Kommunalkredit-Chef Fislage: "Brexit aus globaler Sicht irrelevant"
Am Mittwoch, beginnen in Bad Aussee die „Kommunalen Sommergespräche 2019“. Thema ist die Zukunft Europas und Investitionen in die Infrastruktur zur Erhaltung ländlichen Regionen als Wirtschaftsfaktor. Der KURIER sprach aus diesem Grund mit einem der Gastgeber dieser Sommergespräche: Kommunalkredit-Chef Bernd Fislage.
KURIER: Als europaweiter Financier für Infrastruktur blicken Sie ja in die Zukunft. Also: Kommt die große Wirtschaftskrise?
Bernd Fislage: Im Moment gibt es Anzeichen dafür. In Summe kontrahiert global gesehen die Wirtschaft aber nur sehr leicht. An eine große Bedrohung für die Welt-Ökonomie glaube ich daher nach bisher vorliegenden Daten nicht.
Wie gefährlich ist die Lage in Italien?
Die Ampel steht in Italien auf Gelb. Ich glaube aber nicht, dass die Italiener, egal in welcher Regierungskonstellation, sich selbst aus dem Euro rausbomben werden. Die politischen Eliten dort sehen den Euro auch als Druckmittel, um die eigene Politik durchzusetzen.
Wie sehen Sie Donald Trumps Handelskriege?
Man muss abseits der Tonalität, mit der Donald Trump seine Absichten kundtut, auch sehen, dass die USA weit niedrigere Zölle aufweisen, als etwa wir in der EU. Die USA haben auch ein Defizit in der Handelsbilanz. Insofern betreibt Trump Machtpolitik, die er aber auch nur noch jetzt führen kann, weil die USA noch eine globale und hegemoniale Macht sind.
Und was bedeutet der Machtkampf zwischen den USA und China für Europa?
Da kann es nur eine Antwort geben: Europa muss sich einheitlich positionieren oder es wird zwischen den USA und China zerrieben. Wenn nur Einzelne in Europa aufbegehren, finden sie kein Gehör. Die USA haben 377 Millionen Einwohner, Europa aber 512 Millionen.
Und genau dieses Europa muss sich schon ewig mit dem Brexit herumschlagen.
Der Brexit wird sicher kurzfristig für Unsicherheit an den Märkten und eventuell für logistische Probleme in der Warenlieferung sorgen. Ich wäre auch nicht überrascht, wenn das Pfund erst mal in die Knie geht. Insgesamt glaube ich aber, dass der Brexit aus globaler Sicht irrelevant ist.
Aber die EU verliert doch ein großes Land.
Die EU steht einfach bis heute nicht einheitlich da. Man begibt sich zu oft in eine Lage, in der man in Geiselhaft von einzelnen Nationalstaaten genommen wird.
Was also tun?
Wir müssen erst einmal eine Wirtschaftsunion schaffen. Wir haben bis jetzt eine rein politische Union. Trotz der teilweisen Währungsunion, die aber zu keiner ökonomischen Union geführt hat.
Aber genau diese Union wollen viele Menschen nicht.
Hier müsste die Politik den Menschen die Vorteile einer solchen Union erklären. Da spielt Leadership eine Rolle. Ohne den Leader Helmut Kohl hätte es keine Wiedervereinigung Deutschlands gegeben. Ohne den Leader Michail Gorbatschow kein geeintes Europa.
Wer ist momentan in Europa der Leader?
Niemand. Aber man muss sich entscheiden, ob man gestalten will oder gestaltet wird.
Anderes Thema. Deutschland hat die sogenannte Schuldenbremse: Gut oder schlecht?
Man muss mit Staatsverschuldung verantwortungsvoll umgehen. Im Budget von Deutschland sind für nächstes Jahr 330 Milliarden für den konsumtiven Haushalt vorgesehen. Plus 40 Milliarden für den investiven Haushalt, der auch Investitionen in die Infrastruktur beinhaltet. Das macht zusammen 370 Milliarden. Ungeachtet der Schuldenbremse glaube ich, dass ein Haushalt von 370 Milliarden genug Möglichkeiten bietet, um konjunkturelle Impulse zu setzen.
Sie sagen also: Schulden machen ist okay, wenn man diese Schulden für sinnvolle Projekte wie Infrastrukturprojekte macht?
Absolut. Aber Deutschland hat im ersten Halbjahr einen Steuerüberschuss von 45 Milliarden Euro erwirtschaftet. Neue Schulden sind da auch nicht notwendig.
Speziell bei digitaler Infrastruktur hinken wir in Europa gegenüber den USA und Ostasiaten doch ziemlich nach, oder?
Digitaltechnik oder Künstliche Intelligenz sind Themen, die wir uns vor 20 Jahren nicht vorstellen konnten. Da gibt es Nachholbedarf. Wobei hier auch Finanzwirtschaft und private Investoren eine Rolle spielen müssen.
Inwiefern?
Der Staat kann und muss nicht für die kompletten Investitionen aufkommen. Hierzulande etwa hat Niederösterreich beim Glasfaserausbau gezeigt, dass die öffentliche Hand für die Grundversorgung aufkommt, aber mit Hilfe von Privatfinanzierung ein wesentlich größerer Wurf gelingen kann. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner hat hier Pionierarbeit geleistet; das Land Niederösterreich hat die Rolle des Inkubators, des Umsetzers, eingenommen.
Apropos: In Österreich reden alle schon von 5G, wir sind aber noch nicht einmal mit dem Breitband fertig.
Das gilt nicht nur für Österreich, sondern auch für Deutschland und viele andere Länder. Neue Technologien wie 5G werden für Österreich aber zu einer Überlebensfrage werden. Denn abgesehen von Wien ist Österreich suburban oder ländlich geprägt. Es wird also entscheidend sein, wie technologisch optimiert die Wirtschaft in diesen Regionen aufgestellt sein wird.
Was fehlt denn in Österreich an Infrastruktur?
Die Flughäfen Bratislava und Wien könnte man wohl besser verbinden. Es könnte in Österreich auch mehr Hydro- oder Solarenergie erzeugt werden. Ich glaube, dass auch die Schienen-Infrastruktur in Österreich ausbaufähig ist.
Letzte Frage: Wie geht es einem Deutschen aus Nordrhein-Westfalen in Wien?
Wien ist eine wunderbare Stadt. Ich kann meinen Dialekt zwar nicht verbergen, fühle mich aber voll integriert (lacht).
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