Finanzstadtrat las verhängnisvollen eMail-Anhang nicht

"Ich muss meinen Spitzenbeamten vertrauen können": Ex-Finanzstadtrat Johann Mayr.
Neue Kuriositäten im Zivilprozess zwischen Stadt Linz und Bawag.

Der Zivilprozess zwischen der Stadt Linz und der Bawag um die verlustreiche ZinswetteSwap 4175“ fördert Erstaunliches zu Tage. Im Mittelpunkt der Verhandlung am Mittwoch stand u. a. Ex-Finanzstadtrat Johann Mayr (SPÖ) und ein Schreiben der Bawag vom 11. November 2008 an Werner P., den früheren Linzer Finanzdirektor.

Dem harmlos aufgemachten Informationsschreiben der Bawag, das in Kopie an Mayr ging, hatten die Banker eine Bewertung der Zinswette angefügt. Und der Swap auf Franken-Basis, der die Zinsbelastung der Stadt reduzieren sollte, war damals schon mit 62 Millionen Euro im Minus. Doch den Anhang, der alle Alarmglocken schrillen lassen hätte müssen, hat Mayr nicht gelesen. „Wenn ich alle eMails, die ich als cc bekomme, durcharbeite, käme ich nicht zum Arbeiten“, schilderte Mayr Richter Andreas Pablik sein damaliges Pensum. Mayr fragte lediglich beim Finanzdirektor nach, was es mit diesem Schreiben der Bawag auf sich habe. „P. meinte, es sei unproblematisch“, schilderte Mayr seine „Nachforschung“. „Ich muss meinen Spitzenbeamten vertrauen können.“

Doch der Finanzdirektor dürfte mit der Situation, wie heute aus den Akten ersichtlich, völlig überfordert gewesen sein. Erst in der Karwoche 2010 will Mayr dann erstmals den schriftlichen Abschluss des „Swap 4175“ gesehen haben.

Zuvor war ihm nämlich zugetragen worden, dass in Bankenkreisen gemunkelt wird, dass auf die Stadt erhebliche Zahlungen aus Spekulationsgeschäften zukommen. Da war die Katastrophe aber schon voll im Gang. Mittlerweile geht es um 500 Millionen Euro Schaden.

Richter Pablik wunderte sich auch, dass keinem Linzer Stadtfinanzer auffiel, dass das maximale Risiko der Zinswette deutlich höher war als der maximale Ertrag für die Stadt.

Spekulation mit Franken

Da der frühere Finanzstadtrat im Prozess erklärte, dass die Stadt Linz keinesfalls Spekulationsgeschäfte machen, sondern nur die Zinsbelastung optimieren wollte, konnte sich Richter Andreas Pablik eine weitere Gegenfrage nicht verkneifen. Pablik: „Die Aufnahme von Fremdwährungskrediten ist doch auch schon Spekulation?“

„Nach der damaligen Gesetzeslage hat das Finanzministerium bei Franken-Krediten einen Genehmigungsvorbehalt gehabt“, konterte Mayr. „Das Bundesministerium hat als Oberaufsicht die zwei Tranchen der Stadt Linz genehmigt und für in Ordnung befunden.“ Nachsatz: „Es hat auch eine entsprechende Empfehlung vom Staatsschuldenausschuss gegeben und auch Professor Ewald Nowotny hat das damals empfohlen.“ Mit damals meint Mayr Anfang der 90er Jahre.

Beim Franken-Swap 4175 tauschte Linz aber nicht nur fixe Zinsen gegen variable Zinsen, sondern war auch ein nach oben unbegrenztes Risiko eingegangen; nämlich dann, wenn der stark Franken steigt. Und das Katastrophen-Szenario trat ein.

„Alle Mitglieder des Finanzausschusses sind davon ausgegangen, dass das Risiko auf ein Währungsrisiko beschränkt ist, aber sicher kein Risiko auf ein hochspekulatives Geschäft“, sagte Mayr. Fakt ist: Der ehemalige Finanzstadtrat hat ebenso wenig eine Investment-Banking-Ausbildung wie die Mitarbeiter in der Finanzverwaltung. Mayr will sogar nur das Basis-Wissen eines normalen Bürgers haben. Auf Frage des Richters, ob er ausreichende Kenntnisse habe, um ein derartiges Swapgeschäft zu verstehen, sagte Mayr, das ist insofern leicht zu beantworten, als das höchste Bankprodukt, das ich kenne, ein Bausparvertrag oder ein Sparbuch sind. „Ich habe keine Ausbildung für Bankprodukte“, gab er zu Protokoll. Die „katastrophalen Hebelwirkungen dieses toxischen Produktes“ „Swap 4175“ will Mayr sich später von Experten erklären haben lassen. Detail am Rande: Mayr und sein früherer Finanzdirektor P. sind wegen Untreue angeklagt, beide bestreiten die Vorwürfe.

Seltsame Vorgänge

„Finanzdirektor Werner P. hat mir auch nie mitgeteilt, dass der mit 1. Jänner 2009 neu ernannte Stadtkämmerer Dr. Schmidt 2009 von der Befassung mit dem Swap 4175 durch seinen Vorgesetzten Werner P. ausgeschlossen war“, gestand Mayr ein. „Offenbar hatte sich P. mit der Bawag ausgemacht, dass ausschließlich er der Ansprechpartner der Bawag für den Swap 4175 sein sollte. Das habe ich erst im Nachhinein erfahren.“

Mayr bestätigte auch, dass Bürgermeister Franz Dobusch bereits im Juni 2010 der damaligen Bawag-Vorstandsdirektorin Regina Prehofer mitgeteilt hat, dass die Stadt Linz dieses Geschäft für nichtig, sprich rechtlich unwirksam, hält. Mayr: „Unser Anwalt hat das der Bawag aber auch sofort geschrieben.“ Seit damals wird nun gestritten.

Existenz bedroht

Indes beklagte der Ex-SP-Politiker vor Gericht, dass die Zwei-Millionen-Euro-Klage, die die Bawag gegen ihn persönlich im Zusammenhang mit dem Swap-Geschäft eingebracht hat, die finanzielle Lage seiner Familie bedrohe. Mayr: „Das ist existenziell vernichtend.“

Peinliche Personalnot

In diesem brisanten Zivilverfahren gibt sich die österreichische Justiz einmal mehr ein peinliche Blöße. Obwohl es um einen Streitwert von rund 418 Millionen Euro (ohne Zinsen) geht und für das Verfahren Gerichtsgebühren in Millionenhöhe gezahlt werden mussten, stand am Mittwoch im Saal 708 des Handelsgerichtes Wien keine Schriftführerin zur Verfügung, die die Aussagen der Zeugen, der Anwälte und des Richters protokollierte. Das musste Richter Pablik selbst mit einem Diktaphon erledigen.

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