Kreditzinsen: Darf’s ein bisserl weniger sein?

Kreditzinsen: Darf’s ein bisserl weniger sein?
Die Zinsmesslatte Euribor liegt unter Null. Private Kreditnehmer profitieren davon kaum.

Sich Geld ausborgen und dabei noch etwas verdienen. Dieser Traum jedes Kreditnehmers ist für manche schon Realität geworden. Zum Beispiel für Deutschland: Nimmt das Land via Staatsanleihen Geld auf, geben sich Anleger zeitweise mit "Negativrenditen" zufrieden. Sie akzeptieren, dass sie am Ende der Laufzeit weniger zurückbekommen, als sie hergeborgt haben.

Privaten Kreditnehmern wird das allerdings kaum gelingen. Auch wenn die Messlatte (siehe Euribor unten), an dem sich die Kreditzinsen orientieren, am 21. April erstmals unter die Nulllinie gerutscht und seither im negativen Bereich geblieben ist. Aktuell liegt der 3-Monats-Euribor, der in der Regel für Kredite herangezogen wird, bei minus 0,024 Prozent. Die Banken würden diesen negativen Euribor-Zinssatz nicht an die Kunden weiterreichen, kritisiert der Verein für Konsumenteninformation (VKI). Ein Rundruf bei heimischen Geldhäusern ergab: Die Banken gehen unterschiedlich damit um.

Abziehen oder nicht

Bei der Bank Austria etwa wird der negative Euribor-Satz von der Marge (dem Aufschlag der Bank) abgezogen. Da die Marge in der Regel rund ein Prozent oder mehr ausmache, müsste der Euribor noch viel weiter abtauchen, damit von der Marge gar nichts mehr bleibt. "Der Referenzsatz kann negativ gehen, der Kundenzinssatz nicht", hat Bank-Chef Willibald Cernko erst diese Woche gesagt. Spätestens bei 0,00001 Prozent wäre für ihn Schluss. Billiger kann es nicht werden.

Die Erste Bank setzt die Latte höher an. Billiger als 1,5 Prozent kann es nicht werden, egal, in welche Tiefen der Euribor auch fallen sollte. Ähnlich geht die Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien vor: Dort kann es nicht unter den vereinbarten Aufschlag gehen.

Wieder geringfügig anders ist das bei der Bawag P.S.K. geregelt: Bei Privatkrediten sei vertraglich eine kaufmännische Rundung auf Achtel- oder Viertel-Prozentpunkte vereinbart worden, heißt es dort. Bei den derzeitigen 3-Monats- und 6-Monats-Euribor-Werten von –0,024 Prozent sowie +0,048 Prozent ergibt die Rundung also jeweils null. Somit stelle sich das Thema Negativzinssatz bei Krediten in der Praxis momentan noch nicht. Eine Zinszahlung von der Bank an die Kunden für Kredite wäre aber auch "rein rechtlich nicht vorgesehen", lautet die Bawag-Auskunft.

Sparer und Kreditnehmer gleich

So handhabt es die überwiegende Mehrzahl der Institute: Selbst wenn der Euribor ins Negative dreht, wird er mit null angesetzt. Abgezogen wird der negative Referenzsatz – wie es der VKI einmahnt – von den meisten nicht.

Die juristische Begründung der Banken: Der Oberste Gerichtshof hat 2007 entschieden, dass Zinsen auf das Sparbuch in Österreich nicht auf null (oder gar darunter) sinken dürfen. Dasselbe müsse umgekehrt auch für Kredite gelten, argumentiert Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Bankensparte in der Wirtschaftskammer. Bis vor wenigen Jahren hätte niemand negative Zinsen für möglich gehalten, deshalb sei das in den Kreditverträgen nicht extra erwähnt worden: "Daran haben beide Vertragsparteien nicht gedacht." Wenn Banken künftig für Spareinlagen und Kredite zahlen müssten, würde ihr Geschäftsmodell in Frage gestellt, sagt Rudorfer. Er betont, dass die Kreditkonditionen in Österreich "seit vielen Jahren extrem günstig" seien.

Ganz neu ist das Problem nicht: Schon im Februar war der Libor deutlich ins Minus gerutscht – das ist ein anderer Zinssatz, der als Basis für viele Frankenkredite herangezogen wurde. Der VKI hat deshalb eine Verbandsklage angestrengt, damit die Banken diesen Vorteil an die Kunden weitergeben. Der Euribor-Streit könnte damit mitentschieden werden. Falls nicht, werde man das gesondert zu Gericht bringen. Das Urteil könnte freilich auf sich warten lassen: Der VKI rechnet damit, dass der Prozess durch alle Instanzen geht.

Euribor steht für Euro Interbank Offered Rate und zeigt die Zinssätze, zu denen Banken in der Eurozone einander Geld leihen. Den Euribor gibt es für unterschiedliche Laufzeiten, von einer Woche bis zu einem Jahr. Die Kreditverzinsung orientiert sich in der Regel am Euribor mit einer Laufzeit von drei Monaten. Aktuell liegt dieser Satz bei minus 0,024 Prozent – so tief wie noch nie. Mitten in der Finanzkrise 2008 schoss der Euribor über die Marke von fünf Prozent, weil die Banken einander nicht mehr über den Weg trauten. Euribor-Sätze gibt es seit Anfang 1999, als der Euro als Buchgeld eingeführt wurde.

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