Im Sommer holte ihn die Staatsholding ÖBAG, Drittel-Eigentümer des Casag-Konzerns, als Berater an Bord. Es galt, ReFIT umzusetzen, das härteste Sparpaket in der Unternehmensgeschichte. Grundsätzlich zu hohe Kosten und dazu die Corona-Krise – dem Unternehmen drohten hohe Verluste, sogar von Insolvenzgefahr war die Rede. Der Mehrheitseigentümer Sazka machte gewaltig Druck und hätte am liebsten etliche der 12 inländischen Casinos-Standorte sofort geschlossen.
Alvarez übernahm die Rolle des Mediators zwischen den Tschechen, der Staatsholding und dem Unternehmen. Alle Seiten bestätigten, dass er mit viel Sachkenntnis, gepaart mit sozialer Kompetenz, erfolgreich vermittelte.
So weit wäre alles bestens. Doch Alvarez ist seit Dezember 2018 Chairman von BetVictor, einem mit der Adresse World Trade Center, Bayside Road 6, in Gibraltar unter der Nummer 56-556-4316 registrierten Online-Anbieter. Die laut den letzten zugänglichen Daten (2018) mit rund 24 Millionen Pfund Eigenkapital ausgestattete Gesellschaft gilt als eines der führenden Online-Unternehmen in Europas Gaming-Industrie. BetVictor begann mit Sportwetten, betreibt mittlerweile aber auch Glücksspiel.
Und das ist das Problem.
In Österreich hat nur win2day, eine Tochter von Casinos und Lotterien, die Lizenz zum Internet-Gaming. Trotz dieses Monopols hält win2day im Inland nicht einmal 50 Prozent Marktanteil. Denn zahlreiche internationale Anbieter spielen quasi illegal in die Alpenrepublik herein. Ohne eine österreichische Lizenz zu haben.
So auch BetVictor. Das Unternehmen ist damit ein direkter Konkurrent der Lotterien im erbittert umkämpften, lukrativen Online-Markt.
Der KURIER machte die Probe aufs Exempel:
Bei der Anmeldung eines Spieler-Accounts poppt Österreich sofort automatisch auf. Wir geben korrekt unsere – österreichischen – Daten ein und können auf der sehr professionellen Website problemlos spielen. Mit einem kleinen Gewinn steigen wir wieder aus.
Alvarez war für eine Stellungnahme für den KURIER nicht erreichbar.
Der Lotto-Job wurde durch den vorzeitigen Rücktritt von Walter Rothensteiner vakant. Der Raiffeisen-Generalanwalt war sowohl Casinos- als auch Lotterien-Aufsichtsratschef. Casag-Aufsichtsratschef wurde Siemens-Österreich-Boss Wolfgang Hesoun. Dass sein Lotto-Kollege kein Wort Deutsch spricht, kommt im Unternehmen so nebenbei auch nicht besonders gut an.
Die Online-Anbieter berufen sich rechtlich auf Konzessionen in Gibraltar und Malta, beides äußerst beliebte Standorte für diese Art von Geschäft. Der Casag-Gruppe und den Steuerzahlern entgeht dadurch viel Geld. Das Management setzt sich seit vielen Jahren bei der Politik massiv für ein neues Online-Gesetz ein. Mit dem Ziel, den österreichischen Markt gegen nicht lizenzierte Konkurrenz abzuschotten, etwa durch Blockieren der IP-Adressen.
Bis dato war das Lobbying erfolglos. Ein Entwurf wurde unter der türkis-blauen Regierung in Begutachtung geschickt, aber wegen des Widerstands der FPÖ wieder zurückgezogen. Das war’s.
Die Lotterien sind die Cashcow des Konzerns. Weil die Trafiken im Lockdown geöffnet sind und es etliche Jackpots gab, könnte der Umsatz 2020 sogar höher sein als die 818 Millionen vor der Krise. Der Gewinn lag vor Corona bei 77,6 Millionen. win2day boomt seit Beginn der Pandemie, 2019 wurden 94 Millionen Umsatz eingespielt. Die Verlierer sind die Casinos.
Helmut Kern, Aufsichtsratspräsident der ÖBAG, legte übrigens 2019 kurz nach seinem Amtsantritt seinen Aufsichtsratsjob bei bwin.party Service Austria zurück. Der britische Mutterkonzern GVC spielt online ebenfalls nach Österreich herein.
Kern begründete den Schritt jedoch nicht mit Unvereinbarkeit, sondern mit Zeitmangel. Die von ihm beaufsichtigte Gesellschaft sei bei GVC zu weit unten in der Konzernhierarchie und er selbst habe keinen direkten Einfluss auf die Casinos Austria.
Die Causa Alvarez ist etwas anders gelagert. Er ist immerhin Chairman eines unmittelbaren Konkurrenten und auch wenn der Casag-Aufsichtsrat das wichtigere Gremium ist, hat er Einfluss auf die Lotterien.
Mitarbeit: Robert Kleedorfer
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