Kroatien tobt: MOL-Chef trotz Haftbefehls in Wien

MOL-Chef Zsolt Hernadi
Brisantes Arbeitstreffen von Zsolt Hernadi mit OMV-Boss Rainer Seele. Kroatien fordert Erklärungen.

Man könnte es unter Nachbarschaftspflege einordnen und abhaken: Zsolt Hernádi, langjähriger Chef des ungarischen Energiekonzerns MOL, war am Mittwoch für eineinhalb Stunden zu einem Arbeitstreffen beim neuen OMV-Chef Rainer Seele. Man kennt sich von früheren Projekten, als Seele noch Chef der deutschen Wintershall war.

Auf Interpol-Liste

Das Treffen hat allerdings einige brisante Fußnoten. Denn Hernádi ist bei Interpol zur Fahndung ausgeschrieben. Der internationale Haftbefehl wird aber in Deutschland und Österreich nicht vollstreckt. Alles, was ein MOL-Sprecher dazu sagt, ist: "Ja, es stimmt. Hernádi kann sich in Österreich und Deutschland frei bewegen, war auch schon mehrmals in Berlin oder München zu Gast. Oder jetzt eben in Wien."

Kroatien tobt: MOL-Chef trotz Haftbefehls in Wien
Hintergrund: Zwischen Ungarn und Kroatien tobt ein Kleinkrieg - seit dem Einstieg von MOL bei der kroatischen Energiefirma INA. Die Kroaten behaupten, rund um die Übernahme sei es zu Korruption gekommen, dabei sei MOL-Chef Hernádi involviert gewesen: Vorwürfe, die MOL und Hernádi vehement bestreiten.

In Zagreb wird ihm vorgeworfen, er soll Kroatiens Ex-Ministerpräsident Ivo Sanader mit 10 Mio. Euro bestochen haben, damit MOL ohne Aktienmehrheit die operative Führung der INA erhält. Sanader wurde wegen der Annahme von Bestechungsgeldern von MOL bereits rechtskräftig verurteilt. Allerdings hob das Verfassungsgericht heuer im Juli das Urteil wegen Prozessfehlern auf und ordnete eine Neuaufrollung des Prozesses an.

Kroatien will nun aber bei Österreich protestieren, weil Hernádi trotz der Interpol-Fahndung ein Geschäftstreffen absolvieren konnte. Innenminister Ranko Ostojic kündigte am Donnerstag an, deswegen eine Protestnote an Österreich zu schicken und Erklärungen einzufordern.

Ziemlich beste Feinde

Zusätzliche Brisanz erhält das Arbeitstreffen aufgrund der Vorgeschichte. Österreichs Energieriese OMV und MOL sind einander nämlich seit vielen Jahren spinnefeind. Der Konflikt geht auf einen feindlichen Übernahmeversuch zurück, bei dem die OMV letztlich einen Rückzieher machen musste. Auch im Ringen um die kroatische INA kam man einander in die Quere. Und dass die OMV 2009 ihren MOL-Minderheitsanteil schließlich an die russische Surgutneftegas verkaufte, sorgte in Budapest ebenfalls für mehr als nur Verstimmung. Ex-OMV-Chef Gerhard Roiss zählte die gescheiterten Übernahmen zu seinen größten Flops, aber: "Im Nachhinein betrachtet war das gar nicht so schlecht."

Jetzt zeichnet sich unter dem neuen OMV-Chef Seele offenbar Tauwetter ab. Das Arbeitstreffen habe dazu gedient, die persönlichen Kontakte zu vertiefen - es seien regelmäßige Treffen vereinbart worden, heißt es. Zu den konkreten Inhalten der Gespräche heißt es: "Kein Kommentar."

Vier Milliarden Euro in der Kriegskasse

Das regt die Phantasie an. Denn MOL hat nach Eigenaussage mehr als vier Milliarden Euro für strategische Partnerschaften oder Akquisitionen flüssig. Damit ließe sich eine ganze Menge anstellen. Aufgrund der verbrannten Erde in der Vergangenheit sei eine wechselseitige Beteiligung aber unwahrscheinlich, sagen Analysten. Viel eher könne es um Infrastruktur-Projekte gehen - etwa um die Gaspipeline South Stream, die über Ungarn führen soll.

Oder aber, es geht um die Reanimation eines Projektes, das seit gut 12 Jahren auf der OMV-Agenda steht: Die Rohölpipeline Bratislava-Schwechat, die die slowakische Raffinerie Slovnaft (gehört zum MOL-Konzern) mit der OMV-Raffinerie Schwechat verbinden sollte und damit einen direkten Fluss von russischem Öl ermöglichen könnte. Dazu gab es mehrere Anläufe, die an Umweltbedenken in der Slowakei scheiterten.

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