Luxemburg ärgert die EU: „Ein Steuersumpf mitten in Europa“
Angelina Jolie und Brad Pitt mögen sich durch ihre Scheidung kämpfen – ein Schloss samt Weinberg in der Provence besitzen sie weiter gemeinsam. Offizieller Inhaber des Prachtguts ist eine französische Firma, deren Muttergesellschaft in Luxemburg angesiedelt ist und den Hollywood-Stars gehört. Für Renovierungen erhielt die französische Tochter einen üppigen Kredit der Mutterfirma.
An Zinsen floss dann 2018 mehr als eine halbe Million Euro an die Luxemburger Mutter zurück. Das senkte den Nettogewinn der Firma in Frankreich und somit auch dort die Steuerlast, wo erheblich mehr Abgaben zu tätigen sind als in Luxemburg: Klassische Steuervermeidung – aber nicht verboten.
Und so antworteten Jolie und Pitt auf eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung: Man respektiere „gewissenhaft alle gesetzlichen Vorschriften“.
Drittgrößter Finanzplatz
Zahlreiche Stars, Sportler, Politiker, 250 Milliardäre, multinationale Konzerne und 15.000 Investmentfonds machen es nicht anders und lassen ihr Geld im kleinen Luxemburg arbeiten. Und dort, im nach London und Zürich drittgrößten Finanzplatz Europas, ist auch nach Reformen weiterhin steuertechnisch alles erlaubt, was nicht explizit verboten ist.
Das geht auf Kosten aller anderen Europäer: Allein zehn Milliarden Euro gehen den anderen EU-Staaten jährlich wegen Luxemburgs Steuerpraktiken verloren, hat die NGO Tax Justice Network ermittelt: Weltweit sei das kleine Land für 6,5 Prozent aller jährlich entgehenden Steuereinnahmen verantwortlich.
Die am Montag unter dem Titel „OpenLux“ veröffentlichten Recherchen von Süddeutscher Zeitung, Le Monde, Le Soir und 14 weiteren Medien und NGOs zeigten erneut:
Das Großherzogtum ermöglicht Konzernen und Vermögenden mit undurchsichtigen Firmenkonstruktionen, Steuern zu umgehen, die anderswo gezahlt werden müssten.
„Luxemburg ist und bleibt ein Steuersumpf mitten in Europa. Mit aggressiver Steuervermeidung sollen Unternehmen und Superreiche ins Land gelockt werden, die hier Briefkastenfirmen eröffnen“, ärgert sich Evelyn Regner. Die SPÖ-EU-Abgeordnete arbeitet seit Jahren zum Thema Steuergerechtigkeit und weiß: „Luxemburg zeigt leider immer noch wenig Interesse an Transparenz. Stattdessen setzen sie auf legale Tricks der Steuervermeidung, die aber selbstverständlich auch Kriminelle zur Geldwäsche ausnutzen.“
Die luxemburgische Regierung wehrt sich entschieden dagegen. Nachdem vor fünf Jahren die massenhafte Steuervermeidung von Großkonzernen aufflog („Luxemburg Leaks“), gelobte die Politik Besserung. „In Luxemburg gibt es keine günstige Steuerregelung für multinationale oder digitale Unternehmen“, hieß es gestern es in einem Schreiben der Regierung. „Sie müssen sich an genau dieselben Steuerregeln und Gesetze halten wie alle anderen luxemburgischen Unternehmen.“
Schlupflöcher
Diese Regeln aber bieten legale Schlupflöcher, etwa bei Lizenzen: Ein Konzern verschiebt seine Markenrechte an eine Schwesterfirma in Luxemburg. Die Lizenzgebühren für die Markenrechte müssen dann an die Schwester im Großherzogtum abgeliefert werden – wo der Steuersatz niedriger ist.
Oder luxemburgische Firmen, die sich für Tausende Immobilien in der EU als Eigentümer im Grundbuch eintragen lassen. Die Mieteinnahmen fließen nach Luxemburg, wo weniger Steuern zu zahlen sind. Lässt sich diese Firma dann noch von einer weiteren Tochterfirma im Land einen Kredit geben, sinkt die Steuerlast abermals.
Nicht verboten, „aber eine Unverschämtheit“, sagt der deutsche grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold.
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