MAN: Politik will noch nicht alle Türen zuschlagen

Der Standortsicherungsvertrag ist eigentlich bis 2030 gültig
Weitere Gespräche statt Schließung: Für Landeshauptmann Stelzer und Landesrat Achleitner ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Nach dem deutlichen "Nein" der MAN-Belegschaft zum Übernahmeangebot von Siegfried Wolf und der Schließungsankündigung aus München hat die Politik am Donnerstag MAN aufgefordert, nicht alle Türen zuzuschlagen und für Gespräche offen zu bleiben.

MAN-Belegschaft sagt "Nein" zu Wolf

Schließlich gehe es um den ganzen Standort. Spitzengewerkschafter kritisieren, dass die Konzernleitung versucht habe, die Belegschaft unter Druck zu setzen, indem "Konzepte anderer Interessenten von vornherein ausgeschlossen" wurden.

Wie sehr eine Schließung nicht nur die rund 2.300 Beschäftigten, sondern die ganze Region betreffen würde, zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie des Leiters der Initiative Wirtschaftsstandort OÖ, Friedrich Schneider. Demnach drohe ein BIP-Rückgang von 957 Mio. Euro und der Verlust von 8.400 Arbeitsplätzen - inklusive der Jobs im MAN-Werk. Nicht zuletzt wegen der Auswirkungen auf die Zulieferindustrie haben das Land sowie die gesamte Region Steyr die Proteste der Gewerkschaft in Sachen MAN unterstützt.

MAN-Konzern in die Pflicht nehmen

Das Votum sei "Ausdruck der Enttäuschung über den Umgang des MAN-Konzerns" mit den Beschäftigten, die sich "eine derartige Behandlung aufgrund der bisher erbrachten Leistungen keinesfalls verdient" hätten, so Landeshauptmann Thomas Stelzer und Landesrat Markus Achleitner (ÖVP) am Nachmittag. Für sie ist das letzte Wort noch nicht gesprochen: Man wolle nun "den MAN-Konzern in die Pflicht nehmen, auch andere Optionen ernsthaft ins Auge zu fassen und mit weiteren Interessenten zu verhandeln".

Es sei nicht nur zur Absicherung der Arbeitsplätze im Werk, sondern auch für den Standort Oberösterreich wichtig, dass die Produktion in Steyr erhalten bleibe, so Stelzer und Achleitner. Es könne "weder im Sinne des Konzerns noch der Beschäftigten sein, wenn nun aufgrund einer Schließung ein Rechtsstreit mit jeder und jedem einzelnen der mehr als 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Steyr geführt werden müsse.

Das führt nur zu hohen Kosten und jahrelanger Verunsicherung, an deren Ende es wohl nur Verlierer auf beiden Seiten geben würde", befürchten sie.

MAN: Politik will noch nicht alle Türen zuschlagen

PRO-GE-Bundesvorsitzender Rainer Wimmer und der GPA-Bundesgeschäftsführer Karl Dürtscher finden es wenig verwunderlich, dass die Mitarbeiter "das vorgegebene Konzept nicht einfach abnicken und den Verlust von Hunderten Arbeitsplätzen und massive Lohneinbußen ohne Widerstand hinnehmen". Sie erwarten sich, "dass die Konzernleitung die Gespräche wieder aufnimmt und auch andere Konzepte prüft und fair diskutiert.

Hier geht es um die Arbeitsplätze tausender Menschen in der Region. Sich nun einfach nach Polen zurückzuziehen, nur weil dort die Menschen um nicht einmal vier Euro Mindestlohn arbeiten müssen, zeigt die mangelnde soziale Verantwortung von MAN". Man stehe für Gespräche jederzeit zur Verfügung. Sie kündigten auch an, dass man - sollte es zu Kündigungen kommen - den Standortsicherungsvertrag bis 2030 einklagen werde.

Schramböck: Entscheidung bedauerlich

Für Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) ist die Entscheidung der Belegschaft "bedauerlich, aber zu respektieren." Sie betonte, sie werde sich "auch weiterhin für den Erhalt heimischer Arbeitsplätze und die Absicherung des Wirtschaftsstandorts" einsetzen und appellierte an mögliche Interessenten:

"Wenn es noch ernsthafte Angebote gibt, wäre es jetzt an der Zeit, diese vorzulegen." FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer forderte eine sofortige Krisensitzung unter Einbindung Schramböcks, um "gemeinsam mit den Verantwortlichen von MAN und der Politik in Oberösterreich eine Lösung zu finden" und die Arbeitsplätze zu retten.

MAN: Politik will noch nicht alle Türen zuschlagen

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian und Wirtschaftskammer-Österreich-Chef Harald Mahrer appellierten Donnerstagabend in einer gemeinsamen Aussendung, rasch wieder konstruktive Verhandlungen aufzunehmen. "Das Belegschaftsvotum von MAN ist zu akzeptieren, kann aber nicht das Aus für Steyr bedeuten, das ein wichtiger Baustein am Automotive-Standort Österreich ist." Alle konkreten Überlegungen und Vorhaben müssten auf den Tisch, um sie zu bewerten und das Gespräch auch mit den Eigentümern suchen zu können. Neben Tausenden Arbeitsplätze gehe es auch um rund eine Milliarde des BIP, die hier Jahr für Jahr erwirtschaftet werde. "Wir Sozialpartner unterstützen weitere Gespräche." Auch der MAN-Konzern habe eine große Verantwortung für die Region, für die Mitarbeiter und deren Familien.

"Demokratische Entscheidungen - gerade auch in wirtschaftlichen Angelegenheiten - sind nicht nur zu respektieren, vielmehr muss die betriebliche Mitbestimmung ausgebaut werden", reagierte oö. SPÖ-Chefin Landesrätin Birgit Gerstorfer auf das Abstimmungsergebnis. Die Belegschaft in Steyr habe klargemacht, was sie wolle. Sie stehe an "ihrer Seite". Die Landesrätin sieht jetzt vor allem Landes- und Bundesregierung gefordert. Alle Verantwortlichen sollten an einen Tisch geholt werden, "damit Steyr zu einem zentralen Standort für nachhaltige, grüne Mobilität wird".

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried sieht in Sachen Zukunft des MAN-Standortes "ein massives Versäumnis der Regierung", allen voran von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). "Seit Monaten kämpfen Gewerkschaft, Betriebsrat und Bürgermeister um die Arbeitsplätze. Wo war in all dieser Zeit der Bundeskanzler?", so Leichtfried Donnerstagnachmittag in einer Aussendung. Die Bundesregierung habe die Beschäftigten des Werks "komplett allein gelassen". "Hat der Bundeskanzler mit dem VW-Vorsitzenden telefoniert und sich für den Erhalt des Standorts eingesetzt?", fragt sich der SPÖ-Politiker. Die Regierung muss sich seiner Meinung nach "jetzt endlich an die Seite der tausenden Beschäftigten stellen, nachdem diese nun ein klares Votum abgegeben haben".

Für die oö. Grünen rächt sich nach dem Votum "die viel zu späte Einbindung der Belegschaft". Nun müsse sich die Politik "mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln einschalten", so Wirtschaftssprecherin Ulrike Schwarz, "das Ergebnis nur zu beklatschen oder zu bedauern, ist keine Option". Denkbar wären für sie Unternehmensbeteiligungen oder ein Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit den Zulieferbetrieben. Jedenfalls müsse man sich "am notwendigen sozial-ökologischen Wirtschaftswandel" orientieren und auf neue Technologien und E-Mobilität setzen.

Für den oö. NEOS-Chef Felix Eypeltauer ist die Situation "das desaströse Ergebnis jahrzehntelang unzureichender Standortpolitik - und fehlender Innovationspolitik", die er offenbar der Volkspartei anlastet: "Die ÖVP konserviert eben alles, auch den Wirtschaftsstandort - das rächt sich." Er forderte einen Zukunfts- und Innovationsgipfel.

Der oö. KPÖ-Landessprecher Michael Schmida begrüßte die Entscheidung der Belegschaft, die sich "nicht einschüchtern lassen" habe. Nun müsse "gemeinsam mit der MAN-Belegschaft" eine Lösung gefunden werden. Attac Österreich sieht nun eine Chance für eine "grundlegende sozial-ökologische Neuausrichtung", Steyr könne mittelfristig "Produkte für eine nachhaltige Mobilität herstellen", etwa Züge und Straßenbahnen.

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