Gemeinsam statt einzeln zu seinem Recht kommen: So lautet die Devise der neuen Verbandsklage, die mit gehöriger Verspätung nun bald auch in Österreich realisiert wird und von Konsumentenschützer als „Meilenstein der Rechtssprechung“ gefeiert wird.
Das vom Justizministerium eingebrachte Gesetz – die Begutachtungsfrist endete am 27. Mai – soll noch im Juli im Parlament beschlossen werden. Es handelt sich dabei um die Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie, die eigentlich bis Ende 2022 erfolgen hätte müssen.
Der KURIER fasst die wichtigsten 8 Fragen zum neuen Gesetz zusammen:
1. Wie genau funktioniert eine Verbandsklage?
Ziel ist es, Massenschäden rasch und effizient gerichtlich abzuwickeln, was letztlich auch die Gerichte entlasten soll. Damit geschädigte Konsumenten zu ihrem Recht kommen, müssen sie den Schädiger nicht mehr selbst klagen, sondern können einem Verbandsverfahren beitreten (Opt-in) und von dessen Ausgang profitieren. Dadurch können sie ihren Aufwand und das Prozessrisiko deutlich minimieren. Beispiele für Verbandsklagen sind etwa die Entschädigungen im VW-Dieselskandal, Stromkostenrechnungen oder Servicepauschalen bei den Telekom-Anbietern.
2. Wer kann die Verbandsklage einbringen?
Klagen einbringen können künftig alle gesetzlich anerkannten „Qualifizierten Einrichtungen“. Das sind jetzt schon Arbeiter-, Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer sowie der ÖGB, der Seniorenrat und er Verein für Konsumenteninformation (VKI). Weitere dürften hinzukommen. „Ich rechne damit, dass sich rasch neue Einrichtungen registrieren lassen. Einige Prozessfinanzierer scharen schon in den Startlöchern“, sagt Patrick Mittlböck, Anwalt bei Brandl Talos Rechtsanwälte. So haben etwa die privaten Verbraucherschutzvereine VSV und Cobin Claims bereits angekündigt, sich registrieren zu lassen. Da die Erfolgshonorare nicht gedeckelt sind, dürfte es auch einen gewissen Wettbewerb geben.
3. Was ist der Unterschied zwischen Sammelklage und Verbandsklage?
Die Möglichkeit eines kollektiven Rechtsschutzes gibt es in Österreich bereits. Mit der Sammelklage österreichischer Prägung konnten schon bisher Einzelschäden gebündelt werden. Allerdings mussten Ansprüche einzeln z.B. an den VKI abgetreten werden und es gab keine einheitliche Gerichtszuständigkeit. Künftig kann jeder Verband, der registriert ist, die Ansprüche gebündelt geltend machen.
4. Welche Voraussetzungen gelten für die Zulassung als qualifizierte Einrichtung?
Voraussetzung ist eine öffentliche Tätigkeit zum Schutz von Verbraucherinteressen. Außerdem dürfen sie keinen Erwerbszweck haben und nicht unter Einfluss eines Unternehmens stehen. Anwalt Mittlböck ortet hier ein Transparenzproblem. „Da ist eine gewisse Intransparenz gegeben, wodurch durch das beklagte Unternehmen nicht sichergestellt werden kann, dass Prozessfinanzierer immer unabhängig agieren“.
5. Werden bei einem positiven Ausgang des Verfahrens alle Betroffenen gleichermaßen entschädigt?
Nein, es zählen nach wie vor die Einzelansprüche. „Bei manchen Themen wie etwa der Stromrechnung ist es auch schwierig einen Pauschalbetrag festzulegen, weil der Verbrauch höchst individuell ist. Da kann man nicht einfach drüberfahren“, erläutert Mittlböck. Ein Verfahren wie in den USA, wo alle Betroffenen gleichermaßen entschädigt werden (Opt-Out), wird es auch weiterhin nicht geben.
6. Wie kann geklagt werden?
Eingebracht werden können einerseits Unterlassungsklagen – etwa wegen benachteiligender Klauseln in AGB – die ein kollektives Interesse von Konsumenten beeinträchtigen. Erstmals möglich ist eine Klage auf „Abhilfe“ für eine bestimmte Anzahl an Personen. Dafür bedarf es zumindest 50 betroffene Personen. Diese können den Schädiger kollektiv auf Schadenersatz oder Reparatur klagen. Beispiele wären etwa Trauerschmerzensgeld nach einem Flugzeugabsturz oder Schmerzensgeld bei fehlerhaften Brustimplantaten.
7. Können sich auch Firmen einer Verbandsklage anschließen?
Nein. Das Gesetz zielt nur auf Private ab, obwohl die Richtlinie eine Einbeziehung von Klein- und Mittelbetrieben (KMU) ermöglicht hätte. Die Wirtschaftskammer legte sich angeblich quer. Für Mittlböck ein Nachteil. „KMU und EPU sind bei Schadensfällen oft ebenso betroffen, wurden aber im Gegensatz zu Deutschland bei der Verbandsklage nicht berücksichtigt“.
8. Wo können Verbandsklagen eingebracht werden?
Um nicht Klagen auf mehrere Gerichtsstandorte aufzuteilen, wird mit dem Handelsgericht Wien ein zentraler Gerichtsstand festgelegt.
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