KI-Investor: "Es werden bereits Milliarden verdient"

Nathan Benaich, KI-Investor
Der britische Investor Nathan Benaich über Fortschritte bei Künstlicher Intelligenz, uneingelöste Versprechen und die Chancen europäischer Unternehmen.

Nathan Benaich investiert mit der von ihm gegründeten Fonds Air Street Capital in Start-ups, die Künstliche Intelligenz (KI) zur Lösung von Problemen einsetzen. Das Spektrum reicht von industrieller Robotik über Spieleentwicklung bis hin zu Biotechnologie. Auch in österreichische Unternehmen hat Benaich bereits investiert, wie er dem KURIER erzählt.

KURIER: Wo stehen wir bei Künstlicher Intelligenz?
Nathan Benaich: Modelle können mittlerweile komplexe Aufgaben bewältigen. Das ist wirtschaftlich sehr wertvoll, schafft Umsätze und kann die Machtverhältnisse zwischen großen und kleinen Unternehmen  verändern.

Verdient außer den Chipherstellern  schon jemand Geld?
Es werden bereits Milliarden verdient. Den Löwenanteil machen  Hardware-Hersteller oder Start-ups, die Video- und Automaterial generieren. Es gibt aber auch viele Beispiele aus anderen Bereichen. Etwa im Rechtsbereich bei Dienstleistungen für Anwälte, auch in der Medizin oder im staatlichen Sektor. 

Die Entwicklung ist kostenintensiv. Wann werden Hersteller von Basismodellen wie OpenAI profitabel?
Ich bin davon ausgegangen, dass Basismodelle nie zu einem  Geschäft werden können. Das ändert sich. Bis vor Kurzem waren alle Leute, die Modelle entwickelt haben Nerds. Die kümmern sich nicht darum, wie teuer es ist. Mittlerweile sind erfahrene Leute aus anderen Bereichen in die Branche gekommen. Sie wissen, wie man kosteneffizient arbeitet. Das wird letztlich dazu beitragen, dass die Modelle wirtschaftlich betrieben werden können. 

KI-Investor: "Es werden bereits Milliarden verdient"

In den Sektor fließt viel Kapital. Befinden wir uns in einer Blase? 
Blasen setzen voraus, dass etwas Grundsätzliches nicht stimmt, dass man kein Geld verdienen kann oder dass etwas zu sehr gehypt wird.  Das ist nicht der Fall. Das heißt  nicht, dass es nicht Firmen gibt, die überbewertet sind.

Einen Hype um die Technologie gibt es definitiv.
Der Hype ist wichtig. Weil er die besten Leute anzieht. Man kommt schneller voran.

Nicht alles, was versprochen wird, kann  erfüllt werden. Was sind  die größten Übertreibungen?
Das sind Aussagen wie „KI wird Krebs heilen“. Es gibt so viel über die menschliche Gesundheit, das wir  nicht verstehen. KI wird unser Verständnis davon hoffentlich beschleunigen, aber sie kann Probleme nicht auf Knopfdruck lösen.

Was kann KI  in der Krebsforschung bewirken?
In der Wissenschaft ist es meist darum gegangen, dass Menschen Ideen für Experimente entwickeln, sie durchführen und Daten analysieren. Es passieren viele Fehler. Maschinelle Methoden können besser reproduziert werden und führen meist zu robusteren Daten. KI kann zu Lösungen beitragen, die mit weniger Geld zu besseren Ergebnissen  führen. 

Die Entwicklung von Medikamenten ist komplex, haben Start-ups gegen  Pharmakonzerne eine Chance?
Es braucht Zusammenarbeit. Der Großteil des Geldes fließt in klinische Studien, und junge Firmen verfügen  weder über  Budget noch über Fachwissen dafür. Frühe Forschung  wird häufig an Start-ups ausgelagert.  Sie gehen Risiken ein und werden dafür belohnt. Es gibt so etwas wie eine gesunde Nahrungskette. Es gibt aber auch einige Start-ups, die schon in früheren Phasen über genügend Kapital verfügen, um ihre Medikamente weiterzuentwickeln. 

Welche Bereiche der Forschung sind Ihrer Meinung nach unterfinanziert, sind aber wichtig?
Historisch gesehen ist Forschung im Bereich der Antibiotika im Bereich der Biotechnologie unterfinanziert. Wie unsere Zukunft aussehen würde, wenn wir mit multiresistenten Bakterien konfrontiert wären, ist gut dokumentiert. Weil es aber nur sehr wenige wirtschaftliche Anreize gibt, sind nur wenige Unternehmen in diesem Bereich tätig. Es gibt gute Belege dafür, dass man maschinelles Lernen nutzen kann, um neuartige, wirksamere Antibiotika zu entwickeln. Der Bereich hat viel Potenzial und wir werden es brauchen, weil wir sonst in eine sehr missliche Lage geraten werden. 

Sie investieren in eine breite Palette an KI-Unternehmen. Nach welchen Kriterien wählen Sie die aus?
Ich konzentriere mich darauf, ob ein Problem noch ungelöst ist und ob KI eine  Lösung dafür finden kann. Es müssen substanzielle Fragen sein. Lebensmittellieferungen in zehn  Minuten interessieren mich nicht.

Sehen Sie  in Österreich vielversprechende Unternehmen?
Ich habe in zwei investiert. Eines davon war Allcyte, das aus dem Wiener Forschungszentrum für Molekulare Medizin CeMM hervorgegangen ist. Es hat Krebstherapien direkt an den Zellen von Patienten getestet, um zu sehen, was funktioniert. Wir haben es an Exscientia verkauft, das dann an die Nasdaq (Anm.: US-Technologiebörse) gegangen ist. Es gibt auch ein neues Unternehmen, das gerade gegründet wird. Es beschäftigt sich ebenfalls mit Krebstherapien. Das ist aber noch nicht öffentlich. Es gibt in Österreich eine sehr gute wissenschaftliche Basis. 

KI-Investor: "Es werden bereits Milliarden verdient"

Wie groß ist der Rückstand Europas bei Künstlicher Intelligenz gegenüber den USA und China?
Der Abstand ist sehr groß. Die überwiegende Mehrheit der Rechenzentren und Cloud-Computing-Unternehmen befindet sich in Nordamerika. Es gibt zwar Initiativen in Europa, aber sie sind nicht sehr ambitioniert. Die Ausbauziele, die etwa in Großbritannien für 2030 gesetzt wurden, werden von privaten Unternehmen in den USA bereits heute erreicht. Es wäre auch wichtig, dass der Staat aufstrebende Bereiche wie KI, Quantencomputing oder Biotechnologie als Pilotkunde unterstützt. Die Start-ups brauchen nicht mehr Finanzierungen oder Fördermittel sondern Einnahmen. 

Künstliche Intelligenz wird in der EU sehr stark reguliert. Kann die Regulierung ein Vorbild für andere Staaten sein oder ist sie für europäische Firmen ein Nachteil?
Ich denke, sie ist ein Nachteil. Es wird auch bereits darüber nachgedacht, wie man sie abschwächen kann. Wenn KI geopolitisch wichtig ist und der Motor für wirtschaftliches Wachstum sein soll, ist es völlig fehl am Platz, sie übermäßig zu regulieren. Wo soll das Wachstum herkommen?

Wo können europäische Firmen erfolgreich sein?
Biotechnologie gehört sicherlich dazu. Es gibt fantastische Institute, viele wichtige Durchbrüche in dem Bereich kommen aus Europa. Aber auch Sicherheit und Verteidigung sind vielversprechend. Die USA haben sich von Sicherheitsgarantien verabschiedet. Europa muss sich selbst verteidigen. Die EU-Kommission hat viele Mittel freigegeben, die an europäische Anbieter gehen sollen. Für KI-Unternehmen bietet sich eine große Chance. 

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