Lichtenwörth: Die Wiege Thiems und der Industrie

Österreichs Tennishoffnung Dominic Thiem (re.) mit Bürgermeister Harald Richter
Die 3000-Seelen-Gemeinde punktet mit dem Tennis-Ass und einer geschichtsträchtigen Fabrik.

Wer nach Lichtenwörth kommt wird mit einem Lächeln von Dominic Thiem begrüßt. Am Ortseingang ist er auf einem Plakat verewigt, denn hier ist er aufgewachsen, hat seine ersten Schritte gemacht. Hier ist man so stolz wie nirgends sonst auf den Tennisstar. Und man nutzt das auch: Laut Bürgermeister Harald Richter (SPÖ) wird Thiem mehr und mehr zum Tourismusfaktor für die 3000-Seelen-Gemeinde nordöstlich von Wiener Neustadt.

Viel mehr als die Tafel gibt es in Lichtenwörth von Dominic Thiem allerdings nicht zu sehen. Dafür die erste Fabriksiedlung Europas: Die Nadelburg. 1747 wurde sie unter der Regentschaft von Maria Theresia gegründet. Laut dem Nadelburgmuseum wurden dort erstmals Gegenstände mit Maschinen gefertigt – zu Beginn Nadeln aus Messing –, das macht sie zu einem bedeutenden Faktor in der Industrialisierung Österreichs.

Neben der Fabrik waren auf dem Areal 30 kleine gemauerte Arbeiterhäuser, eine Kirche und eine Schule untergebracht. Durch drei Tore konnte die Nadelburg abgeriegelt werden. Eines davon steht noch heute (das Adlertor im Bild oben).

38 Betriebe in Lichtenwörth

Viel los ist auf dem Gelände der Nadelfabrik nicht. Nur aus einem der verbliebenen Häuser tönt Lärm. Aus dem Betrieb von Franz Müllner, dem letzten auf dem Areal, einem von 38 in ganz Lichtenwörth. Die Tischlerei, wurde 1926 von Franz Müllners Großvater gegründet und wird heute von seinem Sohn geführt. 60 Jahre lang hat Franz Müllner hart gearbeitet und konnte den Betrieb erfolgreich erweitern. 15 Mitarbeiter hat die Tischlerei heute und erstreckt sich über zwei Häuser der Nadelfabrik.

Die Tischlerei Müllner ist breit aufgestellt: Es werden nicht nur klassische Möbel, etwa für die Kiwi Kindergärten in Wien, gefertigt, sondern auch Kabinen für Flugsimulatoren der Diamond Aircraft.

"Früher", sagt Franz Müllner, "waren in der Nadelburg mehr Betriebe angesiedelt." Er zeigt auf die umliegenden Häuser: "Da war eine Fleischerei, dort ein Bäcker, dort ein Anstreicher, da ein Installateur, dort hinten hatte Foggensteiner eine Pelzveredelungsfabrik."

Lichtenwörth: Die Wiege Thiems und der Industrie
Lichtenwörth und Tischlerei Franz Müllner
Auch über die Familientischlerei sagt Müllner, dass man besser einen anderen Standort bezogen hätte. Er könne hier nicht gescheit ausladen – die Einfahrt ist eng und die Nadelburg seit 1986 unter Denkmalschutz. Doch die Eltern haben hier gewohnt und der Tischlerei geht es gut. Nur der Winter sei streng gewesen und die Konjunktur zu Beginn des Jahres schlecht. "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir je eine so schlechte Auftragslage im Jänner und Februar hatten." Was einem Franz Müllner das Leben schwer macht: Betriebe aus dem Ausland, die ihre Arbeit in Österreich günstiger anbieten können. "Wir können oft nicht mit dem Preis mit. Vor allem bei öffentlichen Ausschreibungen", sagt der Senior. "Das ist der Tod des Kleingewerbes."

Doch Lichtenwörth, das sei sehr lebenswert. Bis auf die Geruchsbelästigung durch die Schweinemastbetriebe, die manchmal doch recht unangenehm sei.

Schweine im Ortsgebiet

Bürgermeister Harald Richter (SPÖ) hat das Thema ganz oben auf seiner Agenda: Seit 2014 herrscht eine Bausperre für Schweinemastbetriebe in Lichtenwörth. Richter setzt alles daran, Flächen, die derzeit in "Bauland Agrargebiet" gewidmet sind in "Bauland Kerngebiet" umzuwandeln und so der Schweinemast Einhalt zu gebieten. Und: Er will Wohnungen bauen. Die Nachfrage sei da. Von Landflucht sei in Lichtenwörth nichts zu merken. Kritiker meinen, Richter würde zu aggressiv vorgehen.

Lichtenwörth: Die Wiege Thiems und der Industrie
Biomühle Hans Hofer
Was in Lichtenwörth unübersehbar ist, sind die beiden Mühlen: Die Herzig Mühle und die Hans Hofer Biomühle. Florian Hofer, Sohn des Inhabers der Biomühle, ist ganz froh außerhalb von Lichtenwörth zu leben und nicht direkt mit den Querelen in der Gemeinde konfrontiert zu sein. Die Biomühle ist seit 1813 im Besitz der Familie, 2004 wurde auf Bio umgestellt. Weil die Europäische Union (EU) der Mühlenindustrie zugesetzt hätte und man nur mehr in der Nische erfolgreich sein könne. Der Standort für die Mühle sei gut, sagt Hofer. Auch sein Sohn ist übrigens ein erfolgreicher Sportler – im Segelsport: Er ist in der österreichischen Mannschaft beim Red Bull Youth America’s Cup.

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