Standort-Ideen gibt es

Die Klagen über den Standort sind zweischneidig. Sie tragen mit dazu bei, dass die Stimmung so katastrophal ist. Was tun die Manager also selbst dafür, dass ein Umschwung zustande kommt? "Unser Job ist es erst einmal, drauf zu schauen, dass es unseren Unternehmen gut geht. Dass wir hier sitzen, ist ein Luxus und Dienst an der Republik", sagt Zimmermann: "Denn wenn wir nicht mehr reden, ist es zu spät." Schon im Vorjahr hätten 40 Vorstandschefs im Wirtschaftsministerium detaillierte Ideen für den Standort ausgearbeitet. Man müsse diese nur noch "klug und zügig" umsetzen. Doch das werde durch die zerstrittene Koalition, beratungsresistente Regierungsmitglieder und Querschüsse verhindert, kritisiert Pierer: "Wir haben eine Kammer- und Beamtendiktatur. Und die gewählte Regierung kommt mir vor wie Puppen, die auf einer Bühne stehen."

Welche Rahmenbedingungen sich für Wirtschaft und Kapitalmarkt seit 2008 geändert haben (zusammengestellt vom Fachmagazin Der Börsianer, chronologisch nach dem Einführungsteam geordnet)

Jahr ????

1. Finanztransaktionssteuer (FTS) - geplant
Eine Reihe von EU-Staaten – darunter auch Österreich – plant seit längerem die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Der Zeitpunkt ist allerdings noch offen.

JAHR 2016


2. Inspektion für Abschlussprüfer
Ab dem Jahr 2016 oder 2017 werden sich Abschlussprüfer von PIEs (Public Interest Companies = kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Banken und Versicherungen) neben der schon bisher geltenden externen Qualitätssicherung nach dem A-QSG zusätzlich einer Inspektion durch eine staatliche Aufsichtsbehörde unterziehen müssen.

3. Europäischer Abwicklungsfonds
Für die Abwicklung von Banken wird ab 2016 ein europäischer Abwicklungsfonds anstelle des nationalen Abwicklungsfonds eingerichtet. Die Zielausstattung ist derzeit mit 0,8 Prozent der gedeckten Einlagen vorgesehen, den alle Banken leisten müssen. Über die Veranlagung und die Verwendung der Mittel wird ausschließlich eine neue EU-Agentur, das Single Resolution Board, entscheiden.

Dieses Board soll künftig für die Entscheidung über eine Bankenabwicklung der 250 großen grenzüberschreitend tätigen Banken zuständig sein. Für alle anderen Banken sollen die nationalen Behörden für eine Abwicklung zuständig bleiben, sofern nicht die Gelder des europäischen Abwicklungsfonds herangezogen werden müssen.

4. Neuregelung von Einlagensicherungsfonds
Ab dem Jahr 2016 soll es zu einer EU-weiten Neuregelung der Einlagensicherung kommen, die vermutlich mit entsprechenden Mehrbelastungen für die Banken verbunden sein wird.

5. Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 55 Prozent
Im Zuge der Steuerreform 2015/16 wurde der Spitzensteuersatz für Einkommen über eine Millionen Euro ab dem Jahr 2016 von 50 Prozent auf 55 Prozent erhöht.

6. Einschränkung der KESt-freien Einlagenrückzahlung
Im Zuge der Steuerreform 2015/16 wird die Möglichkeit der (insbesondere von einigen Immobilienunternehmen praktizierten) KESt-freien Einlagenrückzahlung ab dem Jahr 2016 durch eine gesetzlich festgelegte Reihenfolge, nach der immer zuerst die KESt-pflichtigen Gewinne ausgeschüttet werden müssen, abgeschafft.

7. Abschaffung des Bankgeheimnisses
Im Zuge der Steuerreform 2015/16 wird das Bankgeheimnis für österreichische Unternehmer und Unternehmen rückwirkend ab 1. März 2015 abgeschafft und den Betriebsprüfern Einblick in sämtliche Bankkonten gewährt.

8. Erhöhung der Kapitalertragsteuer (EStG)
Im Zuge der Steuerreform 2015/16 wurde die Kapitalertragsteuer (KESt) auf Dividenden und Anleihezinsen sowie sonstige Wertpapiere und verbriefte Derivate ab dem Jahr 2016 von 25 Prozent auf 27,5 Prozent erhöht.

JAHR 2014

9. Schuldenschnitt bei Hypo Alpe Adria (Heta)
Mit dem Hypo-Sondergesetz wurde im Jahr 2014 die teilweise Entschuldung der Hypo Alpe-Adria-Bank International AG (HBInt), nunmehr HETA Asset Resolution AG (Heta), durch eine Gläubigerbeteiligung verfügt. Am 1. März 2015 hat die Finanzmarktaufsicht (FMA) ein Schuldenmoratorium verhängt.

10. Rechnungslegungs-Kontrollgesetz (RL-KG)
Seit dem Jahr 2014 werden die Konzernabschlüsse von kapitalmarktorientierten Unternehmen, Banken und Versicherungen von der dafür eingerichteten Österreichischen Prüfstelle für Rechungslegung (ÖPR) einer Überprüfung unterzogen. Aufgrund einer unklaren Gesetzesregelung beziehungsweise Kompetenzregelung kommt es neben den gesetzlich geregelten Fällen des öffentlichen Interesses zu Doppelprüfungen durch die FMA.

11. Stresstest und Bilanztest (AQR)
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im Jahr 2014 eine umfassende Bilanzprüfung der rund 130 europäischen Großbanken, die nunmehr ihrer direkten Aufsicht unterstehen, durchgeführt. Mit dabei waren sechs österreichische Banken.

12. Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Managerbezügen
Seit dem Jahr 2014 sind Managerbezüge über 0,5 Millionen Euro steuerlich nicht mehr abzugsfähig.

13. Verschärfung der Ad-hoc-Publizität
Das derzeit in Geltung stehende Regime der Ad-hoc-Publizität basiert auf der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates. Die Umsetzung erfolgte in Österreich in den §§ 48a und 48d BörseG. In Anbetracht einer Vielzahl von unbestimmten Gesetzesbegriffen ist ein exakter Zeitpunkt der Ad-hoc-Meldeplicht oft nicht festzumachen. Die Zukunft bringt weitere noch kompliziertere Regelungen (Verordnung 2014/596/EU, EuGH 28.6.2012, C-19/11 – Fall Geltl).

JAHR 2013

14. Regulierungsvorschriften Basel III (Banken), Solvency II (Versicherungen), MiFID 2 (Finanzinstrumente), AIFMG (Alternative Investmentfonds), UCITS (Fonds), EMIR etc.
Die immer wieder verschärften Eigenkapitalvorschriften für Banken werden von zahlreichen Experten dafür mitverantwortlich gemacht, dass die Kreditgewährung an die in Österreich traditionell sehr stark von Bankenfinanzierungen abhängigen Unternehmen zumindest deutlich restriktiver geworden ist. Darüber hinaus führen Regulierungsvorschriften in den verschiedensten Bereichen zu erheblichen Aufwendungen bei den betroffenen Unternehmen.

15. Einführung von „Fit & Proper“-Tests für Bankaufsichtsräte

In den von der FMA zu vollziehenden BWG-Bestimmungen werden persönliche Anforderungen an die Mitglieder der Geschäftsleitung sowie an Aufsichtsratsvorsitzende statuiert. Nach Bestellung eines Geschäftsleiters beziehungsweise AR-Vorsitzenden werden die theoretischen Kenntnisse durch den „Fit & Proper“-Test mit Fragen zu Aufsichtsthemen und -normen sowie zu unternehmensbezogenen Themen von der FMA überprüft.

JAHR 2012

16. Einführung der Kursgewinnsteuer (EStG)
Seit 1. April 2012 müssen Banken 25 Prozent KESt auf realisierte Kursgewinne von Neubeständen einbehalten und an das Finanzamt abführen. Betroffen davon sind alle österreichischen Privatanleger, die Wertpapiere aus ihrem Neubestand mit Gewinn verkaufen. Im Zuge der Steuerreform 2015/16 wurde diese Steuer ab dem Jahr 2016 von 25 Prozent auf 27,5 Prozent erhöht.

17. Einschränkungen bei der Gruppenbesteuerung
Seit dem Jahr 2012 sind Firmenwertabschreibungen auf neu erworbene Beteiligungen nicht mehr zulässig, und die Verwertung von Auslandsverlusten wird stark eingeschränkt.

18. Einschränkung des Vorsteuerabzugs bei Vermietung von Gebäuden an Banken und Versicherungen
Seit dem Jahr 2012 ist der Vorsteuerabzug in Zusammenhang mit der Vermietung von Gebäuden an Banken und Versicherungen nicht mehr zulässig.

19. Aufhebung der Befristung der Solidarabgabe auf Sonderzahlungen
Seit dem Jahr 2012 sind Sonderzahlungen bei Besserverdienern nicht mehr mit dem begünstigten Steuersatz von sechs Prozent zu versteuern. Diese ursprünglich nur für vier Jahre vorgesehene Einschränkung wurde zwischenzeitlich unbefristet verlängert.

JAHR 2011

20. Stabilitätsabgabe (StabAbgG vulgo Bankenabgabe)
Infolge der Finanzkrise 2008/09 wird in Österreich seit dem Jahr 2011 von Instituten mit einer adaptierten Bilanzsumme von mehr als einer Milliarde Euro eine sogenannte „Bankenabgabe“ eingehoben. Weiters haben alle Banken (auch außerhalb der genannten Größenordnungen) zusätzlich eine Abgabe von 0,013 Prozent am Volumen von Derivatgeschäften zu entrichten.

21. Steuerrechtliche Verschlechterung für Privatstiftungen
Seit der Einführung des Privatstiftungsgesetzes im Jahr 1993 haben sich die steuerlichen Rahmenbedingungen für Privatstiftungen durch mittlerweile 16 Änderungen laufend verschlechtert. Seit 2001 werden Zinserträge sowie Einkünfte aus Beteiligungsveräußerungen mit einer Steuervorauszahlung von 12,5 Prozent belegt. Mit der Erhöhung der Zwischensteuer auf 25 Prozent im Jahr 2011 ging der Steuerstundungseffekt bei den Kapitalerträgen überhaupt zur Gänze verloren.

Außerdem wurde im Zuge der Einführung der Immobilienertragsteuer ab 1. April 2012 das System der 25-prozentigen Zwischensteuer auch auf Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen ausgeweitet. Sofern die veräußerte Liegenschaft einem Betrieb der Privatstiftung zuzurechnen war, wird der Veräußerungsgewinn ohnehin der 25-prozentigen Körperschaftsteuer unterzogen, die jedoch auf die Zuwendungsbesteuerung nicht angerechnet werden kann. Somit kommt es für diese Gewinne bei Zuwendung an die Begünstigten zu einer effektiven Steuerbelastung von 43,75 Prozent.

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