Landwirtschaft: Am besten krisensicher und wettbewerbsfähig zugleich

Die Landwirtschaft der Zukunft muss auch neue Einkommensquellen erschließen, etwa erneuerbare Energie
Preisdruck, Klimaschäden, Ersticken im Papierkram und globaler Wettbewerb - Landwirte haben heute wahrlich kein leichtes Leben. Doch insgesamt scheint die österreichische und gesamteuropäische Landwirtschaft gar nicht so schlecht dazustehen. Das ist eine der positiven Erkenntnisse der Wintertagung 2025 des Ökosozialen Forums. Den Auftakt der Veranstaltung am Dienstag machte die Agrarpolitik. Das Motto dabei: Global denken, lokal lenken.
Die gesündesten Lebensmittel der Welt
"Europa verfügt über die gesündesten und qualitativ hochwertigsten Lebensmittel der Welt", sagt Wolfgang Burtscher, der Leiter der Generaldirektion Landwirtschaft der Europäischen Kommission. Die EU könne sich bei nahezu allen tierischen und pflanzlichen Produkten zu 100 Prozent selbst versorgen und exportiert weit mehr Lebensmittel als sie importiert. Die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) sei ein wesentlicher Faktor dafür.
Österreich sei innerhalb der Union vor allem dadurch ein Musterbeispiel, weil der Altersschnitt der Landwirte hierzulande deutlich geringer als im Rest Europas sei. Bäuerin oder Bauer zu sein, ist für junge Menschen offenbar so attraktiv, dass der neue EU-Landwirtschaftskommissar Christophe Hansen herausfinden will, was Österreich hier genau richtig macht.
Geringes Einkommen und Übermaß an Bürokratie
Das heißt aber nicht, dass es keine Probleme gibt. Eines der größten ist das Einkommen. Im Vergleich mit dem Rest der Bevölkerung ist es europaweit unterdurchschnittlich. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe nimmt rapide ab. Die EU arbeite daran, dass Landwirte am Markt faire Preise erzielen können, sagt Burtscher, aber sie dürften sich auch der Möglichkeit nicht verschließen, aus anderen Aktivitäten Einkommen zu erzielen. Solarenergie oder Biogas zu produzieren, ist damit etwa gemeint.
Landwirte seien diejenigen, die die Folgen des Klimawandels als Erste spüren, durch Extremwetterereignisse wie Dürre oder Überschwemmungen, den Verlust der Biodiversität oder abnehmende Bodenqualität. Hier gebe es auch das eine oder andere Dilemma, etwa den Einsatz von Pestiziden. Sie sollen in der EU im Sinne ökologischer Nachhaltigkeit vermieden werden, was aber auch zu Produktionseinbußen führen kann. Ein Gleichgewicht zu finden, sei oft schwierig. Ebenso sei es beim Thema Bürokratie. Digitalisierung könne dabei helfen, Produktionsziele zu erreichen und Fördermaßnahmen zu kontrollieren. Die Gewöhnung an die digitale Umgebung erfordere jedoch auf allen Seiten Zeit, sagt Burtscher.
Kriege, Vertreibung, Hunger
Auf globaler Ebene sei die Landwirtschaft mit weiteren großen Problemen konfrontiert, schildert Raschad Al-Khafaji, der Direktor der Welternährungsorganisation FAO. 733 Millionen Menschen leiden weltweit an Hunger, gleichzeitig gehen 35 Prozent aller Lebensmittel durch Verschwendung verloren. Ursache Nummer eins bei der Unterernährung sind kriegerische Konflikte. Sie betreffen nicht nur Länder, die direkt an Auseinandersetzungen beteiligt sind, sondern oft auch jene, die Flüchtlinge aufnehmen. Das ist besonders in Afrika der Fall.

Raschad Al-Khafaji (Mitte) und Johannes Schmuckenschlager (li.) im Gespräch mit Moderatorin Verena Scherfranz bei der Wintertagung 2025 des Ökosozialen Forums
"Aus Sicht eines hochentwickelten Landes wie Österreich könnte man zu dem Schluss kommen: Das sind lokale Probleme, was geht uns das an?", sagt Al-Khafaji. Aber Systeme seien vernetzt. Hunger habe etwa einen direkten, negativen Einfluss auf das Klima, etwa wenn Wälder für neue Anbauflächen vernichtet werden.
Energieerzeugung für resiliente Bauernhöfe
Konflikte wie der russische Angriff auf die Ukraine werfen in Europa auch die Frage nach der Resilienz und Krisensicherheit auf. Spätestens mit Donald Trumps zweiter Amtszeit als US-Präsident sei klar, dass es zu globalen Machtverschiebungen kommt, durch die sich Europa bisheriger Partnerschaften nicht mehr sicher sein kann. Sich bei Lebensmitteln oder Energie von anderen abhängig zu machen, sei ein Fehler, warnt der militärische Berater Franz-Stefan Gady. Auch Johannes Schmuckenschlager, Präsident der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer plädiert für den Ausbau erneuerbarer Energien, um Resilienz zu schaffen. Ein Schlagwort dazu laute etwa "Energieautarker Bauernhof".
Zwiespalt bei Freihandelsabkommen mit Mercosur
Auch die Freihandelszone der EU mit den Mercosur-Staaten (Brasilien, Argentinien, Paraguay, Uruguay, Venezuela) sei im Licht der Versorgungssicherheit zu betrachten. "Wenn Schiffe nicht mehr ankommen, wo stehen wir dann in Europa?", fragt Schmuckenschlager. Laut Burtscher sei dies ein legitimer Punkt, allerdings könne Europas Landwirtschaft von der Freihandelszone auch massiv profitieren. Man könne dadurch auch geostrategische Partner gewinnen.
Eine große Sorge der heimischen Landwirtschaft sei, dass für Importe nicht die gleichen strengen Auflagen wie für heimische Produkte gelten. Die EU arbeite laut Burtscher an Mechanismen, dass es zu keinem wirtschaftlichen Schaden komme. Im Übrigen hätten auch Konsumenten ein gewichtiges Wort mitzureden, etwa indem sie heimische Bioprodukte kaufen.
Bildung gegen Verschwendung
Ein wichtiges Instrument, um gesunde Ernährung zu fördern und Lebensmittelverschwendung zu reduzieren, sei Bildung, etwa an Schulen. Die FAO engagiere sich in diesem Bereich etwa durch Ratgeber zum Kühlschrank-Management, wie Al-Khafaji berichtet. "Unsere Vision ist es, dass es für Kinder in Zukunft ähnlich unglaublich klingt, dass man essbare Lebensmittel wegwirft, wie wenn man ihnen erzählt, dass man früher im Flugzeug geraucht hat."
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