Lokführer klagt gegen Gehaltskürzung um 32 Cent - und bekam recht

Lokführer klagt gegen Gehaltskürzung um 32 Cent - und bekam recht
Kurioser Rechtsstreit in Japan: Zugverspätung von nur einer Minute wurde mit Lohnabzug bestraft. "Keine Arbeit, kein Lohn", so die Begründung.

Am Dienstag wurde in Japan ein kurioser Arbeitsrechts-Prozess entschieden: Einem japanischen Lokführer wurde eine Verspätung von einer einzigen Minute zum Verhängnis. Sein Arbeitgeber West Japan Railway Company (JR West) bestrafte den Mann mit einem Lohnabzug: um 43 Yen. Das sind umgerechnet 32 Cent.

Doch statt die Gehaltskürzung stillschweigend hinzunehmen, zog der Lokführer vor Gericht - und bekam recht: Das zuständige Bezirksgericht in der Präfektur Okayama verurteilte den angeklagten Bahnbetreiber dazu, dem Lokführer einschließlich entgangener Überstundenzahlung 56 Yen zu zahlen. Dies berichtete die japanische Tageszeitung  Yomiuri Shimbun.

Die Vorgeschichte: Der Lokführer, dessen Namen die Medien des Landes nicht nennen, sollte am18. Juni 2020 am Bahnhof Okayama in Westjapan einen ausrangierten Zug ins Depot fahren. Laut der Tageszeitung  Yomiuri Shimbun  erschien der Mann um 6.48 Uhr an einem Gleis, an dem er den leeren Zug erwartete. Doch das war das falsche Gleis. Um 7.08 Uhr bemerkte er seinen Fehler und lief zum Nachbargleis. Dadurch habe sich die Übergabe des Zuges zwischen den beiden Lokführern um zwei Minuten verspätet. Infolgedessen habe sich die Abfahrt um eine Minute verzögert. Um 7.20 Uhr sei er im Depot angekommen, ebenfalls eine Minute zu spät.

"Keine Arbeit, kein Lohn"

Der Arbeitgeber JR West rechtfertigt die Lohnkürzung mit ihrem strengen Arbeitsprinzip: „keine Arbeit, kein Lohn“. Der Lokführer habe während der Verwechslung nicht gearbeitet. Die Firma behielt zunächst 85 Yen für die zweiminütige Verspätung ein, reduzierte die Strafe jedoch auf eine einminütige Verspätung, nachdem der Fahrer sich bei der örtlichen Arbeitsbehörde beschwert hatte. Vor Gericht argumentiert die Klägerseite, die beanstandete eine Minute Verspätung sei sehr wohl Arbeitszeit gewesen. Außerdem sei es durch das Versehen des Lokführers zu keinerlei Unterbrechung der Zugfahrpläne gekommen.

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Der Highspeed-Zug Shinkansen

Schadenersatz gefordert

Der Lokführer forderte  vor Gericht die ihm gekürzten 43 Yen plus 13 Yen an Überstundengeld sowie 2,2 Millionen Yen (16.300 Euro) an Schadenersatz für die durch die Entscheidung seines Arbeitgebers verursachten psychischen Qualen.

Der bizarre Rechtsstreit wirft denn auch nicht nur ein Schlaglicht auf die legendäre Pünktlichkeit der japanischen Bahnen, sondern auch auf Japans nicht selten ausbeuterische Arbeitswelt. Im Internet erhält der Zugführer von Landsleuten viel Unterstützung für seine Klage. „Sie können also jemandem das Gehalt um eine Minute kürzen, aber Überstunden können Sie nicht in Minutenschritten bezahlen“, schrieb jemand laut Medien.

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Der Shinkansen kommt nie zu spät

Japanische Pünktlichkeit

Mit der Pünktlichkeit nimmt es Japan höchst genau. Das gilt auch für Japans Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen, der Stolz der Nation. Außer bei Naturkatastrophen wie Erdbeben kommt es auch hier kaum zu Verspätungen. Kommt es aber doch mal zu kurzen Verspätungen von nicht einmal einer Minute, führt dies zu wiederholten Entschuldigungen gegenüber den Fahrgästen. 2017 hatte sich ein Bahnbetreiber zu einer Entschuldigung gezwungen gesehen, weil eine Tokioter Vorortbahn nicht zu spät, sondern zu früh abgefahren war: um 20 Sekunden. Dabei hatte sich gar keiner beschwert.

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