Die Rache der Staatsanwältin?

Rechtsanwalt Gabriel Lansky weist die Vorwürfe zurück.
Was sich vor dem Untreue- Prozess gegen den freigesprochenen Ex-ÖBB-Chef abspielte.

Der ehemalige ÖBB-Chef Martin Huber als Opfer einer fiesen Rache-Aktion? Zugegeben, der als durchsetzungskräftiges, selbstbewusstes Alpha-Tier bekannte Huber ist in dieser unfreiwilligen Rolle schwer vorstellbar. Doch rund um die seit Anfang März vom Dienst freigestellte Staatsanwältin V. H. (Name der Redaktion bekannt), den Wiener Anwalt Gabriel Lansky und Huber tun sich seltsame Fakten auf, sodass Beobachter in der Justiz nicht an Zufälle glauben wollen. Sondern sich fragen, ob die Staatsanwältin Huber ganz gezielt ins Visier nahm.

Dass eine Anklägerin, noch dazu eine Oberstaatsanwältin, nicht Dienst tun darf, hat in Österreich Seltenheitswert. Die Mitarbeiterin der Korruptionsstaatsanwaltschaft bekam ein gewaltiges Problem mit ihrer früheren Tätigkeit in der Kanzlei Lansky, Ganzger + Partner (LGP). In Zusammenhang mit den Ereignissen um den ehemaligen kasachischen Botschafter Rakhat Aliyev, der am 24. Februar erhängt in seiner Zelle in der U-Haft in der Justizanstalt Josefstadt aufgefunden wurde. V. H. soll, lautet der Vorwurf, als Mitarbeiterin von LGP zwei Beamten des Bundeskriminalamtes Dienstgeheimnisse entlockt haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Mit der Causa Aliyev hat Huber gar nichts zu tun. Der Ex-Boss der Staatsbahnen machte mit der Staatsanwältin in Zusammenhang mit dem Immobiliendeal am Schillerplatz in der Wiener Innenstadt Bekanntschaft. Huber wurde gemeinsam mit den Ex-Telekom-Chefs Heinz Sundt und Stefano Colombo sowie vier am Rande Beteiligten im Vorjahr wegen des Verdachts auf Untreue der Prozess gemacht. Der Vorwurf: Die Telekom habe Huber und seiner Frau die Immobilie zu billig verkauft. Der Fall war wegen der Prominenz der Beteiligten berichtspflichtig, Ministerium und Oberstaatsanwaltschaft genehmigten die Anklage. Nach etlichen Verhandlungsrunden wurden alle Angeklagten rechtskräftig freigesprochen. Die Suppe war zu dünn.

Das Schillerplatz-Verfahren war die erste große Causa der Staatsanwältin unmittelbar nach ihrem Abgang bei Lansky. Das ist insoferne bemerkenswert, als sich Huber und die Kanzlei Lansky zuvor ein erbittertes Match um Honorar-Millionen für die Bahn geliefert hatten.

Der Reihe nach. Als Huber 2004 seinen Job als ÖBB-Chef antrat, ließ er sich alle größeren Verträge der Bahn mit Dienstleistern vorlegen. Und staunte nicht schlecht, als ihm ein Rahmenvertrag mit der Kanzlei LGP samt Ausführungsverträgen präsentiert wurde. ÖBB-intern wurde das potenzielle Auftragsvolumen in Summe auf 18 bis 20 Millionen geschätzt, laut Angaben der Bahn teilweise ohne exakte Spezifizierung der Leistungen. Der Rechnungshof zerpflückte die Vereinbarung.

Verantwortlich war Hubers Vorgänger, der glücklose Rüdiger vorm Walde. Er ließ sich beim Abschied übrigens von der Kanzlei LGP vertreten und reiste mit 1,2 Millionen Euro im Gepäck ab.

Huber schaltete die Finanzprokuratur ein, die für die staatliche Bahn zuständige Rechtsvertretung des Bundes. Deren Präsident Wolfgang Peschorn warnte vor dem Prozessrisiko und empfahl einen Vergleich. Ein Jahr lang wurde gestritten, bis man sich auf einen neuen Vertrag einigte. 4,5 Millionen Euro auf zehn Jahre. Beim Endgespräch saßen sich Lansky, Huber und der damalige Finanzvorstand der Bahn, Erich Söllinger, gegenüber.

Obwohl das Honorar weit heruntergehandelt worden war, sorgte der neue Vertrag in der Öffentlichkeit später für heftige Kritik.

Auftritt Frau H.:

Die Juristin wechselte 2009 von der Staatsanwaltschaft zu Lansky und hatte in der rund 140 Mitarbeiter großen Kanzlei das "Kompetenzzentrum für Strafrecht" unter sich. Im September 2010 ging sie wieder zur Wiener Staatsanwaltschaft zurück.

Am 23. September reichte die Abgeordnete Gabriela Moser eine Sachverhaltsdarstellung gegen Huber in der Sache Schillerplatz ein. Die grüne Abgeordnete hatte einen Tag zuvor aufgrund eines Urteils des Handelsgerichts eine Aussage über Huber in Zusammenhang mit den Spekulationsgeschäften der ÖBB mit der Deutschen Bank widerrufen müssen. Frau H. begann gegen Huber zu ermitteln.

Moser hatte Huber schon einmal angezeigt, im Februar 2008. Damals leitete der ehemalige Lucona-Staatsanwalt Hans-Christian Leiningen-Westerburg das Verfahren. Er gilt in der Justiz als scharfer Hund, hatte immerhin Udo Proksch hinter Gitter gebracht. Leinigen-Westerburg stellte die Schillerplatz-Ermittlungen nach einem Jahr ein. Mit dem Argument: "kostet nur, wird nix rauskommen".

H. rollte die Causa von Neuem auf, obwohl sich Mosers zweite Anzeige nur um einen Satz, in dem auf einen KURIER-Artikel verwiesen wurde, von der ersten Version unterschied.

Bei den Einvernahmen soll die Staatsanwältin auffallend aggressiv vorgegangen sein. Zeugen berichten, sie habe etwa einem Verteidiger nur wegen unterschiedlicher Meinungen über Immobilienbewertungen gleich mit einer Disziplinaranzeige bei der Anwaltskammer gedroht.

In der Justiz hat man wenig Freude mit der Geschichte. Dass Mitarbeiter von Anwälten in die Staatsanwaltschaft wechseln, kommt immer wieder vor. Hat auch mit der Personalnot der Justiz zu tun. Da kann es schon passieren, dass auf den Schreibtischen der Staatsanwälte Verdächtige landen, bei denen es Berührungspunkte mit jenen Anwaltskanzleien gibt, in denen die Ankläger vorher jobbten.

In diesem Fall müssen die Staatsanwälte Befangenheit melden. Die Justiz verlässt sich dabei auf die Angaben und die Einschätzung der Betroffenen, schließlich wäre es viel zu aufwendig, alle Causen auf mögliche Unvereinbarkeiten zu prüfen.

Der KURIER will weder der Staatsanwältin noch Lansky etwas unterstellen. Die Frage ist allerdings, hätte Frau H. Meldung machen müssen, als sie mit dem Fall Huber begann? Sie hatte zwar mit den ÖBB-Honoraren nichts zu tun, weil sie erst später zu Lansky kam. War aber eine leitende Mitarbeiterin und dürfte der Kanzlei emotional sehr nahe gestanden sein, wie Mails belegen. Die Optik sei jedenfalls nicht schön, meint man in Justizkreisen.

Direkt während des Schillerplatz-Prozesses erhob der verhandelnde Staatsanwalt nochmals Anklage gegen Huber. Wegen des Vorwurfs, er habe als ÖBB-Chef seinen Aufsichtsrat nicht korrekt informiert. Der Vorhabensbericht liegt derzeit im Ministerium. Die Staatsanwaltschaft plädiert auf Einstellung. Der Hauptzeuge, ÖBB-Aufsichtsratsvorsitzender Horst Pöchhacker, starb kurz vor seiner Einvernahme.

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